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In Cancún ist noch nichts entschieden

Eine Performance von Künstlern weist in Cancún auf die Klima-Problematik hin. Keystone

Die Klimaverhandlungen in Mexiko sind in die entscheidende Phase getreten, die Würfel sind noch nicht gefallen. Im Moment scheint es aber schwierig, ein Abkommen zu erreichen, das mehr als symbolisch ist, sagt Franz Perrez, Chef der Schweizer Verhandlungsdelegation.

Cancún – mit seiner Sonne und den vielen Luxushotels, die sich mit den Jahren an den Stränden breit gemacht, die Feuchtgebiete ausgetrocknet und dem Meer zugesetzt haben – eine ökologische Verirrung?

Das ist jedenfalls die Meinung zahlreicher Kommentatoren in der internationalen Presse, die immer wieder erwähnt, wie komisch es doch sei, an diesem Ort, der wenig für die nachhaltige Entwicklung unternimmt, eine Konferenz über die Zukunft des Klimas abzuhalten.

Die rund 15’000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer dieser 16. Ausgabe müssen aus einem riesigen Einzugsgebiet, das sich über Kilometer hinzieht, an die Konferenz pendeln, die an zwei Orten stattfindet.

Einerseits im ultra-modernen Komplex Cancún Messe, wo NGO, Akademien und Firmen ihre Stände eingerichtet haben und diskutieren, sowie im Moon Palace draussen im Grünen. Ein Hotel-Resort mit Golf und Spa und Ackergäulen, die dazu dienen, vornehme Touristen in der Kutsche zu befördern.

Hier also versuchen die Vertreter aus 190 Staaten, die meisten entsprechend dem lockeren Dresscode, den Mexiko vorgegeben hat, im Hemd gekleidet, sich über kleinere und grosse Probleme zu einigen.

Im Gegensatz zur Klima-Konferenz von Kopenhagen im Dezember vergangenen Jahres spürt der Beobachter die Spannung, welche durch die Herausforderung vorgegeben ist, nicht direkt. Ist es die Sonne? Oder sind es die bescheidenen Erwartungen nach der Enttäuschung von 2009 in Dänemark?

Jedenfalls herrscht eine Ruhe trotz der mexikanischen Kriegsflotte, die demonstrativ patrouilliert, und den Ordnungskräften, die zahlreich entlang der Küstenstrasse postiert sind.

Die Wahrscheinlichkeit eines Misserfolgs

Am Montag allerdings kreiste ein Geier über dem Moon Palace. Die abergläubischen Geister haben ihn ignoriert, als – mit dem Treffen der Umweltminister ab Mittwoch – die entscheidende zweite Verhandlungswoche begann. Die Partie ist bei Weitem noch nicht gewonnen.

Laut Patrick Hofstetter, der für WWF Schweiz in Cancún dabei ist, ist «die Wahrscheinlichkeit eines Scheiterns in etwa gleich möglich wie in Kopenhagen. Jeder hier fragt sich, worauf man sich einigen wird».

Der Schweizer Umweltexperte begrüsst die mexikanische Art, die alle Parteien mit einbezieht und mehr auf Transparenz als auf Verhandlungen hinter den Kulissen setzt.

Sollte dieses Vorgehen aber Schiffbruch erleiden, könnten Länder, die sich vernachlässigt fühlen, wie in Kopenhagen alles zusammen zurückweisen.

Zwei Drittel der Nichtregierungs-Organisationen, die in Cancún vertreten sind, erwarteten aufgrund einer am Sonntag durchgeführten Konsultation einen «mässigen Erfolg», sagt Patrick Hofstetter.

Sie rechnen mit Entscheiden über die Abholzung von Wäldern, Finanzhilfen an Entwicklungsländer, Anpassungen an den Klimawandel sowie über das weitere Vorgehen in Bezug auf die Klimakonferenz in Südafrika im nächsten Jahr.

Schwierige Situation

Zum jetzigen Zeitpunkt jedenfalls sind die Probleme zahlreich. Franz Perrez, Leiter der Schweizer Verhandlungsdelegation in Cancún, spricht von einer «sehr schwierigen Situation». Gemäss seiner Einschätzung dürfte es kompliziert werden, ein Abkommen zu schliessen, das mehr als symbolisch ist.

Was das Vorgehen betrifft, sind sich die Länder uneinig über den Textentwurf, der zur Verhandlung vorliegt, und über die Art zu verhandeln. Soll man sich Zeile um Zeile vornehmen oder Konzepte diskutieren, und dann die Facilitatoren aufgrund der gemeinsamen Punkte einen Text redigieren lassen? Die Frage bleibt unbeantwortet.

Die wichtigsten Hindernisse bezüglich Inhalt betreffen die Reduktion der Treibhausgase. Zahlreiche Entwicklungsländer lehnten jegliche Fortschritte ab, solange sich die 37 Kyoto-Unterzeichnerstaaten nicht für eine zweite Periode nach Ablauf des Vertrags 2012 engagierten, erklärt Perrez.

Kyotos Druck auf Cancún

Diese zweite Periode kann laut dem Schweizer Verhandlungsleiter aber nicht hier in Cancún entschieden werden. Denn dazu müssen die Regeln für den Umfang des Engagements geklärt werden.

In den Augen der Mehrheit der Kyoto-Unterzeichnerstaaten müssen auch die wichtigsten Entwicklungsländer wie China und Indien, die zu den grössten CO2-Produzenten gehören, Einlenken signalisieren und in die gleiche Richtung zielen.

«Eine zweite Kyoto-Periode kann das Problem nicht lösen, denn die Vertragsstaaten repräsentieren weniger als 25% der Emissionen», argumentiert Perrez.

Eine zweite kritische Hürde in Cancún betrifft den Temperaturanstieg, der 2 Grad Celsius nicht überschreiten sollte. Ein zu hoher Wert für Inselstaaten, welche diese Vorgabe kategorisch ablehnen.

Gewisse Dossiers machen an der karibischen Küste aber Fortschritte, wie jenes über die Wälder. «Die wichtigen Fragen sind praktisch geklärt, auch dank der starken Position der Schweiz», sagt Franz Perrez. «Wir brauchen in ein paar Punkten noch politische Entscheide, hoffen aber auf einen Erfolg auf diesem Gebiet.»

Die Konferenz der Vertragsstaaten des UNO-Rahmenübereinkommens über Klimaänderung findet vom 29. November bis 10. Dezember 2010 in Cancún statt.

Das Übereinkommen ist ein internationaler Vertrag, dem 194 Unterzeichnerstaaten angehören. Es soll die zu erzielenden Fortschritte auf internationaler Ebene festhalten, um die Klimaerwärmung zu reduzieren und dem globalen Temperaturanstieg entgegenzuwirken.

Einige Länder haben einem Zusatz zum Vertrag zugestimmt, dem Kyoto-Protokoll, das griffigere und rechtlich zwingende Massnahmen festlegt. Es läuft 2012 aus.

Das Resultat der letzten derartigen Konferenz von 2009, das Abkommen von Kopenhagen – welches die Plenarversammlung «zur Kenntnis genommen hat» – hat zum Ziel, die Erderwärmung im Vergleich zur Zeit vor der Industriealisierung auf weniger als 2 Grad Celsius zu begrenzen.

Zur Schlüsselfrage, wie die Behebung der Klimaschäden finanziert werden soll, sieht es die Bildung eines Spezialfonds von 100 Milliarden Dollar pro Jahr ab 2020 vor, um den am stärksten betroffenen Ländern zu helfen. In dieser Frage sind laut Schweizer Delegation gewisse Fortschritte erzielt worden.

Gemessen am CO2-Ausstoss, dessen Entwicklung und der eigenen Klimapolitik liegt die Schweiz auf dem 13. Platz der Bestenliste von «Climate Action Network Europe» und der NGO «Germanwatch».

Allein gemessen an der Entwicklung des CO2-Ausstosses hat die Schweiz zwei Ränge eingebüsst und liegt nun auf dem 20. Rang, und auf dem 27. Rang für die Klimapolitik.

Die Plätze 1 bis 3 der globalen Bestenliste wurden nicht vergeben, weil kein Land ein zufriedenstellendes Resultat erzielt.

Brasilien, Schweden und Norwegen belegen die Plätze 4 bis 6. Australien, Kasachstan und Saudi Arabien liegen am Ende der Rangliste.

(Übertragung aus dem Französischen: Gaby Ochsenbein)

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