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Initiative gegen Steuerwettbewerb unter Kantonen

Terrassensiedlung im steuergünstigen Kanton Obwalden. Keystone

Eine Initiative verlangt, dass für reiche Steuerzahlende ab einem gewissen Einkommen und Vermögen schweizweit ein Mindestsatz gilt. Bundesrat und eine bürgerliche Parlamentsmehrheit sind dagegen. Am 28. November kommt die Vorlage an die Urne.

Mit Steuersenkungen und degressiven Steuern versuchen einige Schweizer Kantone, gezielt reiche Steuerzahlerinnen und Steuerzahler anzuziehen. Die Unterschiede der Steuerbelastung zwischen den Kantonen sind gross.

In den letzten Jahren haben die Kontroversen um solche Sondersteuern für Reiche zugenommen.

Der Sozialdemokratischen Partei (SP) ist dieser Steuerwettbewerb zwischen den Kantonen ein Dorn im Auge. Sie lancierte daher 2006 ihre Steuergerechtigkeits-Initiative und reichte sie 2008 mit den dafür nötigen Unterschriften bei der Bundeskanzlei ein.

«Der interkantonale Steuerwettbewerb der letzten 10, 20 Jahre hat dazu geführt, dass vor allem die Reichen und die Superreichen von Steuersenkungen profitieren, während die Durchschnitts-Verdienenden die Lasten tragen müssen», sagt der Hauptinitiant und Ex-Präsident der SP, Nationalrat Hans-Jürg Fehr, gegenüber swissinfo.ch.

Die Initiative

Eine links-grüne Parlamentsminderheit ist der Meinung, dass reiche Bürgerinnen und Bürger proportional nicht weniger Steuern zahlen dürften als andere. Eine Forderung der Initiative ist daher, dass die Verfassung in Zukunft degressive Steuern verbieten soll.

Für Alleinstehende, die ein steuerbares Einkommen von über 250’000 Franken im Jahr erzielen, soll in allen Kantonen ein Steuersatz von mindestens 22% bei den Gemeinde- und Kantonssteuern gelten.

Bei den Vermögenssteuern sollen Vermögen von Alleinstehenden, die 2 Millionen Franken übersteigen, von Kanton und Gemeinde mit mindestens 5 Promille besteuert werden. Für gemeinsam veranlagte Paare und Familien sollen diese beiden Regelungen abgemildert werden können.

Schliesslich schreibt die Initiative vor, dass keine von Bund, Kantonen oder Gemeinden erhobene Steuer weder bei steigendem Einkommen noch bei steigendem Vermögen abnehmen darf.

Diese Bestimmungen sollen gemäss Initiativtext innerhalb von drei Jahren umgesetzt werden. Von der Initiative ausgenommen sind die direkten Bundessteuern, die schon immer einheitlich geregelt waren.

«Steuerwettbewerb eindämmen»

Die SP betont, mit ihrer Initiative könne dem Missbrauch einiger Kantone im Steuerwettbewerb ein Riegel geschoben werden. Heute würden sich Kantone und Gemeinden die Superreichen mit Steuergeschenken streitig machen.

Es gehe zudem nicht an, dass Multimillionäre heute einen kleineren Prozentsatz ihres Einkommens versteuern müssten als tiefere Einkommensklassen.

Der Steuerwettbewerb sei mit einer Annahme der Initiative nicht gefährdet, weil Kantone und Gemeinden ihre Steuern bei Einkommen unter den in der Initiative geforderten Beträgen weiterhin selber bestimmen könnten.

Die Initiative verlange nur eine bescheidene Beschränkung des Steuerwettbewerbs, «weil wir nur Mindeststeuersätze festlegen für hohe Einkommen und hohe Vermögen», betont Fehr. «Es ist den Kantonen weiterhin freigestellt, welchen Steuertarif sie anlegen müssen.»

«Initiative schadet der Schweiz»

Der Bundesrat und eine bürgerliche Parlamentsmehrheit lehnen die Initiative ohne Gegenvorschlag ab. An vorderster Front gegen die Vorlage kämpft der freisinnige Zürcher Nationalrat Markus Hutter. Für ihn ist die Initiative aus zwei Gründen untauglich.

«Es handelt sich um einen Frontalangriff auf die Steuerautonomie der Kantone und der Gemeinden. Eine Steuerautonomie, die sich sehr bewährt hat», sagt er gegenüber swissinfo.ch.

Das schade nicht nur jenen Kantonen mit niedrigen Steuern, sondern der ganzen Schweiz und damit auch ihrer Standort-Attraktivität. Die Schweiz stehe hier im internationalen Wettbewerb, gibt Hutter zu bedenken.

Der zweite Grund, warum er dezidiert gegen das Volksbegehren ist: «Die Initiative wird dazu führen, dass zusätzliche Steuern erhoben werden müssen, im Zuge der Anpassung der Tarife bei den einzelnen Kantonen bis weit in den Mittelstand hinein.»

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Volksinitiative

Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht Die Volksinitiative erlaubt den Bürgerinnen und Bürgern, eine Änderung in der Bundesverfassung vorzuschlagen. Damit sie zu Stande kommt, müssen innerhalb von 18 Monaten 100’000 gültige Unterschriften bei der Bundeskanzlei eingereicht werden. Darauf kommt die Vorlage ins Parlament. Dieses kann eine Initiative direkt annehmen, sie ablehnen oder ihr einen Gegenvorschlag entgegenstellen. Zu einer Volksabstimmung kommt es…

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Taugliches Regelungs-Instrument?

Schliesslich stehe mit dem Neuen Finanzausgleich zwischen den Kantonen schon heute ein Instrument zur Verfügung, das die negativen Auswirkungen des Steuerwettbewerbs mildere, erklären die Gegner.

«Der Neue Finanzausgleich ist ja gerade auch als Korrekturmassnahme zu eben diesen Unterschieden zwischen den Kantonen gedacht. Und der reicht auf jeden Fall», gibt Hutter zu bedenken.

Eine Äusserung, die Fehr nicht gelten lässt: «Der Neue Finanzausgleich hat eben nicht dazu geführt, dass diese Unterschiede kleiner werden. Im Gegenteil: Er ist Holz ins Feuer des Steuerwettbewerbs. Er verschärft die Unterschiede sogar noch. Und darum müssen wir Gegensteuer geben.»

Das letzte Wort in dieser Frage hat das Schweizer Stimmvolk Ende November.

Die Volksinitiative «Für faire Steuern. Stopp dem Missbrauch beim Steuerwettbewerb» wurde 2008 mit fast 105’000 gültigen Unterschriften eingereicht.

Die Hauptforderung: Ein Mindeststeuersatz für alleinstehende Personen, die über 250’000 Franken im Jahr verdienen oder über 2 Millionen Franken Vermögen besitzen.

Für Familien und Paare sollen diese Grenzbeträge erhöht werden können.

Im Parlament war die Initiative chancenlos: Der Nationalrat lehnte sie mit 128 zu 64 Stimmen ab, der Ständerat mit 30 zu 9 Stimmen.

Da es sich bei einer Volksinitiative immer um eine Verfassungsänderung handelt, kommt sie automatisch vors Volk.

Zudem bedingt eine Verfassungsänderung zwingend das Volksmehr und das Ständemehr (eine Mehrheit der Kantone).

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