Kennedy-Mythen beflügeln Polit-Karriere eines Bankers
In der Schule las er eine Biographie über John F. Kennedy. Das weckte in Martin Landolt die Begeisterung für die Politik. Vor sechs Monaten wurde der 41-Jährige Glarner in den Nationalrat gewählt. Ein Porträt.
Martin Landolt ist Banker, Hobbyjäger und Hobbyfischer. Auf den ersten Blick wirkt er eher scheu. Dennoch spricht er wie einer, der es sich gewohnt ist, vor Publikum aufzutreten.
«Es ist wirklich ein spezielles Gefühl, vor vielen Leuten das Wort zu ergreifen, vor allem an der traditionellen Glarner Landsgemeinde», so Landolt. «Vor allem, wenn man beim Reden plötzlich ein einzelnes Gesicht in der Menge entdeckt, das eines prominenten Politikers.»
Landolt wurde 1998 auf der Liste der Schweizerischen Volkspartei (SVP) in das Glarner Kantonsparlament gewählt. 2008 trat er aus der SVP aus und gründete zusammen mit Parteifreunden die Sektion Glarus der Bürgerlich Demokratischen Partei (BDP). Am 8. Februar 2008 schaffte Landolt für die BDP den Sprung in den Nationalrat.
«Nach einigen Stunden brummten meine Ohren ob all dem Lärm», erinnert sich Landolt an seinen ersten Tag im Nationalratssaal in Bern. «Die Parlamentarier reden miteinander, telefonieren. laufen umher. Ich fühlte mich wie auf einem Bahnhof. Niemand hört den Rednern wirklich zu. Es ist eine andere Welt, als im Glarner Kantonsparlament.»
Austritt aus der SVP
Mittlerweile, sagt Landolt, habe er sich in den Parlamentsbetrieb in Bern eingelebt. Er habe schnell gemerkt, dass die wirkliche Arbeit in den Kommissionen und an den Fraktionssitzungen geleistet werde und nicht im Plenum.
Positiv überrascht habe ihn auch die Atmosphäre im Parlament: «Ich erwartete von linker und von rechter Seite aggressive politische Gegner.» – Landolt erinnert, dass seine BDP aus einer Kontroverse mit der rechtskonservativen SVP entstanden ist und dass er anstelle eines Sozialdemokraten in den Nationalrat gewählt wurde.
Dass er – nach langen Überlegungen – aus der SVP ausgetreten sei, habe vor allem mit dem politischen Stil dieser Partei zu tun. «Es genügt nicht, starke Worte zu gebrauchen, ohne Alternativen aufzuzeigen», sagt Landolt mit Blick auf die SVP.
Anreize für Umweltschutz
Als Politiker glaubt er an die Notwendigkeit von Kompromissen. Die Förderung erneuerbarer Energien hat er zuoberst auf seine politische Agenda gesetzt. Die Politik müsse Anreize schaffen und eine umweltfreundlichere Wirtschaft fördern, sagt er.
Landolt lehnt einen Beitritt der Schweiz zur Europäischen Union ab, solange der bilaterale Weg zum Erfolg führt, will das Thema jedoch von Zeit zu Zeit neu beurteilen. «Die EU entwickelt sich, und die Schweiz entwickelt sich auch.»
Vielfalt des Kantons repräsentieren
Seine persönlichen Ambitionen sind – mindestens in der jetzigen Situation – bescheiden. Landolt ist zufrieden mit seinem Leben als Banker in Zürich, als Politiker in Bern und als Vater. Daneben pflegt er seine Hobbies. «Es ist ein interessantes Leben, aber es kann auf die Dauer auch sehr schwierig werden, all dies unter einen Hut zu bringen.»
Als Bewohner einer Region, die von hohen Bergen umgeben ist und dennoch in Pendlerdistanz zur Metropole Zürich liegt, ist Landolt es sich gewohnt, von einer Welt in die andere zu wechseln. Er sagt, sein Auftrag sei es, die ganze Vielfalt seines Kantons zu vertreten. Eine Vielfalt, die von ländlich-konservativen Wählern bis zu einer aufgeschlosseneren städtischen Wählerschaft reicht. «Ich denke, dass ich ein perfektes Beispiel für einen Glarner bin.»
Kein Blatt vor den Mund nehmen
Von seiner äusseren Erscheinung her ist Landolt nicht eindeutig einzuordnen. Elegant gekleidet, hat er die gegerbte Gesichtshaut eines Naturburschen, den trainierten Körper eines Sportlers und die Zurückhaltung eines Bankers. Die kleine, nach oben gelierte Haartolle über seinen Augen verleiht ihm ein jungenhaftes Aussehen.
Er ist stolz, Schweizer zu sein, ohne, dass er sich auf die Rolle eines typischen Politikers festlegen wolle. Landolt fühlt sich Politkern nahe, die kein Blatt vor den Mund nehmen und ihren Prinzipien treu bleiben, statt nach Popularität zu streben. Als Beispiel nennt er drei Deutsche Politiker und – keine Überraschung, wie Kritiker sagen würden – Justizministerin Eveline Widmer-Schlumpf, die wie er der BDP angehört.
Sein Interesse für die Politik ist eng verbunden mit seiner Faszination für den Kennedy-Clan, «allen voran natürlich für JFK. Mich fasziniert nicht unbedingt seine Politik, aber sein Talent, die Leute zu erreichen, ihre Unterstützung zu gewinnen und ihren Enthusiasmus zu entfachen», fügt Landolt an.
Urs Geiser, swissinfo.ch
(Übertragung aus dem Englischen: Andreas Keiser)
Die Bürgerlich Demokratische Partei der Schweiz wurde im November 2008 gegründet.
Nachdem die SVP Graubünden aus der Mutterpartei ausgeschlossen worden war, spalteten sich auch andere Kantonal-Sektionen von der SVP ab.
Die Bündner hatten sich geweigert, Widmer-Schlumpf nach ihrer Wahl in den Bundesrat Ende 2007 aus der Partei auszuschliessen.
Im Nationalrat stellt die BDP seit den Wahlen im Kanton Glarus im Februar 2009 fünf Volksvertreter und hat damit Fraktionsstärke erreicht.
Der Berner Werner Luginbühl ist der einzige BDP-Vertreter im Ständerat.
Auf kantonaler Ebene ist die BDP in den Regierungen von Graubünden, Bern und Glarus mit insgesamt vier Mitgliedern vertreten In den drei Kantonen hat die BDP ausserdem 58 von landesweit 2628 Parlamentsmandaten.
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