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Extremisten: Regierung verurteilt Störungen

Pöbelnde Neonazis auf dem Rütli: Szenen wie diese soll es laut Bundesrat nicht mehr geben. Keystone

Die Schweizer Regierung hat die verbalen und gestenmässigen Attacken an kürzlichen Auftritten von Bundesräten scharf verurteilt.

Am 1. August wurden Bundespräsident Schmid auf dem Rütli und Justizminister Blocher in Winterthur von Neonazis respektive Linken gestört, Blocher auch am letzten Wochenende im jurassischen Saignelégier.

Bundespräsident Samuel Schmid hat namens der Schweizer Regierung Störungen von öffentlichen Anlässen scharf verurteilt. Die Meinungsäusserungsfreiheit sei ein hohes und schützenswertes Gut, sagte Schmid am Mittwoch vor den Medien.

«Der Bundesrat verurteilt mit aller Deutlichkeit Schmährufe und entwürdigende Gesten, die an der Bundesfeier auf dem Rütli und anderswo gegen Rednerinnen und Redner abgegeben wurden. Unabhängig davon, woher sie kommen, sind sie unseres Landes unwürdig», so Schmid.

Bei allem Respekt vor anderen Meinungen müsse dafür gesorgt werden, dass Rednerinnen und Redner ihre Botschaft verbreiten könnten.

Schlimme Szenen auf dem Rütli,…

Zu den Vorfällen am 1. August auf dem Rütli sagte Schmid, der Bundesrat trage eine besondere Verantwortung, sei ihm doch 1859 die Wiese als «unveräusserliches Nationaleigentum» geschenkt worden. Deshalb müssten Anlässe sichergestellt werden, die dem symbolischen Wert des Rütlis gerecht würden.

Zur Erinnerung: Bei seiner Rede auf dem Rütli war Bundespräsident Schmid von rund 700 Neonazis massivst beschimpft und minutenlang unterbrochen worden. Über den ungestörten Auftritt der Rechtsextremen herrschte danach in Öffentlichkeit und den Medien Wut und Konsternation.

Die Rütlikommission als Organisatorin der Feier stellte gar die Zukunft des Anlasses auf der traditionsgeweihten Wiese am Vierwaldstättersee in Frage.

… Unflätigkeiten in Winterthur

Aber nicht nur Schmid sah sich Störern gegenüber. Auch Bundesratskollege Christoph Blocher – wie Schmid von der rechtsnationalen Schweizerischen Volkspartei (SVP) – war bei seiner Rede zum 1. August angepöbelt worden.

In Winterthur waren es Angehörige aus der linksautonomen Szene, die den Justizminister verbal angegriffen hatten.

Nicht mit Namen genannt

Vier Tage nach den wüsten Szenen auf dem Rütli wies der sozialdemokratische Bundesrat Moritz Leuenberger in einem Zeitungs-Interview der SVP eine Mitschuld am Auftritt der Neonazis zu.

«(…) wer reisst denn die Hemmschwellen nieder? Woher kommen denn Ausdrücke gegenüber dem Bundespräsidenten wie ‹charakterlos› oder ‹Halbbundesrat›? Aus den Federn und Mündern einer Bundesratspartei. So wird eine hasserfüllte Stimmung geschaffen.»

Diese Vorwürfe hatte Blocher bisher unkommentiert gelassen. Am Montag äusserte er sich nun erstmals zu den Vorfällen am 1. August. Er wies dabei Leuenbergers Vorwurf zurück. «Das politische Klima ist nicht angespannter als früher auch schon», sagte Blocher gegenüber Schweizer Radio DRS.

«Linke viel gewalttätiger»

Er sei jetzt 40 Jahre in der Politik und erinnere sich an Feiern in den 1980er-Jahren, an denen die Redner mit Tränengas eingehüllt worden seien.

«Die Schweiz geht nicht unter, aber wir sollten für demokratische Strukturen sorgen. Man sollte die Meinungen anderer Leute auch zulassen.» Am Schluss hielt Blocher fest, dass die Störungen seiner 1.-August-Rede in Winterthur viel gewalttätiger gewesen seien als diejenigen auf dem Rütli.

Keine Entscheide

Im «Wie weiter?» am 1. August auf dem Rütli hat der Bundesrat keine Entscheide gefällt. Die Rütlikommission werde sich bis Ende Jahr Gedanken machen, wie künftig eine würdige Bundesfeier gesichert werden könne, sagte Schmid.

Er sei der Ansicht, dass es möglich sein müsse, dass ein Mitglied der Landesregierung dort auftreten könne. Der Entscheid darüber liege aber nicht beim Bundesrat.

Auch über allfällige Zutrittsverbote zum Rütli habe nicht der Bundesrat zu befinden, sagte Schmid. Das sei Sache der Rütlikommission und der Kantone.

swissinfo und Agenturen

1. August, Rütli: Rechtsradikale unterbrachen die Ansprache von Bundespräsident Samuel Schmid mehrere Male. Schmid wurde in Sprechchören als «Sau», «Judas», «Halbbundesrat» und «charakterlos» beschimpft.
1. August, Winterthur: Justizminister Christoph Blocher wird von Vertretern der links-autonomen Szene gestört.
14. August, Saignelégier: Christoph Blocher wird von Globalisierungsgegnern und jurassischen Separatisten ausgebuht.

Der Rütlischwur von Uri, Schwyz und Unterwalden von 1291 zum «Ewigen Bund» gilt als Geburtsstunde der Schweiz.

Seit 1891 ist der 1. August der Nationalfeiertag.

Offizieller Feiertag, also arbeitsfrei, ist der 1. August erst seit 1994.

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