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Für die Rechte der Ausländer und Flüchtlinge

Nothilfe-Boxen und Koffer mit den Unterschriften. Rechts: alt-Bundesrätin Ruth Dreifuss. Keystone

Fast 200'000 Unterschriften sind für ein Doppelreferendum gegen das revidierte Asyl- und Ausländergesetz eingereicht worden.

Der breite Widerstand gegen die Vorlagen für eine Gesetzes-Verschärfung wird von links-grünen Parteien, kirchlichen und Menschenrechts-Kreisen getragen und von Ruth Dreifuss angeführt.

Zu den Verschärfungen im Asyl- und im Ausländergesetz wird sich also das Volk äussern können. Die Referenden gegen beide Vorlagen sind nach Angaben der Komitees mit über 164’000 beglaubigten Unterschriften zu Stande gekommen.

Die Abstimmung findet möglicherweise schon im September statt.

Gegen das Asylgesetz reichten die Initianten am Donnerstag bei der Bundeskanzlei in Bern 90’078 beglaubigte Unterschriften ein, gegen das Ausländergesetz deren 74’246. Angeführt von alt Bundesrätin Ruth Dreifuss, die das Komitee «2 x Nein» präsidiert, zogen über 100 Personen vom Berner Waisenhausplatz vor die Bundeskanzlei.

Die Unterschriften gegen das Asylgesetz führten sie in Nothilfe-Boxen mit sich, jene gegen das Ausländergesetz in Koffern. Nötig gewesen wären je 50’000 Unterschriften. Ingesamt unterschrieben über 200’000 Personen die beiden Referenden.

Zurück an den Absender

Beide Gesetze müssten zur Verbesserung zurück an den Absender, forderte die ehemalige Innenministerin Dreifuss in ihrer Ansprache auf dem Berner Waisenhausplatz.

Besonders stossend sei, dass das Ausländergesetz ermögliche, Menschen bis zu zwei Jahre lang zu inhaftieren. Menschen, die nichts «verbrochen» hätten, ausser von einer besseren Zukunft zu träumen und eventuell eine Wegweisung nicht zu akzeptieren. Auch die Familienzusammenführung für Eingewanderte werde erschwert.

Die vielen in kurzer Zeit zusammengetragenen Unterschriften zeigten klar, dass in weiten Teilen der Bevölkerung grosse Besorgnis herrsche und das überarbeitete Asylgesetz vielerort als «Bruch mit der humanitären Tradition» verstanden werde, so Jürg Krummenacher, Direktor Caritas Schweiz

Und die Berner Nationalrätin und Vizepräsidentin der SP Schweiz, Ursula Wyss, bezeichnete das revidierte Asylgesetz als Schlag gegen die Menschenrechte. Es fördere die weitere Ausgrenzung, statt einer menschlichen Asylpolitik zu dienen.

Dreifuss: «Nicht der Wirtschaft entsprechend»

Das Asylgesetz müsse sich auf das Asylwesen beschränken, das Ausländergesetz die Belange der Migration aus wirtschaftlichen Gründen regeln, sagte Dreifuss. Doch das Ausländergesetz entspreche den Bedürfnissen der Schweizer Wirtschaft nicht.

Würden EU-Bürger und hochqualifizierte Arbeitskräfte aus Drittländern als Einwanderer bevorzugt, zwinge dies andere Einwanderer zu einem eigentlich gar nicht nötigen Asylgesuch oder zur Schwarzarbeit, hielt Dreifuss fest. Die Wirtschaft brauche aber nicht nur gut ausgebildete Kräfte.

In Haushalten und Institutionen arbeiteten tausende Frauen aus Lateinamerika und Südostasien. Sie ermöglichten es Schweizerinnen, trotz familiärer Pflichten ausser Haus zu arbeiten. Und dank ihrer Hilfe könnten Pflegebedürftige zuhause statt im Heim leben.

Hinter dem Referendum gegen das Ausländergesetz stehen die Grünen Schweiz, Solidarité sans frontières, das Forum der Migrantinnen und Migranten Schweiz (FIMM) und das Westschweizer Komitee für ein zweifaches Nein. Unterstützt werden sie von Linksparteien, Gewerkschaften und kirchlichen Organisationen.

Unmenschliches Asylgesetz

Das verschärfte Asylgesetz sei unmenschlich, macht die Koalition für eine humanitäre Schweiz geltend. Ihr gehören inzwischen über 40 Organisationen an, darunter Hilfskwerke, kirchliche Kreise, Parteien und Gewerkschaften. Ihre Anliegen seien vom Parlament nicht berücksichtigt worden. Deshalb brauche es das Referendum.

Das neue Gesetz widerspreche der humanitären Tradition der Schweiz, verletze die Grundwerte, missachte die Verfassung, die Kinderrechte und die Genfer Flüchtlingskonvention. Besonders stossend ist für die Koalition der erschwerte Zugang für Menschen ohne Identitätspapiere zum Asylverfahren.

Das Referendum gegen das Asylgesetz wurde von der Koalition für eine humanitäre Schweiz, der SP Schweiz und dem Komitee «2 x Nein» lanciert. Die Abstimmungen über die beiden Gesetze finden frühestens im September statt.

swissinfo und Agenturen

Das neue Ausländergesetz bevorzugt die Bürger aus Staaten der Europäischen Union.

Die Einwanderung von Nicht-Europäern wird auf hochqualifizierte Arbeitskräfte beschränkt.

Die Bedingungen einer Erlaubnis für Familien-Zusammenführung werden erschwert.

Das neue Asylgesetz setzt die Sozialhilfe an abgewiesene Asylsuchende aus.

Es verdoppelt hingegen die Inhaftierungs-Möglichkeit für Menschen, die auf eine Zwangsausweisung warten, auf 18 Monate.

Die Aufnahme aufgrund humanitärer Gründe wird ausgeschlossen.

Erleichtert wird hingegen der Familien-Nachzug und die Arbeitserlaubnis im Fall einer provisorischen Aufenthalts-Erlaubnis.

Beide Gesetze wurden vom Parlament im Dezember verabschiedet.

121’794 Unterschriften sind gegen das Asylgesetz eingereicht worden.
74’246 Unterschriften gegen das Ausländergesetz.
Den Initianten stehen gesamthaft 100 Tage zur Verfügung, um die 50’000 benötigten Unterschriften zu sammeln.
Sie brachten 164’000 beglaubigte Unterschriften zusammen.

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