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Joseph Deiss voller Elan und «schon gut vernetzt»

Gut vernetzt: Joseph Deiss (Mitte) mit UNO-Generalsekretär Ban Ki-Moon und dem US-Präsidenten Barck Obama. Keystone

Vor zwei Wochen hat Joseph Deiss sein Amt als Präsident der UNO-Generalversammlung angetreten. Mit der Generaldebatte, einem Höhepunkt seines Amtsjahres, und vielen anderen hochrangigen Treffen hatte er vergangene Woche seine Feuerprobe zu bestehen.

Ein Schwerpunkt war die Konferenz über die Millenniumsziele. Deren Ausgang wurde vielerorts mit Enttäuschung kommentiert, unter anderem, weil nur wenig neue finanzielle Zusagen gemacht wurden.

Deiss sieht das etwas anders, wie er vor Schweizer Medien erklärt. «Ich bin überzeugt, dass es nicht so sehr darum geht, weiteres Geld zu finden, sondern vor allem darum, das Programm durchzuziehen.» Für ihn seien Aussagen aus Entwicklungsländern ebenso wichtig wie die aus Geberländern.

Dass Frankreich und andere Länder sich trotz der Krise noch mehr engagieren wollten, sei ein wichtiges Signal. «Ebenso wichtig waren aber Erklärungen aus Entwicklungsländern, die berichten konnten, dass bei ihnen zum ersten Mal alle Kinder in die Schule gehen.»

«Entwicklung, wirtschaftliche Entwicklung bedeutet nicht nur Geld und Wachstum. Es geht auch um einen Wandel ganzer Gesellschaften, um einen Wandel der Mentalität.» Dies brauche etwas Zeit. Wichtig sei, dass bekräftigt worden sei: «Wir wollen diese Ziele erreichen, wir wissen, dass es möglich ist, und wir wollen es tun.»

Generaldebatte

Erfreut zeigte sich der ehemalige Schweizer Aussenminister über den Auftritt von US-Präsident Barack Obama. Die USA hätten in der Generaldebatte sehr klare Aussagen gemacht und Führungsstärke gezeigt, etwa was den Nahost-Friedensprozess angehe.

Sehr wichtig sei ihm gewesen, dass die Administration Obama ein klares Votum zum Multilateralismus und zur Präsenz der USA in den Vereinten Nationen abgegeben habe. «Das ist in der vergangenen Zeit ja nicht immer der Fall gewesen.»

Grenzen kennen

Angesprochen auf den Eklat, den Irans Präsident Ahmadinedschad provoziert hatte, als er andeutete, die USA seien selber hinter den Anschlägen vom 11. September 2001 gestanden, erklärte Deiss, er werde als GV-Präsident zur Stellungnahme eines Landes nie einen Kommentar abgeben.

«Ich gehe davon aus, dass jedes Land wissen muss, wo die Grenzen sind und die Verantwortung übernehmen muss dafür, was hier gesagt wird.» Wichtig sei ihm, dass die Generalversammlung der Ort sei, an dem alle sprechen könnten.

Das Recht auf Sprechen sei bei der UNO ziemlich gut garantiert. Mit dem Zuhören hapere es manchmal etwas, die Leute seien da noch etwas weniger trainiert.

Erfreut zeigte sich Deiss auch darüber, dass das Thema globale Gouvernanz, das er als Leitfaden für das Jahr vorgegeben hat, positiv aufgenommen worden sei. Viele Länder hätten sich dazu geäussert.
Er und sein Team seien nun dabei, die Voten zu dem facettenreichen Thema zu analysieren, «unsere Erkenntnisse zu ziehen, um dann in sehr gezielten thematischen Debatten Vertiefungen vorzunehmen.»

Gut vernetzt

Grundsätzlich könne er zum Verlauf der vergangenen Woche voller Termine sagen, dass er positiv überrascht sei. Alle hätten gesagt, dass es schwierig sein werde, die Sitzungen pünktlich zu beginnen und hätten darauf gewartet, wie der Schweizer das nun regeln werde.

Er könne sagen, dass es ihm mit relativ wenig Effort gelungen sei, einen «Rhythmus in die Sache zu bringen. Und wir sind nun schon recht gut vernetzt im System hier.» Deiss hofft, die grosse Energie, die er spürt, in Zukunft noch etwas besser kanalisieren zu können.

Zur Schweiz sagte Deiss, diese habe in New York eine starke Präsenz gezeigt. Dass Bundespräsidentin Doris Leuthard noch vor US-Präsident Obama hatte sprechen können, sorgte beim ihm gar für «etwas Erleichterung».

So hatte Leuthard die volle Aufmerksamkeit des Saales, was nach der Rede des US-Präsidenten kaum je der Fall ist. Auch das Votum von Aussenministerin Micheline Calmy-Rey zu den Millenniumszielen sei auf Beachtung gestossen.

Training für Bodyguards

Auf einer persönlicheren Ebene meint Deiss auf die Frage, ob er sich schon nach einem Spaziergang auf den Moléson sehne: «Ich habe sehr viel Spass daran, hier in New York nicht zu spazieren, sondern zu marschieren.»

Er brauche jeden Tag eine Stunde Bewegung. Er habe sich in New York wieder an Leibwächter gewöhnen müssen, diese wiederum daran, dass er sehr oft zu Fuss gehe und nicht das Auto nehme. «Ihre Kondition, sagen sie, sei schon viel besser.»

Deiss wirkt auch nach dem Sitzungsmarathon der letzten Woche sehr engagiert und energiegeladen. Das Amt und New York scheinen ihn mit Elan zu füllen.

Die Generalversammlung ist das Plenum der Weltorganisation, in dem alle 192 Mitgliedsstaaten unabhängig von ihrer Grösse und Macht eine gleichberechtigte Stimme haben.

Zu den Aufgaben des Präsidenten der Generalversammlung gehört die Gestaltung der Agenda, was in Zusammenarbeit mit einem Präsidial-Ausschuss erfolgt. Der Präsident kann auch selber Themen auf die Agenda setzen, die ihm wichtig sind.

Der Präsident leitet grundsätzlich die zweiwöchige Generaldebatte zum Sessionsauftakt und die Sondersitzungen, die im Verlauf des Jahres angesetzt werden können. Ist der Präsident verhindert, überträgt er die Sitzungsleitung einem seiner 21 Vizepräsidenten.

Zudem ist er in Zusammenarbeit mit UNO-Staaten, dem UNO-Generalsekretär, den Vorsitzenden der sechs GV-Unterausschüsse an der Erarbeitung von konsensfähigen Resolutionsentwürfen zu Themen beteiligt, die der Versammlung vorgelegt werden sollen.

Deiss arbeitet mit einem Kabinett, dem rund 20 Personen angehören, darunter 5 aus der Schweiz.

Das Amt ist ehrenamtlich. Deiss erhält kein Salär. Zur Unterstützung seiner Lebens- und Reisekosten hat die Schweizer Regierung ein Budget von 240‘000 Franken beschlossen.
Die Saläre seines Mitarbeiterstabs werden zum Teil von der UNO getragen, daneben vom Bund und anderen UNO-Staaten.

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