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Gläubig, Autofan und Nationalrat

Anzug und korrekt gestutzter Schnauz: Nationalrat Brönnimann. Keystone

Der Berner Nationalrat Andreas Brönnimann gehört einer Partei an, die weitgehend als religiös und konservativ gilt – und er ist stolz darauf. Er ist der einzige Vertreter der Eidgenössisch-Demokratischen Union (EDU) im Schweizer Parlament.

Brönnimann bezieht sich bei seinen politischen Aktivitäten explizit auf die Bibel. Doch wer meint, einen Mann in amischen Gewändern und einem langen Bart zu treffen, dürfte enttäuscht sein. Der Politiker auf dem Sofa in der Wandelhalle des Parlaments – im Anzug und mit einem korrekt gestutztem Schnauz – sieht kaum anders aus, als die meisten seiner Parlaments-Kollegen auch.

Im Nationalrat, der Grossen Kammer des Parlaments, gehört er zur Fraktion der rechtskonservativen Schweizerischen Volkspartei (SVP). Diese Partei stehe ihm als EDU-Politiker am nächsten.

«Wir haben viele überschneidende Interessen», sagt Brönnimann. «Beide Parteien setzen sich für unser Land ein.»

Brönnimann hatte sich im vergangenen Jahr für das Verbot von neuen Minaretten in der Schweiz eingesetzt.

Dass er im Parlament einen Ruf als «eher stiller Schaffer» hat, stört den 55 Jahre alten Brönnimann nicht. Er sei nicht scharf darauf, im Medien-Rampenlicht zu stehen und nicht überzeugt von Leuten, die an jeder Ecke einen Tumult veranstalteten.

«Bellende Hunde beissen nicht», sagt er mit ernster Miene. Brönnimann, der erst seit einem Jahr auf der nationalen Bühne politisiert, glaubt, dass er von denen, die ihn hören wollen, gehört wird, auch von Schweizern im Ausland.

Leistungen

Zu den Hauptinteressen Brönnimanns im Parlament gehören das Dossier Erziehung, wo er vor allem gegen gewisse Reformen im föderalistischen Schulsystem kämpft, wie etwa die Früheinschulung. Dazu kommen der Finanzbereich und gute Beziehungen der Schweiz mit Israel.

Seine über 15 Jahre Erfahrung als Gemeinde- und Kantonspolitiker hätten ihn gelehrt, dass es «mehr als ein Jahr braucht, um den Lauf der Welt zu ändern», erklärt Brönnimann.

Sein politisches Credo ist der Kampf für das «Bewährte, für traditionelle Werte». Das heisse nicht, dass er sich neuen Ideen oder Kompromissen verschliesse. «Doch wenn Dinge verändert werden, müssen sie auch besser werden. Sonst lassen wir es besser, wie es ist.»

Brönnimann will sich selber treu, «gradlinig» bleiben, auch wenn das politische Klima auf nationaler Ebene bedeutend rauer ist als in der Lokalpolitik. Er halte viel von Leuten wie Christoph Blocher, dem starken Mann der Rechten, der bekannt dafür ist, seine Meinung laut kundzutun.

Karriere und Ziele

Politik dürfe kein Mittel zum Selbstzweck sein, sagt Brönnimann. «Das Leben besteht aus mehr als nur Politik.» Er sei dankbar, dass ihn seine politische Karriere bis ins nationale Parlament gebracht habe, er habe aber keine weiteren Ambitionen in dem Bereich.

Der wirkliche Schwerpunkt seines Lebens sei seine Familie, unterstreicht Brönnimann. Er hat fünf erwachsene Kinder und lebt mit seiner Frau in Belp bei Bern. Nach der Familie kommen seine Firma, ein Pneuhaus, mit dem er seinen Lebensunterhalt verdient, sowie die Politik als Beitrag an die Gesellschaft. Brönnimann erklärt, mit dieser Prioritätenordnung sei er bisher immer gut gefahren.

Für Politik habe er sich schon als Bürger interessiert, bevor ihn ein Kollege aufforderte, sich doch aktiv für den Gemeinderat (Exekutive) in Belp zu engagieren. Als nächster Schritt folgte der Einzug in den Berner Grossrat, das Kantonsparlament.

«Sich auf Gemeindebene in die Politik einzuarbeiten ist eine ideale Vorbereitung auf die kantonale Ebene und so weiter. Letzten Endes bleibt Politik Politik.»

Autofan

Dieser Politiker, der Jesus als Leitbild für sein Leben gewählt hat, hat noch eine weitere prägende Eigenschaft: Brönnimann ist fasziniert von Autos. Er habe schon immer «etwas Benzin im Blut gehabt», wie er es selber formuliert.

«Geschwindigkeit ist nicht mein Thema. Es ging mir immer mehr um die Ästhetik – schöne Felgen, breite Reifen – auch wenn ich kräftige Motoren liebe. Ich habe es auch gerne, wenn man vom Fleck kommt. Aber ich habe keinen Geschwindigkeitsrausch.»

Bis heute verfolgt Brönnimann gerne Autorennen am Fernsehen, oder schaut sich wenigstens die besten Ausschnitte davon an, wenn es die Zeit erlaubt.

Doch jetzt ruft die Pflicht: Brönnimann steht auf und verschwindet durch die Schwingtüren wieder im Nationalratssaal.

Von der Journalistentribüne aus betrachtet, ist Brönnimann einfach einer der vielen Männer in einem Anzug; er sitzt an seinem Pult, den Laptop-Computer offen vor sich, Kinn aufgestützt, konzentriert liest er oder schreibt etwas.

Fast scheint es, als nehme er seine Umgebung kaum wahr, doch wenn eine Abstimmung ansteht, ist er hellwach und drückt präsent den entsprechenden Knopf auf seinem Pult.

Brönnimann findet, es sei wichtig, dass man im Parlament die Stimme der Auslandschweizer höre und deren Anliegen auch ernst nehme. Er will aber das bisherige System nicht ändern.

So ist er dagegen, dass die Auslandschweizer-Gemeinde einen eigenen neuen Wahlkreis und damit eine garantierten Vertretung im Parlament erhalten würde.

Brönnimann hat auch Bedenken gegen die geforderte Einführung der elektronischen.
Stimmabgabe (E-Voting), auf welche vor allem die Auslandschweizer-Organisation (ASO) drängt, um Schweizerinnen und Schweizern im Ausland die Teilnahme an Abstimmungen und Wahlen zu erleichtern.

Brönnimann steht dieser Forderung skeptisch gegenüber und verweist auf Sicherheitsbedenken. Die Gefahr der Manipulation durch Hacker sei zu gross, es bestehe die Gefahr von Missbrauch.

Die mittlerweile traditionelle briefliche Stimmabgabe sei ein guter Kompromiss zwischen persönlicher und elektronischer Stimmabgabe, ein vernünftiger Weg, wie Auslandschweizer ihre demokratischen Rechte auch aus der Ferne ausüben könnten.

Das Programm der Eidgenössisch-Demokratischen Union (EDU) fusst ausdrücklich auf der Bibel und auf Jesus. Die Partei wird daher nicht nur als religiös, sondern auch als fundamentalistisch gesehen.

Parteigänger und Sympathisanten der EDU sind vor allem Mitglieder protestantischer Freikirchen und evangelischer Gemeinden.

Die Partei wurde 1975 gegründet und hat heute Sektionen in fast 20 der 26 Kantone.

Neben der EDU verweisen auch die Christlichdemokratische Partei (CVP), die Evangelische Volkspartei (EVP) und die Christlichsoziale Partei (CSP) in ihren Namen auf die Religion. Sie gelten aber alle als liberaler als die EDU.

Brönnimann ist zur Zeit der einzige Vertreter seiner Partei im eidgenössischen Parlament, und erst der vierte überhaupt in der Geschichte der Partei.

Er ist seit September 2009 im Nationalrat (Grosse Kammer) und sitzt in der Fraktion der SVP.

(Übertragung aus dem Englischen: Rita Emch)

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