Genf: Erinnerung an 10 Jahre Frieden in Bosnien
An einer internationalen Konferenz in Genf wird am Donnerstag und Freitag die Zukunft von Bosnien-Herzegowina erörtert.
Vor 10 Jahren beendeten die Verträge von Dayton den 4 Jahre dauernden Krieg, der 100’000 Menschen das Leben gekostet und 2 Millionen zu Flüchtlingen gemacht hatte.
Die Zukunft von Bosnien-Herzegowina steht im Mittelpunkt einer von der Schweiz unterstützten internationalen Konferenz in Genf.
Der Friedensprozess hatte nach vier Kriegsjahren am 8. September 1995 in Genf unter der Leitung des damaligen Balkanbeauftragten Carl Bildt begonnen. Das Friedensabkommen wurde anschliessend im November in Dayton (Ohio) ausgehandelt und am 14. Dezember in Paris unterzeichnet.
Die Konferenz zehn Jahre danach wurde von der der Association Bosnia and Herzegowina organisiert, die vom österreichischen UNO-Botschafter und früheren Bosnien-Beauftragten Wolfgang Petritsch mitbegründet worden war. Unterstützt wird die Konferenz unter anderem von der Schweiz, Deutschland und Österreich.
Eröffnung durch Bundesrätin Calmy-Rey
Unter den rund 300 Teilnehmern sind neben Petritsch und Carl Bildt der EU-Erweiterungskommissar Olli Rehn, der Hohe Internationale Vertreter in Bosnien, Paddy Ashdown, und der bosnische Ministerpräsident Adnan Terzic. Eröffnet wird das Treffen von Bundesrätin Micheline Calmy-Rey.
Im Zentrum der Gespräche stehen Themen wie eine Verfassungsänderung, die Förderung staatlicher Institutionen und der Demokratie, sowie die Wirtschaft, Bildung, Kultur und die regionale Integration mit Blick auf einen EU-Beitritt.
Zu den Erfolgen Bosniens zählt Petritsch die politische Stabilität, die Rückkehr der Flüchtlinge, ausländische Investitionen und den Beitritt zum Europarat.
Schwierige Rückkehr zur Normalität
Bosnien-Herzegowina ist von einem funktionierenden Staatsgebilde aber noch weit entfernt. Vreni Müller-Hemmi, Nationalrätin und Mitglied der Bosnienvereinigung, gibt jedoch swissinfo gegenüber zu bedenken, dass vor 10 Jahren in Bosnien 100’000 Menschen getötet und rund 2 Millionen Menschen zu Flüchtlingen wurden.
«Seither ist viel erreicht worden. Sie sehen heute ein Land, das sich in Richtung eines demokratischen Staates entwickelt», so Müller-Hemmi.
Die Anstrengungen für einen einheitlichen Staat könnten durch die bosnischen Kroaten bedroht werden, die auf eine eigene Republik hinarbeiten.
Trotzdem gebe es in Bosnien-Herzegowina Menschen aus allen Teilen des Landes, die einen einheitlichen Staat möchten, sagt Müller-Hemmi weiter. «Dies ist das Ziel der Assoziation, der internationalen Gemeinschaft und der Schweiz.»
Gute Schweizer Arbeit
Obwohl ihrer Ansicht nach noch mehr getan werden könnte, ist Müller-Hemmi mit der von der Schweiz in Bosnien-Herzegowina geleisteten Arbeit zufrieden. «Die Schweiz ist sehr interessiert an einer stabilen Balkan-Region – bei uns leben 380’000 Menschen aus dem östlichen Balkan. Das heisst, wir unterstützen nicht nur Bosnien-Herzegowina sondern auch die anderen Länder der Region.»
Sie vertritt zudem die Haltung, dass sich die Schweiz in den nächsten Jahren der Arbeit der Europäischen Union anschliessen sollte. Es brauche eine privilegierte Partnerschaft.
Veraltete Verfassung
Um einen gut funktionierenden Staat zu bilden, braucht es solide Grundlagen. Der Exekutivdirektor der Bosnienvereinigung, Christophe Solioz, ist der Ansicht, das Abkommen von Dayton sei heute veraltet. Vor allem die Verfassung sei für eine langfristige Entwicklung ungeeignet.
So wird die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) an der Konferenz ihre «Plattform Bosnien-Herzegowina» vorstellen. Das Projekt soll den Dialog über Verfassungsfragen intensivieren und Diskussionen über Zukunftsperspektiven anstossen, wie ein Sprecher sagte.
Der Schweizer Föderalismus und die historische Erfahrung bei der Integration von Minderheiten könnten nach Angaben der DEZA möglicherweise Anstösse für die Zukunft Bosniens geben.
swissinfo und Agenturen
In Bosnien-Herzegowina leben 4 Mio. Menschen.
40% sind arbeitslos und fast 20% leben unterhalb der Armutsgrenze.
Bosnien-Herzegowina ist seit 1992 ein unabhängiger Staat und Mitglied der UNO und anderer internationaler Organisationen.
Nach dem Abkommen von Dayton 1995, wird Bosnien nach dem Krieg von einem vom UNO-Sicherheitsrat ernannten Repräsentanten überwacht.
Das Land gehört wegen seiner Nachkriegs-Probleme zu einem Schwerpunktland der Schweizer Entwicklungshilfe.
Am 21./22. Oktober findet in Genf eine von der Schweiz unterstützte Konferenz zur Zukunft des Landes statt.
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