In Nairobi Kampagne für menschenwürdige Arbeit lanciert
Gewerkschaften, Linksparteien und NGO haben am Weltsozialforum in Nairobi die Kampagne "Menschenwürdige Arbeit für alle" lanciert.
Die von der SP Schweiz, dem Gewerkschaftsbund und dem Arbeiterhilfswerk unterstützte Kampagne will das Thema zu einem Schwerpunkt der internationalen politischen Agenda machen.
«Gemeinsam sind wir stark», erinnerte Mamounata Cissé die Versammelten, die sich unter den Zelten des Weltsozialforums (WSF) in Nairobi zusammenfanden.
Die Vertreterin des Internationalen Gewerkschaftsbunds rief zur Einheit auf, als im gleichen Zeitpunkt die internationale Kampagne «Decent work for a decent life » (menschenwürdige Arbeit für ein menschenwürdiges Leben) lanciert wurde.
Die Kampagne soll drei Jahre dauern und sowohl die globale öffentliche Meinung wie auch die Welt der internationalen Politik auf jene Themen sensibilisieren, die mit der Arbeit verknüpft sind.
Damit sollen das Schaffen von Arbeitsplätzen, die Rechte der Arbeitenden, die soziale Sicherheit und der Abbau von Diskriminierung zu Schlüsselthemen in den internationalen Entwicklungs-Anstrengungen werden.
«Die Garantie für menschenwürdige Arbeitsbedingungen entspricht einer politischen Dringlichkeit, die jeden angeht», sagt Assane Diop, Abteilungsleiter der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO).
Instrument im Kampf gegen die Armut
Die in der Hauptstadt Kenias vorgestellte Kampagne basiert auch auf dem Umstand, dass trotz Weltwirtschafts-Wachstum die Zahl der Unterbeschäftigten zugenommen hat. Oft genug finden auch jene, die eine Arbeit haben, nicht aus ihrer schwierigen Lage heraus.
«2,8 Milliarden Personen auf der Welt haben eine Arbeit, doch die Hälfte davon lebt trotzdem in einer Situation der Armut», sagt Ruth Daellenbach, Geschäftsleiterin des Schweizerischen Arbeiterhilfswerks (SAH), gegenüber swissinfo.
Die Vereinten Nationen (UNO) erhoben die Halbierung der Armut bis ins Jahr 2015 zum Entwicklungsziel des neuen Millenniums. Zwar ist dabei die Arbeit als solche nicht explizit erwähnt. Doch Ruth Daellenbach ist überzeugt, dass «die Reduktion der Armut nicht möglich ist, solange man nicht genügend menschenwürdige Arbeitsplätze schafft.»
«Die Stärkung der Kaufkraft von Millionen von armen Arbeitnehmern stimuliert die Wirtschaft», sagt Julia Gerber Rüegg, Ko-Präsidentin der «SP Frauen Schweiz».
Allianz zwischen Gewerkschaften, Linksparteien und NGOs
Die Lancierung der Kampagne zur menschenwürdigen Arbeit bedeutet auch einen Versuch, zwischen Gewerkschaften, Linksparteien und NGO eine langfristige Allianz herzustellen.
Diese Initiative resultiert aus dem gemeinsamen Vorgehen des Global Progressive Forum, des Internationalen Gewerkschaftsbunds und von Solidar. Das Forum geht auf auf die Europäische Sozialistische Partei und die Sozialistische Internationale zurück.
Solidar ist ein Netzwerk von 34 europäischen NGO mit sozialdemokratischem oder gewerkschaftlichem Hintergrund.
Es ist auch kein Zufall, dass das WSF in Nairobi für den Start dieser Kampagne gewählt wurde: «Für die Gewerkschaften ist es wichtig, mit den NGO und der Zivilgesellschaft zusammen zu arbeiten», sagt Vania Alleva vom Schweizerischen Gewerkschafts-Bund.
Jugend-Campus vor dem G8-Gipfel
Eine der ersten Aktionen rund um die Kampagne für menschenwürdiges Arbeiten wird ein Campus für Jugendliche sein – aus Anlass des G 8-Gipfels in Deutschland im nächsten Juni. Vorgesehen sind ausserdem Informations-Aktivitäten, Beratung sowie das Ausarbeiten einer «Charta für menschenwürdige Arbeit».
Das siebte WSF findet zum ersten Mal ausschliesslich auf dem afrikanischen Kontinent statt und versteht sich als Gegenveranstaltung zum Weltwirtschaftsforum in Davos, wo ab Mittwoch Wirtschaftsführer und Spitzenpolitiker zusammenkommen werden.
swissinfo, Andrea Tognina, Nairobi
(Übertragung aus dem Italienischen: Alexander Künzle)
Laut ILO 2006 hat die Weltwirtschaft im vergangenen Jahrzehnt ein durchschnittliches jährliches Wachstum von 4,1% erreicht.
Im gleichen Zeitraum stieg die Arbeitslosigkeit auf 11%.
Von den weltweit 2,8 Milliarden Beschäftigten arbeitet die Hälfte für weniger als 2 Dollar pro Tag.
500 Millionen leben mit weniger als 1 Dollar pro Tag.
Allein in der Schweiz leben 300’000 Working Poor.
Der Schweizerische Gewerkschaftsbund ruft im Zusammenhang mit der Kampagne für menschenwürdige Arbeit den Bundesrat auf,
– aus der Frage der gleichberechtigen Arbeitsbedingungen ein Ziel für die Innen- und Aussenpolitik zu machen,
– die Prinzipien der Konvention der ILO zu ratifizieren, die die Lohnempfänger schützen.
Die SP zielt auf den «verantwortungsvollen Konsum»: Eine Motion der sozialdemokratischen Nationalrätin Evi Allemann verlangt, dass Lieferanten und Leistungs-Erbringer im öffentlichen Beschaffungswesen bei allen Aufträgen die Grundabkommen der ILO-Konventionen einhalten müssen.
Unter den zahlreichen Aktionen des Arbeiterhilfswerks sei an die Mitwirkung bei der Kampagne «Fair Play» erinnert. Dieses soll für gleichberechtigte Arbeitsbedingungen während der Vorbereitungen zur Fussball-WM in Südafrika 2010 sorgen.
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