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Frankophonie: Die wichtigen Fragen werden nie gelöst

Josée Verner war die Vorgängerin von Micheline Calmy-Rey als Präsidentin der OIF-Ministerkonferenz. swissinfo.ch

Die Ministerkonferenz in Montreux ist zu Ende: Jetzt treten die Staatschefs auf die Bühne. Zur Halbzeit ein Interview mit der kanadischen Frankophonie-Ministerin Josée Verner, in deren Land vor zwei Jahren der letzte Frankophonie-Gipfel stattgefunden hat.

Am Freitag treffen die 40 Staats- und Regierungschefs der Mitgliedsländer der Organisation der Frankophonie (OIF) in Montreux ein.

Dort diskutieren sie drei Hauptthemen: Der Platz der Frankophonie in der internationale Szene, ihre Rolle bei der nachhaltigen Entwicklung und die Bedeutung der französischen Sprache in einer globalisierten Welt. Beendet werden soll der 13. Gipfel mit der Proklamation einer «Erklärung von Montreux».

Am Donnerstag ging die Ministerkonferenz, ein Vorbereitungstreffen zum Gipfel, zu Ende. Die kanadische Frankophonie-Ministerin Josée Verner hat daran teilgenommen. swissnfo.ch hat mit ihr gesprochen.

swissinfo.ch: Welche Fragen standen im Zentrum dieses Vorbereitungstreffens?

Josée Verner: Die Schweiz hat zu Recht – da die Frankophonie dieses Jahr ihren 40. Geburtstag feiert – beschlossen, das Thema «Zukünftige Herausforderungen und Visionen für die Frankophonie» anzugehen. Alle haben sich zu zu dieser Frage geäussert.

Dieser 40. Geburtstag sollte uns beflügeln, die Zukunft festzulegen. Die Meinungen sind unterschiedlich, aber unsere Zukunft im Bereich der Frankophonie ist für alle die gleiche.

swissinfo.ch: Die Unterschiede zwischen den verschiedenen Mitgliedern der Frankophonie sind aber derart gross, dass es wohl kaum eine einheitliche Zukunft geben wird…

J.V.: Das Schöne an der OIF ist, dass sie mit Konsens funktioniert. Das fordert natürlich viel Reife und eine gemeinsame Vision der Ziele, die man erreichen will.

Der letzte Gipfel fand 2008 statt, in meinen Land Kanada in der Stadt Québec. Ein Gipfel in einem besonderen Kontext: dem Beginn der weltweiten Finanzkrise. Das war das erste grosse Nord-Süd-Forum, an dem die verschiedenen Länder sich zu diesem Problem äussern konnten.

swissinfo.ch: Die OIF sollte nach Ihrer Meinung also eine Nord-Süd-Plattform sein, wo man sich austauscht und anhört?

J.V.: Ja. Die Entwicklungsländer sind oft die ersten, die von solchen Krise betroffen sind. Man muss sie anhören und sich klar werden, wie man ihnen helfen kann.

Als Folge des Gipfels in Québec hat der kanadische Ministerpräsident Stephen Harper – vor der G8 und der G20 – die Initiative ergriffen, den Generalsekretär der OIF und dessen Amtskollegen des Commonwealth zusammenzubringen. Eine Initiative, die es dauerhaft geben sollte: Es ist sehr wichtig für die Organisationen, sich bemerkbar zu machen, wenn sich die Führer der G8 und der G20 Entscheide treffen.

swissinfo.ch: Die Gastgeberländer des Gipfels erhalten für die kommenden zwei Jahre jeweils die Präsidentschaft der Frankophonie. Welche Erfahrungen hat Kanada damit gemacht?

J.V.: Die Präsidentschaft erlaubt einem Land, über seine eigene Agenda hinaus zu gehen. Man kann auch besser mit der Bevölkerung des Landes kommunizieren. Man kann Fragen, Interessen vorantreiben, die ein wenig über das lokale Kolorit hinausgehen.

swissinfo.ch: Sie haben die Minister-Präsidentschaft im vergangenen Dezember an Micheline Calmy-Rey übergeben. Gab es eine Kontinuität in der Arbeit?

J.V.: Der Erfolg der Frankophonie basiert auf der Zusammenarbeit und, ich habe es gesagt, auf dem Konsens. Gleich nach der Übergabe meines Amtes an meine Schweizer Kollegin hat es zahlreiche Diskussionen gegeben zwischen den Beamten der beiden Länder, um zu garantieren, dass alles weiterhin rund läuft.

swissinfo.ch: Der Gipfel von Montreux behandelt ein breites Aktionsfeld, politische, ökologische, kulturelle Fragen…Ist das realistisch?

J.V.: Es gibt Fragen, die bleiben. Die französische Sprache ist eine davon. An jedem Gipfel gibt es einen gewissen Stolz, was man in diesem Bereich getan hat. Wie zum Beispiel in Kanada, wo wir 2010 die Olympischen Spiele in Vancouver hatten. Der Bericht des «Grand témoin», Pascal Couchepin, äusserte sich sehr positiv über die Bemühungen Kanadas in Sachen Förderung der französischen Sprache.

Es gibt aber auch andere Fragen, die regelmässig wieder kommen und nicht auf einen Schlag gelöst werden können: der Klimawandel zum Beispiel. Die Hilfe für Nahrungsmittel-Programme in Entwicklungsländern…Es wäre wunderbar, an einen Gipfel zu kommen und zu sagen: So, alles ist geregelt, alles ist gemacht! Aber das wird nicht der Fall sein. Man kann also nicht sagen, dass wir uns verzetteln: Es gibt einfach Herausforderungen, die immer da sind, um deren Bewältigung man sich ständig bemühen muss.

swissinfo.ch: Haben Sie eine konkrete Erwartung an den Gipfel?

J.V.: Ich erwarte, dass wir uns weiterhin ganz klar für Haiti engagieren. Haiti war oft Opfer von humanitären Katastrophen. Man darf die Bedürfnisse dieses Landes nicht vergessen, nur weil sie sich immer wiederholen… Wie man auf gut Québecois sagt: Man muss das Dossier zuoberst auf den Stapel legen! Und es muss immer dort bleiben.

Das Frankophonie-Gipfeltreffen in Montreux findet vom 22.-24. Oktober statt. Daran teil nehmen 40 Staats- und Regierungschefs.

An jedem Gipfel schlägt das Gastgeberland ein Hauptthema vor. Die Schweiz hat sich für das Thema «Zukünftige Herausforderungen und Visionen für die Frankophonie» entschieden. Es geht um die drei Bereiche: «Weltregierung und Demokratie, Freiheit, Menschenrechte», «Nachhaltige Entwicklung: Nahrungssicherheit und Klima» sowie «Französische Sprache: kulturelle Diversität und Innovation».

Der Gipfel möchte «den Einfluss der Frankophonie auf die restliche Welt stärken». Das ist das Ziel, das sich die Schweizer Aussenministerin Micheline Calmy-Rey für das Treffen in Montreux vorgenommen hat.

Josée Verner, geboren 1959, ist Abgeordnete in der kanadischen Volkskammer und vertritt seit 2006 den Bezirk Louis-Saint-Laurent.

Sie ist Mitglied der Konservativen Partei Kanadas.

2006 tritt sie der Regierung von Ministerpräsident Stephen Harper bei, als Ministerin der internationalen Kooperation, der Frankophonie und der offiziellen Sprachen.

Seit 2008 ist Josée Verner Ministerin für intergouvernementale Angelegenheiten, der Frankophonie und für die Region Québec.

(Übertragung aus dem Französischen: Jean-Michel Berthoud)

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