«Keine politische Erpressung»
Sichtlich bewegt tritt Bundesrat Samuel Schmid am Mittwochnachmittag zur Begründung seines Rücktritts vor die Medienvertreter. Er verabschiedet sich kämpferisch.
Seine politischen Gegner haben offenbar bewirkt, dass der Verteidigungsminister nicht schon früher von seinem Amt zurückgetreten ist. «Politische Erpressung hat in diesem Land nichts zu suchen», meint er und spielt an auf den Druck seiner ehemaligen Partei, der Schweizerischen Volkspartei (SVP).
Diesem Druck dürfe man nicht nachgeben, habe er damals zusammen mit politischen Weggefährten beschlossen. Zudem sei er mindestens so nahe am Volk wie jene, die das immer behaupteten.
«Wann haben Sie die Entscheidung über Ihren Rücktritt getroffen?», lautet denn auch die erste Journalistenfrage. Überraschendes geschieht: «Bitte keine Fotos mehr», presst der Verteidigungsminister hinter seinem Taschentuch hervor. Seine Nase blutet und färbt sein weisses Hemd rot. – Die Medienkonferenz wird für eine Viertelstunde unterbrochen.
Die blutverdünnenden Medikamente, die er seit seinem Kreislaufproblem im Frühjahr einnehmen müsse seien für die kurzzeitige Unterbrechung verantwortlich, sagt Schmid dann, deutlich gefasster als zu Beginn der Veranstaltung.
Man müsse lernen, auf den Körper zu hören. Er mache seit 40 Jahren Politik und habe seither Arbeitszeiten, die auf keiner Stempelkarte abgedruckt würden.
Das Schicksal dürfe nicht so provoziert werden, bis man keine Wahl mehr habe. Heute habe er die Wahl. Sein Kreislaufproblem, die an und für sich banale Operation der Gallenblase, das seien alles Zeichen…
Auch politscher Entscheid
Der Rücktrittsentscheid sei aber auch ein politischer Entscheid gewesen. Denn die Belastung in diesem Herbst sei auch für seine Familie so massiv gewesen, dass er sich diese Gedanken konkret gemacht hätte.
Schmid war wegen verschiedener Armee-Unfälle und der Affäre um Armeechef Roland Nef in letzter Zeit massiv in der Kritik gestanden.
Aber er wollte unbedingt die Etappen des Rüstungsprogramms selbst durchziehen. Und nach dem deutlichen positiven Entscheid der nationalrätlichen Sicherheitspolitischen Kommission sei er zuversichtlich, dass dieses im Dezember im Parlament durchkomme.
Der politisch richtige Entscheid sei deshalb letzte Nacht gefallen. Und er nennt einen weiteren Grund für die Wahl des Rücktrittsdatums: «Ich wollte eine Frist, die es dem Parlament und den Parteien erlaubt, sich Gedanken über die Nachfolge zu machen.
Hätte er seine Entscheidung erst im Dezember bekannt gemacht, wäre ein Wechsel erst im Frühjahr 2009 möglich gewesen.
Positive Bilanz
Schmid blickt vor allem positiv auf sein Wirken in der Landesregierung zurück. So habe er vier Volksabstimmungen gewonnen, die Armee mit der grössten Reform seit Bestehen des Bundesstaates tiefgreifend umgeformt und mitgeholfen, dass sie trotz gewaltigen Reform- und Spardrucks alle ihre Aufträge erfüllen konnte.
Auch bei den Rüstungsprogrammen habe er bis auf das Transportflugzeug alle Rüstungsgüter durchgebracht.
Ein spezieller Höhepunkt sei das Jahr als Bundespräsident gewesen. Damals habe er mit den wichtigsten Präsidenten der Welt Kontakt gehabt.
Was Schmid nach seinem Rücktritt machen wird, beschäftigt ihn im Moment noch nicht. Er habe tausenderlei Interessen. Zudem habe er in einer Zeitung gelesen, dass er einen Hund erhalte, was wollen Sie denn mehr?», fragt er mit einem verschmitzten Lächeln.
Groll?
Hegt Schmid Groll gegen einzelne SVP-Parteiexponenten? «Nein, ich rechne nicht so ab. Wir qualifizieren und disqualifizieren uns in der Regel selber.»
Über einen möglichen Nachfolger will sich der Verteidigungsminister nicht äussern. Das sei Sache des Parlaments, nicht seine. Man müsse jedoch nach den Regeln der Konkordanz und der Kollegialität spielen. «Man braucht keinen Top Shot, der sich nicht ins Team einfügen kann».
Keine Sorgen um Eveline Widmer-Schlumpf
Über die Zukunft seiner Partei- und Amtskollegin Eveline Widmer-Schlumpf macht sich Schmid keine Sorgen. Sie sei eine erfahrene Politikerin.
Schliesslich sei auch er während drei Jahren im Bundesrat allein gewesen und nahm damit Bezug auf die für ihn schwierige Zeit mit Parteikollege Christoph Blocher. «Aber auch allein lässt es sich gut leben.»
swissinfo, Etienne Strebel
Geboren 1947, verheiratet, drei Söhne.
Studium der Rechte an der Universität Bern mit Abschluss als Fürsprecher (1973) und Notar (1978).
Nach kurzer Tätigkeit bei der eidgenössischen Finanz-verwaltung (1973) Eintritt in ein Anwaltsbüro in Bern.
Ab 1978 selbständiges Advokatur- und Notariatsbüro in Lyss. Ab 1998 Rechtskonsulent im Advokaturbüro Kellerhals & Partner in Bern.
Verschiedene Führungs-funktionen in Wirtschaft und Wirtschaftsverbänden.
Präsident des Bernischen Gewerbeverbands seit 1990; Vorstandsmitglied des Schweizerischen Gewerbeverbands seit 1991.
Beginn der politischen Karriere als Mitglied der Legislative und später der Exekutive in der Gemeinde Rüti bei Büren (BE).
Von 1982 bis 1993 Mitglied des Berner Kantonsparlaments.
Seit 1994 präsent in der nationalen Politszene, zuerst als Nationalrat (1994-1999), dann als Ständerat (1999-2000).
1998 bis 1999 Fraktionspräsident der Schweizerischen Volkspartei (SVP).
1998 bis 1999 Fraktions-präsident der Schweizerischen Volkspartei (SVP).
Am 6.12.2000 wird Schmid vom Parlament zum Bundesrat gewählt. Amtsantritt am 1.1.2001.
2005 ist er Bundespräsident. Ende 2008 tritt er nun zurück.
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