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Klares Signal an reiche Steuerpflichtige in USA

"Das Aus für die Rolle, welche die UBS als Vehikel für reiche Amerikaner spielte". Keystone

Mit dem Vergleich zwischen den USA und der Schweiz im UBS-Steuerstreit haben beide Seiten das Gesicht wahren können und erhalten, was ihnen am wichtigsten war. Das sagt John Coffee, Rechtsprofessor an der Columbia University in New York.

«Ziel dieser Untersuchung war nicht in erster Linie die UBS. Im Visier haben die Steuerbehörden (Internal Revenue Service, IRS, die Red.) die amerikanischen Steuerzahler, die Geld am Fiskus vorbeischleusen», erklärt Coffee im Gespräch mit swissinfo.ch in New York.

«Die Botschaft an mutmassliche Steuersünder ist klar: Die Zeit der Steuerhinterziehung mit Hilfe von Konten im Ausland geht zu Ende, niemand ist mehr sicher. Wer einer Strafverfolgung entgehen will, soll sich rasch und selber beim IRS anzeigen.»

Souveränität und Namen

Mit dem erzielten Vergleich konnten beide Seiten ihre wichtigsten Anliegen retten: «Für die Schweiz ging es darum, ihre Souveränität und damit den Respekt für ihre Rechtsprechung, das Bankgeheimnis, zu bewahren.»

Auch wenn er persönlich, sagt Coffee in einem Einschub, die im Schweizer Recht geltende Unterscheidung zwischen Steuerbetrug und Steuerhinterziehung etwas dünn finde.

«Die USA kommen mit dem Vergleich an Tausende von Namen von mutmasslichen Steuerbetrügern, die schätzungsweise 15 Mrd. Dollar vor dem Fiskus versteckt haben. Und an ein Prozedere, die Namen zu erhalten. Dem IRS ging es immer um die Identität mutmasslicher Betrüger. Eine hohe Geldstrafe für die UBS stand nie im Zentrum der Bemühungen.»

Am Anfang stand Birkenfeld

Auf die Frage, weshalb denn ausgerechnet die UBS mit einer Klage konfrontiert worden sei, verweist der Professor auf den ehemaligen UBS-Private-Banker Bradley Birkenfeld, der den US-Behörden 2008 ins Netz gegangen war und sich zur Kooperation entschied, was sein Strafmass, das am Freitag bekannt werden soll, verringern wird. «Birkenfeld gab den Behörden, was sie brauchten», sagt Coffee.

Aufgrund der Aussagen von Birkenfeld kamen die US-Behörden an derart viele Informationen, dass sie detailliert Einsicht erhielten in die Art und Weise, wie Gelder am US-Fiskus vorbeigeschleust wurden.

Als die UBS schliesslich im Februar 2009 im Rahmen einer ersten Klage eingestehen musste, dass sie gegen US-Recht verstossen hatte, eröffneten sich den USA weitere Tore, und sie doppelten mit der Klage um Offenlegung der Daten von 52’000 UBS-Kunden nach.

Nach einer Verfügung der Schweizerischen Finanzmarktaufsicht hatte die UBS im Februar den USA Bank-Daten von rund 270 Kunden übermitteln müssen, die des Steuerbetrugs verdächtigt wurden. Zudem musste die Bank in den USA eine Busse von 841 Mio. Franken bezahlen.

Druck verstärken

«Mit dem nun erzielten Vergleich können die US-Steuerbehörden ihren Druck auf mutmassliche Steuerbetrüger aufrechterhalten und verstärken. Das Programm zur Selbstanzeige beim IRS, mit dem Steuersünder mit geringeren Strafen rechnen können, läuft noch bis zum 23. September.»

Die Steuerbehörden hofften, dass sich in den kommenden Wochen noch möglichst viele Steuersünder freiwillig anzeigen würden, sagt Coffee. Er rechnet damit, dass die Zahl wahrscheinlich bei etwa 5000 liegen werde.

Denn sie müssten damit rechnen, unter die 4450 Namen zu fallen, welche die USA im Rahmen des Vergleichs von der UBS erhalten werden. «Das Risiko einer Strafverfolgung mit happigen Strafen werden wohl zahlreiche weitere Konteninhaber nicht auf sich nehmen wollen.» Nicht zuletzt, weil die Kriterien, auf denen die Offenlegung der Namen basiert, geheim gehalten werden. «Niemand kann sich in Sicherheit wiegen.»

Schlagzeilenträchtige Fälle

Zudem dürften die US-Behörden in den kommenden Wochen den Druck weiter aufbauen, sagt Coffee unter Hinweis auf die bereits angelaufenen strafrechtlichen Ermittlungen gegen mutmassliche Steuersünder.

Vier UBS-Kunden haben sich vor Gericht bereits schuldig erklärt, weitere Ermittlungen gegen rund 150 Kunden sind im Gang. «Ich denke, wir können in den Wochen bis zum 23. September noch mit einigen Fällen rechnen, die Schlagzeilen machen werden.»

Der Druck, auf säumige Steuerzahler, sich selber anzuzeigen, werde weiter Wirkung zeigen, ist Coffee überzeugt. Für die US-Behörden sei die Strategie, Steuersünder zur Selbstdeklaration zu bewegen, zudem auch ein kosteneffektiver Weg, ihre Ziele zu erreichen: «Druck statt Strafverfolgung», die Behörden hätten gelernt, diesen Weg clever für ihre Ziele zu nutzen.

Die Steuerabteilung des Justizministeriums habe auch nicht die notwendigen Kapazitäten, Tausende von Strafverfolgungen pro Jahr durchzuführen. Und zudem die Aufgabe, auch völlig anders gelagerte Steuerdelikte zu verfolgen.

Auswirkungen in Zukunft

Die US-Steuerbehörden hätten mit dem Vergleich erhalten, was sie wollten. Und zwar auch für künftige weitere Ermittlungen. Anders als die Schweizer Behörden, denkt der Rechtsprofessor.

Das Abkommen werde dem IRS «als Vorlage dienen, wie die Behörde auch im Fall von anderen Banken vorgehen wird, sind diese in der Schweiz oder in anderen Ländern.»

Coffee verweist nochmals auf die bereits erfolgten Verurteilungen und auf die Fülle an Informationen, an welche die US-Behörden damit gelangten. «Wenn die Steuerbehörden an weitere Namen von Banken kommen, werden sie wissen, wie sie unter Nutzung eines ähnlichen Prozederes Steuersünder auffliegen lassen können.»

Der Vergleich, sagt Coffee, richte zudem nicht nur ein starkes Signal an amerikanische Steuersünder, sondern auch an andere Banken und Finanzinstitutionen: «Wer bei Verstössen ertappt wird, ist gut beraten, sich möglichst rasch mit den US-Behörden zu einigen, um den Schaden für das Unternehmen möglichst gering zu halten.»

Den Imageschaden für die UBS durch den andauernden Rechtsstreit und die damit verbundenen, wiederkehrenden Schlagzeilen schätzt Coffee als gross ein. Der Geschäftsbereich Vermögensverwaltung habe Schaden genommen.

«Der Vergleich», fasst Coffee zusammen, «bedeutet wohl das Aus für die Rolle, welche die UBS als Vehikel für reiche Amerikaner spielte, die Vermögenswerte im Ausland platzieren konnten.»

Rita Emch, New York, swissinfo.ch

Im Mai 2008 war den US-Behörden ein Fisch ins Netz gegangen, auf den sie lange gewartet hatten: Eine Untersuchung der Steuerbehörde IRS zu den Aktivitäten des Immobilienhändlers Igor Olenicoff trug den Ermittlern den Namen seines Privatbankiers Bradley Birkenfeld ein.

Im Februar 2009 hatte sich die UBS in einem strafrechtlichen Verfahren danach ein erstes Mal dem Druck der US-Behörden beugen müssen. Die Bank übergab den USA Daten von rund 250 Kunden. Zudem zahlte sie eine Strafe von 841 Mio. Franken.

Danach doppelten die US-Behörden mit der nun mit dem Vergleich geregelten Zivilklage nach. Sie verlangen von der UBS Angaben zu 52’000 Konten, deren Besitzer der Steuer-Hinterziehung verdächtigt werden.

Die Schweiz hatte sich mit dem Argument, eine Herausgabe der Daten verstosse gegen Schweizer Recht, gegen die Klage gewehrt. Schliesslich einigten sich die Regierungen der beiden Staaten im Juli darauf, eine aussergerichtliche Einigung zu suchen.

Am 31. Juli traf Aussenministerin Micheline Calmy-Rey in Washington mit ihrer US-Amtskollegin Hillary Clinton zusammen. Dabei ging es unter anderem um den Rechtsstreit.

Am 12. August stand der Vergleich. Details bleiben vorerst unter Verschluss.

Am 19. August wird der aussergerichtliche Vergleich in Washington unterzeichnet und tritt gleichentags in Kraft. Er sieht vor, dass die USA ein Amtshilfegesuch für die Herausgabe von rund 4450 Konten stellen und die Schweiz dieses innert eines Jahres bearbeiten muss.

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