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Grüne: Mit Volldampf voran

Partei in Bewegung: Grüne Bundesparlamentarier demonstrieren für die CO2-Abgabe. Keystone

Bei den kantonalen Abstimmungen reiten die Schweizer Grünen auf einer Erfolgs-Welle. Untersuchungen zeigen dieselbe Tendenz auch auf nationalem Niveau. Einige Grüne sehen sich bereits im Bundesrat.

Was aber ist das Geheimnis dieses Erfolgs? Und wohin führt er auf Bundesebene? Dazu einige Meinungen.

Für die Grüne Partei der Schweiz herrscht momentan ein goldenes Zeitalter. Kanton für Kanton gewinnen die Grünen neues Terrain.

Die letzten Beispiele: Im Jura zogen die Grünen zum ersten Mal mit zwei Abgeordneten ins kantonale Parlament ein. In Zug eroberte die Alternative Liste, die den Grünen auf nationalem Niveau sehr nahe steht, einen zweiten Sitz in der Regierung, und im Freiburger Kantonsparlament konnten die Grünen ihre Sitzzahl von 1 auf 3 aufstocken.

Diese positive Tendenz beschränkt sich nicht nur auf die Kantone. Der erste «Wahlbarometer» vom Institut gfs.bern, der eine Vorausschau auf die nationalen Parlamentswahlen im Herbst 2007 macht, prognostiziert den Grünen ein Wachstum von 1,8%. Würde jetzt gewählt, könnten die Grünen 9,2% der Stimmen auf sich vereinen.

Sicher, die Umweltschützer bleiben auch in den Untersuchungen die viertstärkste Partei. Die Christlichdemokratische Volkspartei (CVP) weist mit einem vorausgesagten Stimmenanteil von 14,4% den geringsten Abstand zu den Grünen auf. Aber keine andere bedeutende politische Kraft kann sich einer so starken Zunahme rühmen.

Konsens in der Mitte

Wie lässt sich dieser Erfolg erklären? «Ich würde das mit der nachhaltigen Entwicklung unserer Partei begründen», sagt der Grüne Nationalrat Ueli Leuenberger. «Seit Jahren haben wir jene Themen in unserem Programm, die sich heute in ihrer ganzen Wichtigkeit zeigen. Ich denke da zum Beispiel an die Klimaerwärmung und die Luftverschmutzung.»

Für den Vizepräsidenten der Partei sind die Grünen «eine linke Kraft, aber nicht dogmatisch». Sie sind attraktiv für jüngere Wählerinnen und Wähler, auch für solche bürgerlicher Herkunft. «Und nun sehen die Wählenden die gute Arbeit, die unsere Repräsentanten in den kantonalen Exekutiven und den Gemeinden machten.»

Diese Analyse wird auch vom Politologen Pascal Sciarini geteilt. «Die Grünen wie auch die Sozialdemokraten profitieren von der Polarisierung der letzen Jahre. Ihr Erfolg ist eine Gegenreaktion auf die Erfolge der SVP (Schweizerische Volkspartei)», stellt der Professor der Universität Genf fest. «Im Gegensatz zu den Sozialdemokraten können die Grünen aber auch in der politischen Mitte Stimmen sammeln.»

Positives Bild

Für Sciarini zeigt sich die Grüne Partei in Bezug auf die Staatsreformen oder die Sparpolitik viel flexibler als die Sozialdemokratische Partei (SP). Diese Tendenz zeigt sich seiner Ansicht nach mehr in der französischen als in der deutschen Schweiz, wo die Grünen als linke Kraft gelten.

«In den 90er-Jahren haben vor allem die Sozialdemokraten von den Gegenreaktionen auf die SVP profitiert. Sie profilierten sich als Partei, welche die Öffnung nach Europa befürwortet», sagt Michael Hermann, Geograf und Politologe an der Universität Zürich. «Seit die Europa-Frage jedoch an Bedeutung verloren hat und Themen rund um die Öffnung der Märkte immer wichtiger wurden, gilt die SP als konservativer.»

Von dieser Situation hätten die Grünen profitiert, so Hermann. «Das Thema Ökologie zieht die Grünen nach links, sie finden aber auch Akzeptanz in gewissen bürgerlichen Kreisen. «Vor allem können sie einen Konsens herstellen mit den «Töchtern und Söhnen der freisinnnigen und christlichdemokratischen Wähler», um die Worte von Ueli Leuenberger zu gebrauchen.

Der Einzug ins Bundeshaus

Die wiederholten Wahl-Erfolge auf kantonaler Ebene und die guten Aussichten für die Parlamentswahlen von 2007 hat das Selbstbewusstsein der Grünen gestärkt. Die Partei zeigt sich sehr ambitiös: Angestrebt wird ein Wähleranteil von mindestens 10%. Zudem strebt die Grüne Partei weitere Sitze im Nationalrat (der Grossen Kammer) sowie den Einzug in den Ständerat (Kleine Kammer) an.

Die Grünen blasen aber auch zum Angriff auf die Festung Bundesrat. «Gemäss einer Untersuchung befürwortet eine Mehrheit der Schweizerinnen und Schweizer eine Beteiligung der Grünen in der Schweizer Regierung», sagt Leuenberger. «Als Partei, die verändern möchte, müssen wir diese Herausforderung annehmen.»

Der Vizepräsident der Grünen, wie auch der grösste Teil seiner Partei, denkt aber nicht an einen Einzug in die Regierung ohne gewisse Bedingungen. Er hat die Vision eines Bundesrates ohne die SVP, oder zumindest ohne deren radikalsten Flügel.

Er bleibt aber realistisch in Bezug auf eine solche Konstellation. «Im Moment lassen weder die Christlichdemokraten noch die Freisinnigen eine solche Absicht erkennen.»

Laut Leuenberger ist es aber wichtig, die Diskussion über die Konkordanzpolitik zu eröffnen. Mit anderen Worten: Es gilt, die Grünen als mögliche Regierungspartei zu positionieren.

«Es scheint unwahrscheinlich, dass die Grünen dieses Ziel 2007 erreichen könnten. Es sei denn, es würde sich bei den Wahlen ein wahres Erdbeben ereignen. Vor allem aber bereiten die Grünen das Terrain für 2011 vor», so Pascal Sciarini.

swissinfo, Andrea Tognina
(Übertragung aus dem Italienischen: Etienne Strebel)

Seit den letzten eidgenössischen Wahlen von 2003 konnten die Grünen 43 Sitze in den kantonalen Parlamenten hinzugewinnen. Insgesamt kamen sie auf 174 Sitzen. Zählt man die Sitze jener Parteien mit ähnlichen Zielsetzungen hinzu, erreichen die Umweltschützer in den kantonalen Legislativen 186 Sitze.

Die Grünen eroberten zudem drei Sitze in den Kantonsregierungen erobert. Damit besetzen sie insgesamt 6 Regierungsmandate. Vertreter der Grünen sitzen in den Exekutiven der 5 grössten Schweizer Städte (Zürich, Genf, Basel, Bern und Lausanne) und in verschiednen anderen Gemeinden.

Im Nationalrat haben die Grünen insgesamt 14 Volksvertreter. Dazu gehören auch der Alternative (Josef Lang) und der Christlichsoziale (Hugo Fasel).

Im Ständerat sind die Umweltschützer nicht vertreten. Dort Einsitz zu nehmen ist eines der erklärten Ziele für das Wahljahr 2007. Chancen bestehen dafür in den Kantonen Genf und Waadt.

Trotz den grossen Fortschritten der letzten Jahren haben die Grünen gewisse Schwierigkeiten, ihre Ideen im Parlament durchzubringen. Gemäss einer Studie der Universität Bern befand sich die Grüne Partei nur bei der Hälfte (50,1%) der im Parlament abgestimmten Themen auf der Seite der Mehrheit.

Bei der CVP liegt das Verhältnis bei 88,3%, der FDP bei 82,6%, der SVP bei 66,8% und der SP bei 54,4%.

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