Katja Christ: «Beim E-Voting sind wir heute viel näher am Ziel»

Die grünliberale Nationalrätin Katja Christ setzt sich im Parlament auch für die Interessen der Schweizerinnen und Schweizer im Ausland ein. In unserem Fragebogen "Die Fünfte Schweiz im Bundeshaus" sagt sie, was sie dabei antreibt.
Katja Christ ist Rechtsanwältin in Basel und sitzt seit 2019 für die Grünliberale Partei im Nationalrat. Sie ist Vizepräsidentin ihrer Partei und zweite Vizepräsidentin des Nationalrats – womit sie voraussichtlich im Wahljahr 2027 Nationalratspräsidentin wird, also höchste Schweizerin. Die 53-Jährige ist verheiratet und hat zwei Kinder. Als ehemalige Turnier- und Showtänzerin geht Katja Christ ihrer Leidenschaft noch heute nach, im Takt von argentinischem Tango.
Die Fünfte Schweiz im Bundeshaus: Im Gegensatz zu Frankreich oder Italien, die ihren im Ausland lebenden Bürgerinnen und Bürgern Wahlkreise einräumen, haben die Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer keine direkte Vertretung unter der Bundeskuppel. Dies bedeutet jedoch nicht, dass ihre Interessen nicht berücksichtigt werden. Mehr als 60 Mitglieder von National- und Ständerat (von 246) sind in der parlamentarischen Freundschaftsgruppe «Auslandschweizer» versammelt. In jeder Sessionswoche lassen wir einen von ihnen in unserem neuen Format «Die Fünfte Schweiz im Bundeshaus» zu Wort kommen.
SWI swissinfo.ch: Was war für Sie das wichtigste Geschäft der Session bisher?
Katja Christ: Die Bundesratswahl diese Woche hat alles überstrahlt. Bei der Wahl von Herrn Pfister freute mich auch, dass sie wirklich sauber über die Bühne ging. Es gab keine Spielchen, das ist ein gutes Zeichen für die Demokratie, und wir konnten als Parlament gegenüber der Bevölkerung unsere Funktionsfähigkeit aufzeigen. Gerade in der aktuellen geopolitischen Lage, wo alles sehr unberechenbar ist, bewiesen wir Stabilität.
Es gab aber auch einen ersten Entscheid über die Individualbesteuerung, die für unsere Fraktion der Grünliberalen sehr wichtig ist. Zudem bin im Präsidium des Nationalrates. Dazu gehört, dass ich nun als zweite Vizepräsidentin teilweise die Sitzungsleitung übernehme, insbesondere bei der Beratung von Volksinitiativen.
Gab es auch spezifische Themen, die für die Auslandschweizer von Bedeutung sind?
Die Wahl von Martin Pfister in den Bundesrat ist auch eine Wahl im Sinne der Auslandschweizer-Organisation. Pfister ist offen, denkt über die Grenzen hinaus. Wir hoffen, dass er diese Haltung auch im Gesamtbundesrat einbringt.
In dieser Session fehlten ansonsten die grossen Geschäfte in Bezug auf die Fünfte Schweiz. Eines der wichtigsten Anliegen ist immer noch das E-Voting, schliesslich geht es dabei für viele um Partizipation, also ums Mitbestimmen und Mitwählen. Aktuell ist es aber nicht auf der Traktandenliste. Das gilt auch für unser Anliegen, Auslandschweizerinnen und Auslandschweizern in gewissen Fällen einen Zugang zu den Schweizer Krankenkassen möglich zu machen. Da finden derzeit eher Gespräche im Hintergrund statt. Und dann sind da natürlich die neuen Bilateralen Verträge mit der EU, eines der grossen Themen in der Wandelhalle und der kommenden Monate.
Ich persönlich hatte noch einen Vorstoss auf der Liste, bei dem es um die Anerkennung der französischen Pacs ging. Dafür reichte die Zeit im Nationalrat aber gerade nicht mehr. Die Motion kommt jetzt wohl im Mai in den Rat.
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Sie sind noch nicht sehr lange bei der Auslandschweizerorganisation. Was hat Sie dazu gebracht?
Wir haben in der GLP eine Auslandschweizer-Sektion gegründet. Ich bin in diesem Zusammenhang in Kontakt mit grünliberal denkenden Personen gekommen, die auf der Welt verteilt sind. Das sind Menschen, die in ihrem Umfeld im Ausland unsere Werte weitertragen. Mich hat das sehr beeindruckt und mir die Augen geöffnet, wie wichtig das ist.
Wie ist ihre persönliche Beziehung zur Fünften Schweiz?
Ich bin einerseits beruflich und in der Ausbildung viel herumgekommen. Aber noch stärker geprägt hat mich meine Herkunft. Ich wohne in Riehen bei Basel. Ich habe es näher zur deutschen und zur französischen Grenze als an den Stadtrand von Basel-Stadt. Erst die Coronazeit, als die Grenze mit Stacheldraht abgeschottet war, rief uns in Erinnerung, dass da vor der Haustür Landesgrenzen sind.
Gibt es in den für die Auslandschweizer wichtigen Dossiers Erfolge oder Rückschläge?
Es sind kleine Schritte, aber mit dem E-Voting sind wir heute wirklich schon sehr viel näher dran. Auch Basel-Stadt hat beim Pilotprojekt mitgemacht, und die Erfahrungen waren positiv. Ich hatte persönlichen Kontakt mit einigen Leuten, welche die Couverts mit den Wahl- und Abstimmungsunterlagen erst nach den Urnengängen erhalten haben. Wenn wir die Hürde nehmen wollen, dass diese Leute sich beteiligen können, dann braucht es nun möglichst rasch das E-Voting.
Wie sehen sie im Moment die Schweiz in der Welt?
Für unsere bescheidene Grösse haben wir immer noch eine beachtliche Reputation. Wir sind bekannt als Land für Forschung und Innovation. Wir stehen für eine starke Wirtschaft und vor allem für eine grosse Rechtssicherheit. Auch unsere Demokratie gibt uns grosses Ansehen.
Dennoch muss uns bewusst sein, dass niemand auf der Welt auf uns gewartet hat. Gerade in der neuen geo- und sicherheitspolitischen Situation müssen wir wettbewerbsfähig bleiben. Wir müssen noch stärker auf unsere eigene Wertschöpfung, auf unsere Forschung und Innovation setzen, denn wir haben in den letzten Jahren unterschätzt, was auf uns zukommt.
Wir haben keine seltenen Erden oder sonstige Bodenschätze anzubieten, wir haben nur unsere Fähigkeiten. Und gerade Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer zeigen oft beispielhaft auf, wie stark wir darin sind, sei es in Amerika, China oder sonst wo auf der Welt.
Editiert von Samuel Jaberg
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