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Kiffer hoffen auf Unterstützung im Parlament

In der Schweiz gibt es ungefähr eine halbe Million Cannabis-Raucher. Keystone

Cannabis dürfte diese Woche erneut Schlagzeilen machen, wenn das Parlament über eine Initiative zur Legalisierung der Droge berät.

Ende der 80er-Jahre hatte die Schweiz wegen ihrer liberalen Drogenpolitik auch im Ausland Aufsehen erregt. Mittlerweile hat sich die öffentliche Meinung geändert. Jüngste Studien über schädliche Wirkungen von Cannabis scheinen die Gegner einer Legalisierung zu stärken.

Nationalrat Geri Müller von der Grünen Partei und ältestes Mitglied des Komitees für die Volksinitiative ist überzeugt, dass der Kampf zugunsten der halluzinogenen Droge nicht verloren sei.

«Ich glaube, es gib eine breite Übereinstimmung, dass die aktuelle Situation unhaltbar ist. Die Abstimmung im Nationalrat dürfte knapp ausfallen.»

Laut Müller stehen viele der neu gewählte Parlamentarier, auch aus konservativen und rechtsgerichteten Parteien, für eine liberale Drogenpolitik ein.

Trotzdem haben sich drei der vier grossen Parteien im Nationalrat gegen die Initiative ausgesprochen. Nur die Sozialdemokraten sind dafür.

Legalisierung unter strengen Regeln

Die Volksinitiative, die im Januar 2006 mit über 106’000 Unterschriften zustande kam, will den Konsum von Cannabis unter strengen Regeln legalisieren. Der Handel mit dieser Droge würde aber nicht vollständig erlaubt, sondern durch die Behörden kontrolliert. Gegen illegale Händler soll gemäss der Initiative hart vorgegangen werden.

Für die Befürworter eines liberalen Umgangs mit Cannabis macht es keinen Sinn, die geschätzten 500’000 regelmässigen und gelegentlichen Konsumenten wie Kriminelle zu behandeln.

Öffentliche Meinung

Müller lässt sich weder von den wissenschaftlichen Studien, die die schädliche Wirkung des Cannabis-Konsums nachweisen, noch von einer veränderten öffentlichen Meinung der jungen Generation entmutigen.

«Die junge Generation ist von den Problemen Alkohol und Gewalt stärker betroffen. Das Thema Cannabis scheint an Bedeutung verloren zu haben, vor allem an den Schulen», sagt er.

Vor zehn Tagen hat das Jugendparlament die Initiative deutlich verworfen, mit der Begründung, sie setze für Teenager die falschen Signale. Junge Cannabis-Konsumenten könnten später von harten Drogen abhängig werden.

Unterschiedliche Beurteilung

Müller bezeichnet viele dieser Studien als «irrelevant». Die Wissenschafter seien sich in der Beurteilung von Cannabis auch untereinander nicht einig.

Eine Studie der Universität Zürich kam zum Schluss, dass Schizophrenie-Erkrankungen bei Cannabis-Konsumenten häufiger vorkomme. Andere Wissenschafter weisen darauf hin, dass durch regelmässiges Rauchen von Cannabis die Lunge Schaden nehmen könne.

Sicht der Experten

Drogenfachleute haben sich wiederholt für einen pragmatischen Umgang mit Cannabis und für einen Kompromiss zwischen individueller Verantwortlichkeit und den Bedürfnissen der Gesellschaft nach Recht und Ordnung ausgesprochen.

Die Fachstelle für Alkohol- und andere Drogenprobleme (SFA) in Lausanne befürwortet zwar eine Entkriminalisierung des Cannabis, die Initiative sei aber nicht der richtige Weg. «Zu viele Fragen sind unbeantwortet, besonders was den Anbau für den Eigenbedarf betrifft», sagt SFA-Sprecherin Monique Helfer.

Es sei nicht die Aufgabe des Instituts, junge Leute zum Kiffen zu ermutigen. Prävention sei ein Schlüsselelement der Drogenpolitik.

Unabhängig vom Ausgang der Nationalratsdebatte am Mittwoch, wird auch der Ständerat noch darüber befinden müssen, bevor die Initiative dem Stimmvolk vorgelegt wird. Ein Abstimmungsdatum ist noch nicht bestimmt.

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Volksinitiative

Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht Die Volksinitiative erlaubt den Bürgerinnen und Bürgern, eine Änderung in der Bundesverfassung vorzuschlagen. Damit sie zu Stande kommt, müssen innerhalb von 18 Monaten 100’000 gültige Unterschriften bei der Bundeskanzlei eingereicht werden. Darauf kommt die Vorlage ins Parlament. Dieses kann eine Initiative direkt annehmen, sie ablehnen oder ihr einen Gegenvorschlag entgegenstellen. Zu einer Volksabstimmung kommt es…

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4-Säulen-Strategie im Gesetz verankern

Während der dreiwöchigen Wintersession wird das Parlament mit der Revision des Betäubungsmittelgesetzes fortfahren. Das Hauptziel dabei ist es, die 4-Säulen-Strategie der Regierung «Repression, Prävention, Therapie und Schadensminderung» im Gesetz zu verankern.

Die Schweiz sorgte in den späten 80er-Jahren und Anfang der 90er-Jahre wegen der offenen Drogenszenen in einigen Städten für internationale Aufmerksamkeit.

Die Wähler lehnten danach verschiedene Initiativen ab, welche die offizielle Drogenpolitik verschärfen oder im Gegenteil abschwächen wollten. Einen Vorschlag der Regierung zur Legalisierung des Cannabis hat das Parlament 2004 abgelehnt.

swissinfo, Urs Geiser
(Übertragung aus dem Englischen: Peter Siegenthaler)

Im Januar 2006 reichte ein Komitee eine Volksinitiative mit 106’000 Unterschriften zur Legalisierung des Konsums von Cannabis ein.

Das Parlament debattiert in der laufenden Wintersession über das Volksbegehren. Die Landesregierung lehnt die Initiative ab.

Die Schweizer Wählerinnen und Wähler werden das letzte Wort haben. Wann die Initiative zur Abstimmung kommt, ist noch nicht bekannt.

2004 hat das Parlament einen ähnlichen Vorschlag der Regierung abgelehnt, den Hanfkonsum zu entkriminalisieren.

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