Kampf gegen Rassismus ist möglich
Trotz ungutem Klima hat die UNO-Antirassismus-Konferenz den internationalen Konsens bekräftigt. Die Schlussdeklaration verlangt nach Verantwortung von jenen Staaten, die sie angenommen haben. Nicht alle Formen von Diskriminierung wurden berücksichtigt.
Es schien, als ob die Konferenz ein Misserfolg wird. Dass am Dienstag die Schlusserklärung der als «Durban II» bezeichneten Überprüfungskonferenz für bereits 2001 in Südafrika gefasste Beschlüsse gegen Rassendiskriminierung und Fremdenhass verabschiedet wurde, kommt deshalb einem kleinen Wunder gleich.
Trotz den Spannungen, welche die Vorbereitungen der Konferenz prägten, zeige die Deklaration auf, dass es immer möglich sei, einen internationalen Konsens zu einem sensiblen Thema zu erreichen. Das sagt Yves Lador, ein Genfer Menschenrechts-Berater.
Die politischen und geostrategischen Interessen der Staaten und regionalen Gruppen haben Dank intensiven Diskussionen über jedes Wort und jeden Paragraphen der Deklaration nicht zu einem verwässerten Text geführt.
Europäische Mobilisierung
«Diese Deklaration ist kein grosser Wurf, aber es ist ein guter Text, der wenigstens keinen Rückgang der Menschenrechte gutheisst», konstatiert Adrien-Claude Zoller. Der Direktor des Genfer Instituts für Menschenrechte nennt als Grund dafür die starke Mobilisierung der europäischen Staaten, darunter auch der Schweiz: «Dieses Mal hat die europäische Minderheit alles gegeben und mit letzter Kraft gekämpft.»
In die gleiche Richtung zielt auch die Nichtregierungs-Organisation Human Rights Watch, die am stärksten in die Konferenz und die Vorbereitungen einbezogen war.
«Die Gegnerschaft zwischen den westlichen und den muslimischen Ländern ist überwunden worden. Dieses Dokument vermittelt eine Botschaft der Einheit und Toleranz. Es beweist die Isolation des iranischen Präsidenten», unterstreicht Juliette Rivero, Direktorin des Genfer Büros von Human Rights Watch. Gemeint ist die hetzerische Rede von Mahmoud Ahmadinedschad zu Beginn der Konferenz.
Ein solides Dokument
«Dieser Text ist ein solides Dokument aus der Sicht des Kampfes gegen Rassismus. Es sollte folglich die Unterstützung jener Staaten erhalten, welche die Konferenz boykottiert haben», versichert Juliette Rivero.
«Die Deklaration stellt die Meinungsfreiheit ins Zentrum des Antirassismus-Kampfes. Der Antisemitismus ist eindeutig unhaltbar. Die Staaten werden klar aufgefordert, die Menschenrechte in Bezug auf Migranten und ‹Sans papiers› zu akzeptieren. 2001 war dieses Thema noch ein Tabu in Durban.»
Doch das ist nicht alles. «Die Regierungen werden aufgefordert, noch stärker gegen rechtsextreme Gruppierungen vorzugehen. Aufgerufen wird ferner dazu, die Integration von jungen Migranten voranzutreiben. Mehrere Paragraphen sind dem Schutz der Frauen oder den Hausangestellten gewidmet, weil ihre Rechte oft verletzt werden», stellt die Menschenrechts-Aktivistin fest.
Staatliches Engagement
Die Genfer Deklaration ist zwar nicht zwingend, aber mit der Annahme verpflichten sich die Regierungen, die Vereinbarungen auf nationaler Ebene umzusetzen. «Die NGOs könnten damit die Staaten zur Rechenschaft ziehen, ihre Versprechen einzuhalten», sagt Juliette Rivero.
Adrien-Claude Zoller verspricht sich eine Stärkung des Antirassismus-Komitees, eines der wichtigen Instrumente, die es erlauben, das Engagement der Regierungen zu beobachten.
Zahlreiche Frustrationen
Trotzdem: Die Genfer Deklaration enthält auch einige Lücken. Verschiedene Opfer-Gemeinschaften bleiben auf der Strecke – wie zum Beispiel die Homosexuellen oder die Unberührbaren in Indien und Japan, obwohl das Kastensystem in diesen Ländern offiziell abgeschafft wurde.
«Genau wie die Diffamierung der Religionen wird auch die Frage der Homosexuellen weiterhin durch autoritäre Regime missbraucht werden, um die westlichen Länder und deren ‹Sittenzerfall› anzuprangern», sagt Yves Lador.
Indem die westlichen Staaten umgekehrt weiterhin das Thema ‹Wiedergutmachung für die Sklaverei und Kolonialisierung› ablehnten, würden sie ihrerseits Frustrationen Vorschub leisten, die sich im Menschenrechtsrat oder andern internationalen Instanzen bemerkbar machten.
Die gleiche Feststellung könne man in Bezug auf den israelisch-palästinensischen Konflikt machen, der in der Deklaration auch keine Erwähnung findet, was von zahlreichen arabischen NGOs bereits bemängelt worden ist.
Zeichen der Öffnung
Die internationale Gemeinschaft wird also weiterhin sehr gespalten sein. Aber die ersten Schritte von US-Präsident Barack Obama, seine Zeichen der Öffnung in alle Richtungen könnten Entspannung bringen.
«Der amerikanische Präsident scheint entschlossen zu sein, im Nahen Osten bis in vier Jahren eine Friedenslösung zu finden durch die Schaffung eines existenzfähigen Palästinensischen Staates», sagt Yves Lador.
Die USA, die grossen Abwesenden an der Antirassismus-Konferenz in Genf, werden sich diesen Frühling als Kandidat für den Menschenrechtsrat einbringen, was das Kräfteverhältnis in dem Gremium ausgleichen wird.
swissinfo, Frédéric Burnand, Genf
(Übertragung aus dem Französischen: Peter Siegenthaler und Sandra Grizelj)
Die am Freitag abgeschlossene Durban-Überprüfungskonferenz habe dank dem im Konsens verabschiedeten Schlussdokument ein klares Zeichen für die Opfer von Rassismus gesetzt, teilte das Eidg. Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) mit. Die extremistischen Stimmen seien isoliert geblieben.
Auch die Eidg. Kommission gegen Rassismus (EKR) beurteilte die Konferenz «trotz der skandalösen Brandrede des iranischen Präsidenten» als erfolgreich.
Das Schlussdokument enthalte viele bedeutende Punkte, um die Opfer von Rassismus in Zukunft besser zu schützen und der Straflosigkeit von Rassismus entgegenzuwirken, so die EKR.
Wichtig sei, dass die Abschlusserklärung von der grossen Mehrheit der Staaten – 182 von 192 bei Abwesenheit von 10 Ländern – verabschiedet wurde, sagte der Leiter der Schweizer Delegation an der Konferenz, Dante Martinelli. Das Dokument entspreche den vom Bundesrat festgesetzten Leitlinien und bestätige wichtige Grundsätze.
Martinelli bedauerte jedoch, dass die Konferenz nicht die Einrichtung einer beim Hochkommissariat für Menschenrechte angesiedelten Rassismus-Überwachungstelle verabschiedet habe.
Nach Ansicht der EKR ist für die Schweiz ein verstärktes Engagement der Politik gegen Rassismus wie auch die Unterbindung rassistischer Hetze gegen ethnische Minderheiten von Bedeutung.
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