«Ich ginge sofort wieder ins Ausland»
Die Ferne lockt. Rund 200 Personen wollten in Bern an einem Informationstag des Bundesamtes für Migration (BFM) wissen, worauf man beim Auswandern achten muss.
Der Saal im Untergeschoss des Hotels Kreuz in Bern war trotz Sonnenschein draussen gut besetzt. Auswanderungsgelüste scheinen Erwachsene jeden Alters zu beflügeln, aber vor allem junge Leute waren in grosser Zahl an die Veranstaltung «Wenn die Ferne lockt» gekommen.
Schweizerinnen und Schweizer halten sich fast überall auf der Welt auf. «Rund 700’000 Personen mit Schweizer Pass leben zur Zeit im Ausland», sagte Roland Flükiger, Sektionschef Migration beim BFM. Es gäbe seines Wissens nur sechs Länder auf der Welt, in denen keine Schweizerinnen oder Schweizer lebten.
Die meisten Auslandschweizerinnen und -schweizer leben in Frankreich, nämlich 179’00 Personen. Viele davon wohnen direkt an der Grenze, sagte Flükiger. Die nächst grösste Population von Auslandschweizern lebt in Deutschland, 76’500 Personen.
«Wer sich länger als drei Monate im Ausland aufhält, ist verpflichtet, sich in der Schweiz abzumelden», hielt Flükiger fest.
Zu den Konsequenzen einer Abmeldung von der Schweiz hatten die Auswanderungslustigen viele Fragen. Vor allem Beitragslücken in der Alters- und Hinterbliebenenversicherung (AHV) machten den Anwesenden Sorgen: Kann man die so genannte freiwillige AHV bezahlen? Wieviel kostet das?
Wie kann ich mich im Ausland gegen Krankheit und Unfall versichern? Wenn ich mir einen Teil meines Pensionskassengeldes auszahlen lasse, um in Spanien ein Haus am Meer zu kaufen? Wo muss ich diesen dann versteuern?
Personenfreizügigkeit, Wohnsitzprinzip, Doppelbesteuerungsabkommen, Stagiaire-Visa, Anmeldung beim Konsulat und anderes: Die Experten verschiedener Organisationen und der zuständigen Bundesämter gaben Auskunft, so weit dies in einem öffentlichen Rahmen möglich war. Spezifische Fragen beantworteten sie später persönlich.
Europäische Kochkultur
Der Infotag hat Petra-Olivia Eberhard angelockt. Sie möchte im Ausland arbeiten. Die junge Frau absolviert zur Zeit noch eine Lehre als Koch. «Nach der Lehre werde ich noch zwei, drei Jahre in der Schweiz arbeiten, danach möchte ich die europäische Kochkultur kennenlernen», sagte sie.
Es ziehe sie zur Zeit vor allem nach Europa, später wolle sie auch noch in Kanada und Australien Erfahrungen sammeln. In Ländern ausserhalb von Europa und in nicht-westlichen Kulturen werde es für sie als Frau jedoch schwierig, eine Anstellung zu finden, ist ihre Einschätzung.
«Am liebsten würde ich mich von einer grossen Hotelkette anstellen lassen.» So bestünde die Möglichkeit, innerhalb der internationalen Kette den Arbeitsort wechseln. «Die schieben die Leute in der Welt herum», sagt sie abenteuerlustig.
Wie weitgereist das Publikum am Infotag war, unterstrich Nils Geil, der erst am Morgen von einer Geschäftsreise aus Südafrika zurückgekehrt war, wie er erzählte. Konkrete Auswanderungspläne habe er zwar keine, aber reizen würde ihn ein längerer Auslandaufenthalt schon. Deshalb sei er an die Veranstaltung gekommen.
«Ich bin kulturell und sprachlich an der Welt interessiert. Ich möchte gerne den Rest der Welt ausserhalb der Schweiz auch kennenlernen.» Seine bevorzugten Destinationen sind die USA und Südafrika.
«Es geht um das ganze Paket, Land und Leute, Kultur und Sprache, die Arbeit, die Wohnsituation, das ganze müsste stimmen», sagte Nils Geil. Dann wäre er auch bereit, dafür allenfalls eine tiefere Altersrente in Kauf zu nehmen.
Als Touristen überall
Der Reiz des Fremden war den Besucherinnen und Besuchern des Infotages anzumerken. Begeistert erzählten sie von Ferienerlebnissen, wunderbaren Landschaften und gastfreundlichen Leuten, «und vor allem ist es immer warm».
Dass Ferien im Ausland und Leben im Ausland jedoch zwei verschiedene Situationen sind, wissen diejenigen, die bereits einmal im Ausland gearbeitet haben.
«Wenn ich könnte, ginge ich sofort wieder», erzählt Guido Inglin, Inhaber eines Restaurants und gelernter Koch. Es gebe viele Leute, die das nicht verstehen könnten. «Sie sagen: Es geht dir doch gut, du hast dich etabliert, warum willst du wieder wegziehen?»
Inglin hat zweieinhalb Jahre lang als Schiffskoch auf einem grossen Kreuzfahrtschiff gearbeitet, auch später arbeitete er im Ausland. «Es zieht mich immer noch in die Ferne. Ich bin immer noch neugierig, was dort ist.»
Eveline Kobler, swissinfo.ch
Auswanderung in ein EU-oder EFTA-Land: Es ist obligatorisch, der Sozialversicherung des betreffenden Landes beizutreten. Die freiwillige AHV einzubezahlen ist nicht möglich. Im Alter wird diese Person eine Teilrente für die einbezahlten Beitragsjahre dieses Landes erhalten.
Auswanderung in ein Nicht-EU oder EFTA-Land: Freiwillige AHV ist möglich. Ein Jahr nach dem Ausscheiden aus der obligatorischen AHV erlischt das Recht zum Beitritt in die freiwillige AHV.
Es gilt grundsätzlich das Wohnsitzprinizp. Wo man wohnt, dort bezahlt man Steuern.
Mit der Abmeldung erlischt das Obligatorium. Neue Versicherungen je nach Gastland verschieden.
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