Grünes Licht für Formel-1-Boliden
Seit mehr als einem halben Jahrhundert sind Formel-1-Rennen in der Schweiz verboten. Die grosse Parlamentskammer will dies ändern: Sie hat entschieden, das Verbot aufzuheben.
Der Entscheid des Nationalrates erfolgte gegen den Willen der Regierung und des links-grünen Lagers. Es bleibt aber offen, ob in der Schweiz tatsächlich wieder Autorennen gefahren werden.
Rundstreckenrennen mit Motorfahrzeugen sind in der Schweiz seit über 50 Jahren nicht mehr erlaubt. Das Verbot war die Folge eines Unfalls im französischen Le Mans, wo 1955 ein Bolide ins Publikum flog und über 80 Menschen ums Leben kamen. Der letzte Schweizer Grand Prix fand 1954 in Bern statt.
Im September 2004 gab der Nationalrat mit 88 zu 75 Stimmen einer Initiative Folge, mit welcher Ulrich Giezendanner von der Schweizerischen Volkspartei (SVP) die Wiederzulassung von Formel-1-Rennen verlangte.
Die daraufhin von der Verkehrskommission ausgearbeitete Gesetzesvorlage wurde nun nach mehrfacher Verschiebung vom Plenum angenommen.
«Hirngespinste und Bubenträume»
Sozialdemokraten und Grüne standen zusammen mit der Fraktion von Evangelischer Volkspartei (EVP)/Eidgenössische Demokratische Union (EDU), Teilen der Christlichdemokratischen Volkspartei (CVP) und Bundesrat Moritz Leuenberger vergeblich auf die Bremse.
Die Zulassung von Formel-1-Rennen wäre «ein Schildbürgerstreich», sagte Peter Vollmer (SP) als Sprecher der Kommissionsminderheit. Franziska Teuscher (Grüne) sprach von «Hirngespinsten und Bubenträumen».
Nach Ansicht der Gegner torpediert die Vorlage als «komplett falsches Signal» alle Anstrengungen in Umweltschutz, Energiepolitik, Raumplanung und Verkehrserziehung. Der wirtschaftliche Nutzen von Autorennen sei minimal. Auch der Tourismus profitiere nicht, denn seine Trümpfe seien Ruhe und eine intakte Landschaft.
Noch ein langer Weg
Die bürgerliche Mehrheit liess sich nicht stoppen. Sie zeigte sich vom wirtschaftlichen und technischen Potenzial überzeugt. Rund um die Rennstrecken könnten viele Arbeitsplätze geschaffen werden.
Laut Giezendanner ist auch der Umwelt nicht gedient, wenn jährlich 255’000 Schweizer ins Ausland fahren, um auf dortigen Kursen ihre Runden zu drehen.
Es gehe vorerst nur um die Aufhebung eines längst überholten Verbots, beschwichtigte Kommissionssprecher Simon Schenk (SVP), bevor der Rat nach einer emotional geführten Debatte mit 96 zu 81 Stimmen Eintreten beschloss. Ob private Investoren je eine Rundstrecke bauen und betreiben wollten, sei offen. Bis dahin sei es jedenfalls noch ein sehr langer Weg.
Realisierung wenig wahrscheinlich
Stimmen auch der Ständerat und allenfalls das Volk der Gesetzesänderung zu, gelten für alle Motorsportveranstaltungen die selben Voraussetzungen: Der Kanton kann eine Bewilligung erteilen, wenn die Veranstalter unter anderem nachweisen, dass sie die erforderlichen Sicherheitsmassnahmen ergriffen haben und die Umweltvorschriften einhalten.
Dennoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass in der Schweiz wieder Autorennen durchgeführt werden, gering. Gründe dafür sind das Fehlen eines geeigneten Geländes, strikte Lärmvorschriften und die Möglichkeit, gegen entsprechende Bauprojekte Einsprache zu erheben.
Nach dem neuen Gesetzestext kann der Bundesrat bestimmte Arten von motorsportlichen Veranstaltungen weiterhin untersagen, wenn er dies vorab aus Gründen der Verkehrssicherheit und des Umweltschutzes für geboten hält.
swissinfo und Agenturen
In der Geschichte des Formel-1 gab es sechs Mal einen Grand Prix Schweiz.
Fünf davon fanden zwischen 1950 und 1954 auf der Rennstrecke von Bremgarten im Kanton Bern statt.
Doch nach dem tragischen Unfall beim Rennen «24 Heures du Mans» 1955 in Frankreich, bei dem über 80 Personen starben, wurden Autorennen in der Schweiz verboten.
Nur noch ein einziges Mal wurde der Grand Prix Schweiz durchgeführt, am 29. August 1982 auf der Rennstrecke in Dijon (Frankreich).
In der Schweiz gab es bisher 29 Formel-1-Piloten. Die zwei berühmtesten waren der Freiburger Jo Siffert (2 Siege, 6 Podestplätze, 1971 beim Rennen von Brands Hatch umgekommen) und Clay Regazzoni (5 Siege, 28 Podestplätze, nach dem Grand Prix von Long Beach 1980 gelähmt und 2006 bei einem Autounfall ums Leben gekommen).
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