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EU will Schlupflöcher bei der Zinsbesteuerung stopfen

Die EU-Kommission will Schlupflöcher bei der Zinsbesteuerung stopfen, ohne das Bankgeheimnis anzutasten. Bleibt es dabei, dann dürfte die Schweiz offen sein für eine Anpassung des entsprechenden bilateralen Vertrags.

Die Zinsbesteuerung in der Europäischen Union (EU), an der sich auch die Schweiz und andere Nicht-EU-Staaten beteiligen, kann sehr einfach umgangen werden. Die EU-Kommission präsentierte deshalb in Brüssel ihren Vorschlag, wie die Schlupflöcher gestopft werden könnten.

Vorerst ist dies eine EU-interne Angelegenheit. Die Kommission hofft, dass sich die EU-Staaten bis Ende 2009 auf die geänderte Richtlinie einigen, was einen einstimmigen Beschluss erfordert. So könnte sie 2011 in Kraft treten.

Auch die Schweiz betroffen

Klar ist aber bereits heute: Die EU wird auch die Zinsbesteuerungs-Abkommen mit Staaten wie der Schweiz an die neuen Regeln anpassen wollen. «Ich bezweifle, dass die neue Richtlinie ohne Absprache mit den Nicht-EU-Staaten funktionieren kann», sagte EU-Steuerkommissar Laszlo Kovacs.

Er möchte jedoch erst mit der Schweiz verhandeln, wenn sich die EU intern geeinigt hat.

Intaktes Bankgeheimnis

Für die Schweiz ist deshalb wichtig, was die EU beschliessen wird. Zuerst einmal wird man nun in Bern erfreut sein, dass der Vorschlag der EU-Kommission das Bankgeheimnis intakt lässt.

Das bisherige doppelte System bliebe bestehen: Die meisten EU-Staaten tauschen untereinander automatisch Daten über Bankkunden aus. Länder mit Bankgeheimnis erheben stattdessen einen Steuerrückbehalt auf den Zinserträgen von ausländischen EU-Kunden.

Positive Signale aus Bern

Der Bundesrat hat bereits signalisiert, dass er mit der EU über das Stopfen der Schlupflöcher verhandeln würde, falls das Bankgeheimnis unangefochten bleibt.

«Auch ich bin der Meinung, dass sich die Zinsbesteuerung weiterentwickeln und ausdehnen lässt», sagte etwa kürzlich Aussenministerin Micheline Calmy-Rey in einem Interview mit der «Neuen Luzerner Zeitung».

Sie sei «diskussionsbereit», hatte Anfang November Wirtschaftsministerin Doris Leuthard in Brüssel erklärt, die Schweiz bestehe aber auf dem «Schutz der Privatsphäre» durch das Bankgeheimnis.

Spielverderber Deutschland?

Ginge es nach dem Bundesrat und der EU-Kommission, dann wäre wohl eine rasche Lösung mit der Schweiz möglich. Absehbar ist aber, dass zum Beispiel Deutschland die Beratung der neuen Richtlinie nutzen wird, um ein Ende des Bankgeheimnisses zu fordern.

Dies würde jedoch bereits EU-intern langwierige Debatten mit Luxemburg und Österreich auslösen, die ihr Bankgeheimnis auch hart verteidigen.

Genau deshalb will die EU-Kommission eine Grundsatzdiskussion vermeiden und stattdessen die offensichtlichsten Schlupflöcher rasch stopfen.

Bisher werden zum Beispiel nur natürliche Personen erfasst. Diese können die Zinsbesteuerung umgehen, indem sie zwischen sich und dem Finanzinstitut eine Firma oder Stiftung schalten. Diese Zwischeninstanzen würden mit dem Richtlinienvorschlag neu ins System eingebunden. Erfasst werden sollen auch alle Finanzprodukte, die dieselben Sicherheiten bieten wie ein Bankkonto.

swissinfo, Simon Thönen, Brüssel

Seit 2005 erheben schweizerische Finanzinstitute auf den Zinserträgen von Kunden mit Wohnsitz in der EU einen Steuerrückbehalt, der ab 2011 auf 35% ansteigen wird. Es gibt aber Umgehungsmöglichkeiten, die die EU-Kommission nun ausschalten will:

Zwischenstationen: Geht der Zinsertrag zuerst an eine Firma oder Stiftung, wird er nicht erfasst. Zukünftig müssten in diesen Fällen entweder die Banken oder die Zwischeninstanzen den Steuerrückbehalt abziehen. Wegen der Regeln zur Bekämpfung der Geldwäscherei müssen die Banken bereits heute wissen, wer der letztlich Begünstigte bei einer Zahlung ist.

Innovative Finanzprodukte: Alle Wertpapiere und Lebensversicherungen würden neu erfasst, sofern sie ähnliche Sicherheiten bieten wie ein Bankkonto. Falls also das eingesetzte Kapital und eine feste Rendite garantiert werden.

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