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«Grosses Verständnis für unsere Anliegen»

Laut Jenö Staehelin wird Kofi Annan als grosser Generalsekretär in die Geschichte eingehen. Keystone

Der UNO-Sicherheitsrat wählt am Montag einen Nachfolger für Kofi Annan. Der neue Generalsekretär könne von einer positiven Bilanz ausgehen, meint der erste Schweizer Vertreter bei der UNO.

Der ehemalige UNO-Botschafter Jenö Staehelin unterstreicht gegenüber swissinfo, dass sich der aktuelle UNO-Generalsekretär für die Schweiz als sehr wertvoll erwiesen hat.

swissinfo: Welche Bilanz ziehen Sie nach zehn Jahren mit Kofi Annan an der Spitze der UNO?

Jenö Staehelin: Für die ersten fünf Jahre sieht die Bilanz ausgezeichnet aus. Gekrönt wurde diese Zeit vom Friedens-Nobelpreis für die Organisation und ihren Generalsekretär im Jahr 2001.

Die folgenden Jahre wurden von der Irak-Krise dominiert. Dennoch wird Kofi Annan als einer der grossen Generalsekretäre in Erinnerung bleiben, der die UNO stark geprägt hat.

swissinfo: Welches waren die schwersten Rückschläge, die der Ghanaer hinnehmen musste?

J.S.: Die Rolle des Generalsekretärs ist an sich schwach. Laut der Charta ist er der höchste Funktionär der Organisation. Aber nicht mehr. Alles hängt also vom Respekt ab, den er wecken kann, und von der Autorität, die er ausübt.

Während seiner ersten Amtszeit verkörperte Kofi Annan wegen seiner Initiativen und seinem Charisma eine gewisse moralische Autorität.

Dann folgte die Krise um die Legitimierung der militärischen Massnahmen gegen den Irak. Kofi Annan hat die Haltung verteidigt, dass ein Krieg ohne Zustimmung des Sicherheitsrats nicht begonnen werden dürfe.

Dadurch hat er sich der amerikanischen Regierung entgegen gestellt. Und das verschaffte ihm Probleme. Man muss wissen, dass die Vereinten Nationen ohne die USA gar nicht existieren.

Umgekehrt darf die UNO auch nicht von der amerikanischen Politik instrumentalisiert werden. Es ist schwierig, den richtigen Weg zu finden zwischen dem Verdacht, von den USA bestimmt zu werden, und der Notwendigkeit, sie dabei zu haben.

swissinfo: Ist es Kofi Annan gelungen, diesen Weg zu finden?

J.S.: Heute haben sich die Beziehungen mit den USA verbessert. Doch ich glaube, diese Aufgabe zu lösen, ist fast unmöglich. Es ist erstaunlich, dass sich überhaupt noch Personen für dieses Amt zur Verfügung stellen.

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swissinfo: Hat sich die UNO nach zehn Jahren Kofi Annan weiter entwickelt?

J.S.: Sie ist insofern erfolgreich gewesen, als man sich heute die Welt ohne die UNO gar nicht mehr vorstellen kann. Sie hat sich unverzichtbar gemacht. Der Beweis: Bei jeder Krise wendet man sich automatisch an sie.

Die Kehrseite ist, dass die Probleme in der Regel sehr schwierig zu lösen sind. In der öffentlichen Meinung herrscht die Vorstellung, dass die UNO für jedes Thema eine Lösung finden müsse. Aber die Vereinten Nationen können nichts erreichen ohne die Mitglieds-Staaten. Und insbesondere nicht ohne die ständigen Mitglieder.

swissinfo: Was für Beziehungen pflegte Kofi Annan zur Schweiz?

J.S.: Für uns war es ein grosser Glücksfall, dass wir es während zehn Jahren mit einem Generalsekretär zu tun hatten – insbesondere in der Zeit, als wir uns der UNO angenährt haben -, der die Schweiz gut kennt. In ihm hatten wir einen Ansprechpartner, der grosses Verständnis für unsere Anliegen hatte.

swissinfo: Die Schweiz kämpft für eine Reformierung der UNO. Hat Kofi Annan in dieser Hinsicht genug getan?

J.S.: Kofi Annan hat viel getan. Er hat mehrere Initiativen ergriffen, um das Sekretariat zu reorganisieren, und er hat die Stelle des stellvertretenden Generalsekretärs geschaffen, die es vorher nicht gab. Zudem hat er die Organisation auf die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts vorbereitet.

Man muss aber auch verstehen, dass es äusserst schwierig ist, für Reformen eine Mehrheit (der Generalversammlung) zu bekommen. Nur allzu oft sieht man mit der gesamten Opposition all jener konfrontiert, die einfach nur den Status Quo beibehalten wollen. Oft unter lächerlichen Vorwänden.

swissinfo-Interview: Pierre-François Besson
(Übertragung aus dem Französischen: Susanne Schanda)

Botschafter Jenö Staehelin war von 1997 bis 2004 Schweizer Vertreter bei der UNO. Dann hat er der Diplomatie den Rücken gekehrt. In seiner Zeit ist die Schweiz Mitglied der UNO geworden.

1940 geboren, danach in Bern, Zürich und Harvard ausgebildet, war der Basler Jurist Botschafter in Japan und Generalkommissar für die Schweiz bei der Expo in Aichi.

Jenö Staehelin wird ab November als eines von 17 Mitgliedern in der Kommission des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) in Genf sitzen.

Kofi Annan ist der siebte Generalsekretär der Vereinten Nationen (UNO). Sein erstes Mandat begann 1997 und wurde 2002 verlängert. Ende Dezember wird er sein Amt aufgeben.

Der UNO-Beitritt der Schweiz ist mitten in die Ära Annan gefallen, im Herbst 2002, nach einer Volksabstimmung.

Bundespräsident Moritz Leuenberger hat kürzlich geäussert, dass «viele Schweizer dem UNO-Beitritt zugestimmt hatten, weil die UNO das Gesicht von Kofi Annan trägt».

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