G-20 sagt Steuerparadiesen den Kampf an
Die Regierungschefs der stärksten Industrie- und Schwellenländer einigten sich in London auf eine gigantische Finanzspritze zur Ankurbelung der Wirtschaft - und auf die Publikation von Listen zu Steueroasen.
Der G-20-Gipfel markiere den Anfang vom Ende des Bankgeheimnisses, sagte Gastgeber Gordon Brown. Noch am Donnerstag wurden diejenigen Länder benannt, die sich weiterhin den Standards der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) bei Steuerauskünften verweigern.
«Das Bankgeheimnis aus der Vergangenheit muss ein Ende finden». betonte Brown. Er verwies in diesem Zusammenhang auf verschiedene Länder, darunter die Schweiz, welche kürzlich dem Prinzip eines Informationsaustausches auf Anfrage zugestimmt hatten.
Schweiz auf grauer Liste
Konkret wurde der französische Präsident Nicolas Sarkozy: Er hatte das Privileg anzukündigen, dass die Schweiz auf einer grauen Liste figuriere. Diese Liste umfasse Länder, welche die OECD-Richtlinien neu einhalten wollen, dies aber noch nicht umgesetzt haben.
«Sobald die Schweiz dies getan hat, wird sie in die weisse Liste transferiert, ansonsten in die schwarze», sagte Sarkozy. Auf die Ankündigungen aus Bern müssten nun Taten folgen, gab er zu verstehen.
Die Schweizer Regierung hatte bereits mehrfach betont, dies tun zu wollen. Entsprechend äusserte sich Bundespräsident Hans-Rudolf Merz gelassen.
«Wir mussten damit rechnen, auf eine solche Liste zu kommen», sagte er in der Tagesschau des Schweizer Fernsehens. Deshalb habe man ja am 13. März beschlossen, die OECD-Standards zu übernehmen.
Insgesamt begrüsste Merz in einer Mitteilung die Beschlüsse des G-20-Treffens gegen die Finanz- und Wirtschaftskrise. «Der Erfolg der angestrebten Massnahmen ist in der Kombination von Regulierung und Finanzierung sowie in der Zusammenarbeit der wichtigsten Nationen begründet», erklärte er.
Grösste Finanzspritze aller Zeiten
Die Teilnehmer des G-20-Gipfels beschlossen in London ebenfalls, die kriselnde Weltwirtschaft mit einer riesigen Finanzspritze wieder in Schwung zu bringen. Damit sollten Millionen von Arbeitsplätzen geschaffen oder gerettet werden, sagte Gordon Brown.
Die Mittel im Umfang von einer Billion Dollar (1135 Milliarden Franken oder 740 Mrd. Euro) fliessen via Internationalen Währungsfonds (IWF), Weltbank und weitere internationale Institutionen in den schrumpfenden Welthandel sowie an arme Länder, sagte der Gastgeber nach Ende des Gipfels.
Konkret erhalten Weltbank und die regionalen Entwicklungsbanken 100 Mrd. Dollar. 250 Mrd. Dollar fliessen für sofortige Hilfen an den IWF (davon mehr als 100 Mrd. von der EU), weitere 250 Mrd. Dollar später.
Die Gelder für die besonders von der Krise betroffenen armen Staaten kommen in Form von Bürgschaften und anderen Liquiditätshilfen. Auf neue Konjunkturprogramme, wie sie zeitweise von den USA gefordert wurden, verständigten sich die G-20-Staaten nicht.
Sie bekannten sich in London jedoch erneut zum Prinzip offener Märkte. Dem Protektionismus wurde eine Absage erteilt und stattdessen der schnelle Abschluss der stockenden Welthandelsgespräche (Doha-Runde) angemahnt.
Früherkennung von hohen Risiken
Die Gipfel-Teilnehmer vereinbarten zudem eine stärkere Aufsicht und Regulierung aller «systemisch wichtigen» Finanzinstitutionen. Das gilt erstmals auch für die umstrittenen Hedgefonds, die mit riskanten Spekulationen die Krise verschärft hatten.
Dafür wurde eine neue Aufsichtsbehörde geschaffen. Das bisherige Forum für Finanzmarktstabilität (FSF) wird in eine neue Behörde namens Financial Stability Board überführt. Dieser Rat soll frühzeitig vor Risiken auf den Finanzmärkten warnen.
Auch Rating-Agenturen sollen registriert und kontrolliert werden. Sie sollen sich an einen vorgegeben Verhaltenskodex halten, um Interessenkonflikte zu vermeiden. Die Agenturen stehen in der Kritik, weil sie von den Unternehmen, die sie bewerten, auch bezahlt werden.
Beteiligte zufrieden
Während die Staats- und Regierungschefs im Vorfeld des G-20-Gipfels ihre Uneinigkeit nicht verhehlt hatten, gaben sie sich nach dem Treffen zufrieden. Der Gipfel werde den Wendepunkt im Kampf gegen die weltweite Wirtschaftskrise markieren, erklärte US-Präsident Barack Obama. Es seien «beispiellose Schritte zur Wiederherstellung des Wachstums» ergriffen worden.
Auch die deutsche Kanzlerin Angela Merkel gab sich überzeugt, dass ein «sehr sehr guter, ja ich glaube historischer Kompromiss» erreicht worden sei.
swissinfo und Agenturen
Costa Rica, die Philippinen, Malaysia und Uruguay figurieren als einzige vier Staaten auf der schwarzen Liste der Steueroasen.
Umfangreicher ist die graue Liste. Neben der Schweiz sind darauf zum Beispiel auch Österreich, Luxemburg, Belgien, Liechtenstein und die British Virgin Islands zu finden.
Nicht dazu gehören etwa die Kanalinseln sowie die US Virgin Islands, die – wie auch die anderen europäischen Länder – zu denjenigen Staaten und Gebieten mit weisser Weste gehören.
Die G-20 entstand 1999 nach den Krisen in Asien und Russland als Dialogplattform zwischen Industriestaaten und Schwellenländern. Ziel ist die Stabilität der Weltwirtschaft.
Seit Ausbruch der aktuellen Finanz- und Wirtschaftskrise im letzten Herbst haben sich die Chefs der G-20-Staaten ein erstes Mal in Washington getroffen.
2009 hat Grossbritannien die Präsidentschaft der G-20 inne.
G-20-Mitglieder: Südafrika, Deutschland, Saudi-Arabien, Argentinien, Australien, Brasilien, Kanada, China, Südkorea, USA, Frankreich, Indien, Indonesien, Italien, Japan, Grossbritannien, Mexiko, Russland und die Türkei.
Der 20. Sitz ist für den Internationalen Währungsfonds (IWF), die Weltbank und die Europäische Zentralbank (EZB) reserviert.
Die Schweiz sucht Anschluss an die G-20, um wenigstens bei den Vorbereitsungs-Arbeiten dabei sein zu können.
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