Hightech-Minenräumer rettet Menschenleben
Er sieht aus wie ein Panzer, aber er ist kein Kriegsgerät: Der in der Schweiz produzierte Digger-2 wird im Sudan eine 1200 km lange Strasse entminen.
Der Einsatz des Schweizer Hightech-Fahrzeugs ermöglicht Hilfsaktionen für die Not leidende Bevölkerung.
Die wenigsten Leute wissen, wie gefährlich die Minenräumung ist. Auch wenn man von den lebensgefährlichen Risiken absieht, schafft ein Minenräumer selbst unter guten Bedingungen nicht mehr als 50 m2 pro Tag.
Die Minen werden vorwiegend von Hand geräumt. Die mechanischen, meist militärischen Hilfsmittel sind teuer und für die Minenräumung nach einem Konflikt nicht geeignet.
Die Alternative heisst Digger
Die Stiftung Digger DTR mit Sitz in Tavannes, Kanton Bern, arbeitet seit sieben Jahren an der Entwicklung leistungsfähiger und kostengünstiger Minenräum-Technologien.
2002 entstand der ferngesteuerte, gepanzerte Digger-1. Er beseitigt mit einer Fräse die Vegetation und bereitet damit das Terrain für die Minenräumung vor. Das Fahrzeug ist imstande, die von Minen erzeugten Explosionen, die es während seiner Arbeit auslöst, zu überstehen.
Doppelt so schnell, weniger Unfälle
Der Prototyp wurde im Kosovo erfolgreich getestet. Minenfelder hätten mit dem Digger-1 doppelt so schnell geräumt werden können, sagt der Landmaschinen-Mechaniker Thomas Augsburger von der Stiftung Digger DTR gegenüber swissinfo. Und 80% der Personenunfälle seien verhindert worden.
Mit traditionellen Mitteln nimmt die Vorbereitung des Bodens etwa die Hälfte der zur Minenräumung benötigten Zeit in Anspruch. Man schätzt, dass im früheren Jugoslawien 8 von 10 Unfällen während dieser Arbeit geschehen.
Digger-2 kann noch mehr
Der im Berner Jura gebaute Digger-2 bringt Minen direkt zur Detonation. Dies dank einem vor dem Raupenfahrzeug montierten und mit Ketten versehenen Zylinder, der mit 1000 Umdrehungen pro Minute rotiert und die Erde bis in 20 cm Tiefe umpflügt.
Das 6,5 Tonnen schwere Gerät hält Explosionen von Personenminen problemlos aus. Panzerminen können ihm zwar Schäden zufügen, doch diese lassen sich dank spezieller Konstruktion des Fahrzeugs schnell reparieren.
Einsatz im Sudan
Ende Januar reisen Thomas Augsburger und Frank Oberli von der Stiftung Digger DTR in die kenianische Hafenstadt Mombasa, wo sie ihr an Weihnachten verschifftes Hightech-Gerät in Empfang nehmen. Dort wird es auf einen Armeelastwagen verladen und quer durch Kenia zum Einsatz in den Südsudan gefahren.
Zusammen mit der Schweizerischen Stiftung für Minenräumung (FSD) werden Augsburger und Oberli die 1200 Kilometer lange Piste zwischen Kenia und dem Südsudan entminen. Erst wenn die Strasse sicher ist, sind humanitäre Hilfsaktionen für die nach 21 Jahren Bürgerkrieg Not leidende Bevölkerung möglich.
Während sechs Monaten arbeitet das Schweizer Zweierteam dort und bildet auch Einheimische in der Bedienung des Digger-2 aus, so dass diese die Entminungsarbeiten, in Zusammenarbeit mit Leuten der FSD, später selber durchführen können.
FSD-Mitarbeiter getötet
Im letzten November wurden zwei Mitarbeiter des FSD von ugandischen Rebellen der Lord’s Resistance Army (LRA) getötet. Darauf stellte die FSD ihre Arbeit im Südsudan während kurzer Zeit ein. «Ich habe ein bisschen ein mulmiges Gefühl», sagt Augsburger vor seinem Einsatz. «Aber es wird schon gehen.»
Nathan Kunz von der Stiftung Digger DTR, der seinen beiden Kollegen später in den Sudan nachfolgt und das Gerät dann den einheimischen Experten und FSD-Vertretern übergibt, ist zuversichtlich.
«Wir arbeiten unter denselben Sicherheitsbedingungen wie bei UNO-Einsätzen, es gibt strikte Sicherheitsregelungen der FSD», sagt Kunz gegenüber swissinfo. Falls es wieder zu gewaltsamen Auseinandersetzungen kommt, wird nur noch das Nötigste gemacht.
«Zudem arbeiten wir nördlich von Juba, eine weniger gefährliche Zone als jene im Süden, und werden von der Südsudanesischen Volksbefreiungsarmee, die heute in der offiziellen Landesarmee integriert ist, vor Angriffen der LRA geschützt.» So sei das Risiko «messbar», hofft Kunz.
Reges Interesse an Digger-2
Wenn die Ergebnisse der Sudan-Mission positiv ausfallen, soll der Digger-2 in Tavannes serienmässig produziert werden. Kunz spricht von vorerst 10 Stück pro Jahr.
«Interessierte Kunden sind humanitäre Minenräumungs-Organisationen, wie zum Beispiel die FSD. Aber auch Regierungen, manchmal sogar Armeen, die einen humanitären Einsatz machen, sind an unserer Maschine interessiert.»
swissinfo, Jean-Michel Berthoud
Täglich werden in über 60 Ländern Menschen durch Minen verstümmelt oder getötet, alle 30 Minuten explodiert irgendwo auf der Welt eine Mine. Jedes Jahr sterben weltweit mehr als 20’000 Menschen durch Explosionen von Landminen oder an deren Folgen.
Die gemeinnützige Stiftung Digger DTR befasst sich seit 1998 mit der Forschung und Entwicklung erschwinglicher Technologien zur Minenräumung. Rund 30 Mitarbeiter haben das Minenräumungs-Fahrzeug im bernjurassischen Tavannes entwickelt und hergestellt.
Namhafte Beiträge zur Finanzierung des Einsatzes von Digger steuern die Stadt Genf, die Schweizer Armee und die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) bei.
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