Hochspannung um die 13. AHV-Rente
Am Sonntag stimmt die Schweiz über zwei Volksinitiativen zur Reform der Altersvorsorge ab. Während die Erhöhung des Rentenalters auf 66 Jahre an der Urne wohl keine Chance hat, ist die Erhöhung der Renten der Altersversicherung ungewiss.
Die Schweizer Stimmberechtigten könnten sich am Sonntag doch noch gegen eine Rentenerhöhung aussprechen. Die Zustimmung zur Volksinitiative, die den Rentnerinnen und Rentnern eine 13. Monatsrate der Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV) gewähren will, ist im Lauf der Kampagne stetig gesunken.
In der letzten Umfrage der SRG Anfang Februar unterstützten noch 53% der Befragten die von den Gewerkschaften lancierte Initiative zur Stärkung der Kaufkraft der Seniorinnen und Senioren.
Das Ja-Lager hat zwar noch einen leichten Vorsprung. Dieser dürfte aber am Sonntag nicht für eine Annahme des Volksbegehrens ausreichen.
Denn neben dem Volksmehr muss die Initiative «Für ein besseres Leben im Alter (Initiative für eine 13. AHV-Rente)» zusätzlich auch die Hürde einer Mehrheit der Kantone nehmen, um angenommen zu werden.
Das bedeutet dass 12 von 23 Kantonen die Initiative annehmen müssen. Das könnte sich ebenfalls als schwierig erweisen, da die Tendenz in fünf Kantonen Anfang Februar noch unklar war.
Den bedürftigen Pensionierten helfen
Mit ihrem Vorschlag wollen die Linke und die Gewerkschaften den AHV-Rentnerinnen und -Rentnern helfen, die angesichts der Inflation und der steigenden Lebenshaltungskosten kaum noch über die Runden kommen. Im Rahmen der Kampagne haben viele Betroffene über ihre finanziellen Schwierigkeiten berichtet.
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«Rentner:innen, die im Ausland im Luxus leben, sind die Ausnahme»
Um deren Situation zu verbessern, verlangt die Volksinitiative die Auszahlung einer zusätzlichen 13. AHV-Rente statt wie bisher 12 pro Jahr.
Die maximale jährliche Altersrente würde für Alleinstehende um 2450 Franken auf 31’850 Franken und für Ehepaare um 3675 Franken auf 47’775 Franken steigen.
Ein verpöntes «Giesskannenprinzip»
Diese Reform ist jedoch nicht nach dem Geschmack der rechten und bürgerlichen Parteien sowie der wichtigsten Wirtschaftsverbände des Landes.
Sie sind der Meinung, dass die Finanzierung der Zusatzrente auf dem Rücken der arbeitenden Bevölkerung erfolgen würde, durch höhere Sozialversicherungsbeiträge oder Steuern.
Ausserdem ziele die Massnahme zu wenig auf diejenigen ab, die wirklich finanzielle Probleme haben. Die Rentenerhöhung würde nach dem Giesskannenprinzip erfolgen, auch Besserverdienende würden davon profitieren, heisst es.
Verunglimpfte Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer
Schweizerinnen und Schweizer, die zur Pensionierung im Ausland leben, wurden im Wahlkampf von der Schweizerischen Volkspartei (SVP) scharf angegriffen. Die SVP warf ihnen vor, von den tieferen Lebenshaltungskosten im Gastland zu profitieren.
SVP-Nationalrätin Martina Bircher meinte in der Presse unter anderem, «von einer 13. Rente würden in erster Linie Ausländer und Auslandschweizer profitieren», während diese Personen weder über die Mehrwertsteuer noch über Lohnbeiträge zu den Mehrkosten beitragen würden.
Diese Kritik rief die Fünfte Schweiz auf den Plan, deren Mitglieder sich in einer Facebook-Gruppe organisiert haben, um eine «Hetzkampagne» gegen sie anzuprangern.
Die Direktorin der Auslandschweizer-Organisation (ASO), Ariane Rustichelli, zeigte sich besorgt um die 800’000 Schweizerinnen und Schweizer, die ausserhalb der Landesgrenzen leben.
«Die Tatsache, dass Schweizerinnen und Schweizer gegen ihre Landsleute aufgehetzt werden, erfüllt mich mit grosser Sorge», sagte sie gegenüber SWI swissinfo.ch.
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Das Rentenalter 66 wird wohl scheitern
Das Schicksal der zweiten Initiative, die zur Abstimmung kommt, ist so gut wie besiegelt. Der von den Jungfreisinnigen lancierte Text sieht vor, das Rentenalter in einer ersten Phase bis 2033 schrittweise auf 66 Jahre anzuheben.
Danach soll es an die Lebenserwartung gekoppelt werden, das bedeutet, es soll automatisch angehoben werden, wenn die Lebenserwartung steigt.
Ziel der Initiative «für eine zukunftssichere Altersvorsorge» ist die finanzielle Sanierung des schweizerischen Rentensystems.
Gemäss Berechnungen des Bundesamts für Sozialversicherungen (BSV) könnten damit bis 2030 rund zwei Milliarden Franken eingespart und die Finanzierung der Renten bis mindestens 2033 gesichert werden.
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Die Renteninitiative – unpopulär oder visionär? Die Rente mit 66 kommt an die Urne
Trotz der Unterstützung der rechten und bürgerlichen Parteien scheint die Lösung der Jungfreisinnigen weit davon entfernt, eine Mehrheit der Stimmberechtigten zu überzeugen.
Das Nein-Lager ist im Lauf der Kampagne stetig gewachsen. Laut der letzten SRG-Umfrage wollen 63% der Befragten gegen die Vorlage stimmen.
Am linken und mittleren Rand des politischen Spektrums verurteilten die Gegnerinnen und Gegner die Initiative als «unsozial, technokratisch und undemokratisch» und als «ungeeignet für eine Reform der Altersvorsorge».
Das Nein-Lager wirft den Befürwortenden vor allem vor, die Realität der älteren Menschen auf dem Arbeitsmarkt zu ignorieren.
Es weist darauf hin, dass es für über 55-Jährige bereits heute schwierig sei, eine neue Stelle zu finden, wenn sie arbeitslos werden.
Die Abstimmung über die Rente mit 66 findet etwas mehr als ein Jahr statt, nachdem das Schweizer Stimmvolk der Angleichung des Rentenalters der Frauen an jenes der Männer von 64 auf 65 Jahre zugestimmt hatte. Ein Zeitpunkt, welcher der Initiative wohl nicht in die Karten spielt.
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Editiert von Pauline Turuban, Übertragung aus dem Französischen: Christian Raaflaub
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