Kämpfer gegen die Hochpreisinsel Schweiz
Kaum hatte Preisüberwacher Werner Marti seinen Rücktritt angekündigt, sagten Vertreter der Wirtschaft und Rechtsbürgerliche: Die Schweiz braucht keinen Preisüberwacher mehr.
Der Preisüberwacher – ein europäisches Unikum – ist jedoch sehr populär und im Volk sowie in der Verfassung verankert.
«Ich habe Mühe mit dem Demokratieverständnis dieser Partei, die sich immer gerne auf das Volk beruft und bei der Preisüberwachung übersieht, wie stark diese im Volk verankert ist», sagt der abtretende Preisüberwacher Werner Marti im Gespräch mit swissinfo.
Damit reagiert Marti auf das Ansinnen der Schweizerischen Volkspartei (SVP), die Gelegenheit sei jetzt zu nutzen und der Preisüberwacher nicht zu ersetzen.
Die SVP hatte am Tag nach der Rücktrittserklärung Martis umgehend eine parlamentarische Initiative angekündigt.
Sprungbrett Preisüberwacher
Der Preisüberwacher ist in der Schweiz populär. Das Amt oft ein Sprungbrett für höhere Weihen: Martis Vorgänger war der jetzige Bundespräsident Joseph Deiss, der als Volkswirtschafts-Minister heute oberster Chef der Preisüberwachung ist.
Alt-Bundesrat Leon Schlumpf war vor seiner Zeit als Bundesrat ebenfalls Preisüberwacher. Der erste Preisüberwacher überhaupt – Leo Schürmann – hatte es immerhin zum Vizepräsidenten der Nationalbank, zum Generaldirektor der SRG und beinahe auch zum Bundesrat gebracht.
Die Preisüberwachung ist in der Verfassung verankert und ihre Abschaffung ausschliesslich per Volksabstimmung (inklusive Ständemehr) möglich.
Die Institution ist ein Unikum in Europa. Kein anderes europäisches Land kennt ein solches Amt. Der Wirtschaftsdachverband économiesuisse fordert seit Jahren, der «Sonderfall Preisüberwachung» sei abzuschaffen.
Schweiz bleibt eine Hochpreisinsel
Einzig ein funktionierender Markt führe zu mehr Wettbewerb und damit zu tieferen Preisen, argumentiert die Wirtschaft.
Preisüberwacher Marti wehrt sich: «Es ist falsch, wenn man sich über zu hohe Gebühren beklagt und auf der andern Seite den Preisüberwacher abschaffen will, welcher als einziger Regulator auf diesem Gebiet tätig ist.»
Die Preisüberwachung hat sich unter anderem erfolgreich gegen eine Gebührenerhöhung bei den Hausanschlüssen für das Telefon durchgesetzt.
Sie hat zudem höhere Kabelnetz-Gebühren rückgängig gemacht und der Post die Gebührenerhöhung zuerst verwehrt und in einer späteren Phase lediglich teilweise gestattet.
Erfolge kann die Preisüberwachung auch bei den Zahnarzttarifen, den Arzttarifen und einem Teil der Medikamentenpreise vorweisen. Die freien Notare mussten ihre Tarife nach unten korrigieren.
Dennoch bleibt die Schweiz eine Hochpreisinsel mit privaten Konsumausgaben, die je nach Studie zwischen 25 und 40 Prozent über dem europäischen Schnitt liegen.
Wettbewerb ist relativ
Preisüberwacher Marti stellt nach bald 8 Jahren im Amt generell fest, dass «das Problem Hochpreisland Schweiz anerkannt worden ist. Zu Beginn meiner Tätigkeit musste ich immer wieder dagegen ankämpfen, dass man diese Hochpreissituation als gottgegeben betrachtete.»
Kritiker – durchaus auch von linker Seite – werfen der Preisüberwachung vor, die Verfahren dauerten lange, die Resultate seien bescheiden. «Dort wo wir keine Erfolge verzeichnen können, sind die Preise die Folge politischer Entscheide», kontert Marti, der sich als sozialdemokratischer Nationalrat auch politisch betätigt.
Preise für Medikamente und Agrarprodukte sind staatlich reguliert. Markenartikel wie Designermöbel oder Jeans unterstehen dem Markenschutzgesetz. Bei den Haushalt- und Elektrogeräten sind Parallelimporte immer noch erschwert.
«Dies ermöglicht den internationalen Multis, im abgeschotteten Schweizer Markt höhere Preise zu erzielen als im Ausland», sagt Werner Marti und hält fest, dass die Preisüberwachung hier nicht zuständig sei:
«Wir sind dort zuständig, wo die Preise nicht Ergebnis eines wirksamen Wettbewerbs sind. Aber hier geht man davon aus, dass Wettbewerb herrscht.»
Am 1. April tritt das neue Kartellgesetz in Kraft, welches die heute noch gängigen Preisabsprachen verbietet und bestraft.
«Ich kann mir vorstellen, dass damit ein gewisser Preisdruck in jenen Bereichen entsteht, in denen der Wettbewerb nur mangelhaft spielt», sagt Marti und verweist auf sein Kerngeschäft, die behördlich verfügten Tarife und staatlichen Monopolsituationen.
Marti für sorgt mehr Wettbewerb in der Politik
In diesem Bereich kann der Preisüberwacher lediglich sensibilisieren, empfehlen und intervenieren. Ein Verfügungsrecht hat er nicht.
Seinem Nachfolger wünscht Marti deshalb, dass dessen Empfehlungen «eine bindendere Wirkung» zukommen, und «etwas mehr Personal in der mit 15 Stellen dotierten Preisüberwachung».
Es ist nun an seinem Vorgänger Volkswirtschafts-Minister Joseph Deiss, einen Nachfolger zu finden.
Werner Marti seinerseits sorgt nun in der Politik für mehr Wettbewerb: Er kandidiert gegen Hans-Jürg Fehr für das Präsidium der Sozialdemokratischen Partei.
Als Nationalrat will er künftig vermehrt auf der politische Ebene gegen die Hochpreisinsel Schweiz ankämpfen: «Während meiner Zeit als Preisüberwacher habe ich mich in diesem Bereich nicht engagiert. In Zukunft werde ich meine Zurückhaltung selbstverständlich ablegen.»
swissinfo, Andreas Keiser
Preisüberwacher Werner Marti will sich in Zukunft wieder vermehrt der Politik widmen.
Marti (46) ist seit 1991 Nationalrat. Von 1990 bis 1998 war er Glarner Regierungsrat.
Nun kandidiert Marti für das Präsidium der Sozialdemokratischen Partei. Daher gibt er sein Amt als Preisüberwacher auf.
Der Preisüberwacher hat ein 40-Prozent-Pensum und verdient 90’000 Franken im Jahr.
Die Schweiz bleibt – trotz Preisüberwachung seit 1982 – eine Hochpreisinsel.
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