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Ja-Trend für Ausschaffungs-Initiative

Aufenthaltsraum für Ausschaffungs-Häftlinge im Flughafengefängnis Zürich Kloten. Keystone

Wahrscheinlich ein Ja zur Ausschaffungs-Initiative, vermutlich ein Nein zum Gegenvorschlag. Offen ist der Ausgang für die Steuergerechtigkeits-Initiative, auch wenn deren Zustimmung im Abwärtstrend liegt. Dies die Prognosen für den Urnengang vom 28. November.

Wäre bereits am 10. November 2010 über die Ausschaffungs-Initiative der Schweizerischen Volkspartei (SVP) entschieden worden, hätten 54% bestimmt oder eher für sie gestimmt. 43% wären bestimmt oder eher dagegen gewesen.

Das zeigt die zweite Repräsentativ-Umfrage, die das Forschungsinstitut gfs.bern im Auftrag der SRG SSR zwischen dem 8. und 13. November durchgeführt hat.

Die Zustimmung zur Initiative hat allerdings gegenüber der ersten Umfrage um 4 Prozentpunkte nachgelassen, während die Ablehnung um deren 7 zunahm.

Unüblich wenige sind noch unschlüssig, nämlich nur gerade 3% der insgesamt 46% teilnahmewilligen Bürger und Bürgerinnen. Die Initiative wäre damit mit einiger Wahrscheinlichkeit angenommen worden.

Ausschaffungs-Initiative polarisiert

Laut der Umfrage dominiert bei der Ausschaffungs-Initiative die Polarisierung auf der Links-Rechts-Achse. Die SVP-Wählerschaft ist fast einhellig dafür – daran hat sich auch im Laufe des Abstimmungskampfes nichts geändert.

Unterstützung findet das Rechtslager auch bei der parteipolitisch ungebundenen Wählerschaft, die mehrheitlich für die Ausschaffungs-Initiative ist.

Klar abgelehnt wird die Vorlage bei den Grünen, den Sozialdemokraten (SP) und knapp mehrheitlich auch bei den Mitte-Partien: den Christlich-Demokraten (CVP) und den Freisinnigen (FDP).

Auch der soziale Status hat Einfluss: Je tiefer die soziale Stellung ist, desto klarer findet die Volksinitiative Zuspruch.

Die Initiative punktete bislang mit den Argumenten, sie schaffe einheitliches Recht und sorge für die Sicherheit der Bevölkerung. Zudem machte sie Stimmung gegen bestimmte Ausländergruppen, welche die Gastfreundschaft der Schweiz ausnutzten.

Die Gegnerschaft überzeugte mit der Botschaft, die Initiative lege willkürliche Kriterien für die Ausschaffung fest, und es sei besser, Kriminalität mit Integration zu bekämpfen.

Ja für Gegenvorschlag vor allem bei Mitte-Parteien

Der Gegenvorschlag von Regierung und Parlament ist weniger klar profiliert, tendiert aber eher in Richtung Ablehnung. Er findet bei 43% Zustimmung, dagegen votieren 49%. 8% der Befragten sind unschlüssig.

Ab stärksten für den Gegenvorschlag ist das bürgerliche Lager: FDP-Wählende sprechen sich mit 56% dafür aus, Tendenz steigend, CVP-Wählende weisen einen Ja-Anteil von 55% aus.

Gespalten ist die Linke, während die Rechte den Gegenvorschlag klar ablehnt.

Die Befürworter des Gegenvorschlags überzeugt die Botschaft, dass es mehr Integration brauche, was im Gegenvorschlag explizit erwähnt wird. Auch glauben sie, dass damit Probleme mit der Europäischen Union vermieden werden könnten.

Stichfrage schwer einschätzbar

Sollte es zur Stichfrage kommen – das heisst, wenn sowohl Initiative wie auch Gegenvorschlag durchkommen –, dürfte aus heutiger Sicht ein Vorsprung für die Volksinitiative resultieren, nämlich mit 48%. 43% favorisieren den Gegenvorschlag. 9% sind unschlüssig.

Unsicherheit bei Steuergerechtigkeits-Initiative

Wäre während der Befragungswoche zur zweiten SRG-Erhebung über die Steuergerechtigkeits-Initiative entschieden worden, hätten sich 46% bestimmt oder eher dafür ausgesprochen, 39% wären bestimmt oder eher dagegen gewesen.

Bei der ersten Umfrage hatten sich noch 58% bestimmt oder eher dafür ausgesprochen.

Ein leicht überdurchschnittlicher Anteil von 15% hätte zwar teilgenommen, gab sich aber noch unschlüssig. Ein beträchtlicher Anteil von 20% will nur «eher» für die Initiative stimmen.

Es ist also noch ein höherer Grad Unsicherheit im Meinungsbild, als beim Anteil Unentschiedener zum Ausdruck kommt. Bestimmt dafür sind lediglich 26% der Teilnahmewilligen.

Bei der Steuerinitiative stehen sich die Abschaffung von Privilegien und Einheitlichkeit der Steuersätze auf der einen Seite und der Steuerföderalismus sowie die Angst vor Belastungen für den Mittelstand auf der anderen Seite gegenüber.

Röstigraben beim Thema Steuern

Und das Konfliktmuster ist auch hier parteipolitisch bestimmt: so ist das rotgrüne Lager dafür, während sich die Reihen auf der bürgerlichen Seite auf der Nein-Seite langsam schliessen.

Zudem zeichnen sich Unterschiede zwischen den Sprachregionen ab, wobei die Zustimmung für die Steuergerechtigkeits-Initiative in der Romandie am höchsten ist.

Unterschiede finden sich ferner entlang des Einkommens: Die obersten und die untersten Einkommensschichten sind überproportional gegen die Initiative.

Beteiligung ist grösster Unsicherheitsfaktor

Aktuell würden 46% der Stimmberechtigten an die Urne gehen, das ist ein nur leicht überdurchschnittlicher Wert. Es besteht weiterhin ein Mobilisierungs-Potential, denn weitere 31% überlegen sich eine Teilnahme. Und die sind deutlicher für die Ausschaffungs-Initiative, klarer wider den Gegenentwurf und etwas unsicher bei der Steuergerechtigkeits-Initiative.

Befragt worden waren insgesamt 1207 repräsentativ ausgewählte Bürger und Bürgerinnen mit Wohnsitz in der Schweiz.

Die Volksinitiative «Für die Ausschaffung krimineller Ausländer» wurde 2008 mit fast 211’000 gültigen Unterschriften eingereicht.

Ausländerinnen und Ausländer, die wegen bestimmter Straftaten verurteilt wurden oder die missbräuchlich Sozialleistungen bezogen haben, sollen alle Aufenthaltsansprüche verlieren und ausgewiesen werden.

Im Parlament lehnte sie eine Mehrheit der Abgeordneten ab: In der Schluss-Abstimmung sagte der Nationalrat mit 92 zu 82 Stimmen Nein, der Ständerat mit 26 zu 5 Stimmen.

Da es sich bei einer Volksinitiative immer um eine Verfassungsänderung handelt, kommt sie automatisch vors Volk.

Zudem bedingt eine Verfassungsänderung (Initiative wie auch Gegenvorschlag) zwingend das Volksmehr und das Ständemehr (eine Mehrheit der Kantone).

Der Initiative stellt das Parlament einen direkten Gegenvorschlag entgegen.

Dieser beschreibt Mindeststrafen, die ausgesprochen werden mussten, um eine Wegweisung zu rechtfertigen und schlägt einen Integrations-Artikel vor.

Im Nationalrat wurde dieses Begehren in der Schlussabstimmung mit 93 zu 88 Stimmen angenommen, im Ständerat mit 35 zu 6 Stimmen.

Die Volksinitiative «Für faire Steuern. Stopp dem Missbrauch beim Steuerwettbewerb» wurde 2008 mit fast 105’000 gültigen Unterschriften eingereicht.

Die Hauptforderung: Ein Mindeststeuersatz für alleinstehende Personen, die über 250’000 Franken im Jahr verdienen oder über 2 Mio. Franken Vermögen besitzen.

Für Familien und Paare sollen diese Grenzbeträge erhöht werden können.

Im Parlament war die Initiative chancenlos: Der Nationalrat lehnte sie mit 128 zu 64 Stimmen ab, der Ständerat mit 30 zu 9 Stimmen.

Da es sich bei einer Volksinitiative immer um eine Verfassungsänderung handelt, kommt sie automatisch vors Volk.

Zudem bedingt eine Verfassungsänderung zwingend das Volksmehr und das Ständemehr (eine Mehrheit der Kantone).

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