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Kleinere Armee – Bewahrer gehen auf Barrikaden

Rekruten sollen in der Armee XXI länger ausgebildet werden. Avec Armée XXI, la durée du service militaire sera moins longue.

Die Schweizer Armee soll kleiner, flexibler, moderner werden. Dies will die Regierung mit einer tiefgreifenden Reform erreichen: Mit der Armee XXI.

Ein Bürgerkomitee hat dagegen das Referendum ergriffen. Es befürchtet eine Annäherung an die NATO und eine Gefahr für die Unabhängigkeit.

Die heutige Schweizer Armee, die «Armee 95», zählt rund 350’000 Angehörige. Zu viel, fanden Parlament und Regierung und schlugen eine Änderung des Militärgesetzes vor.

Denn die sicherheitspolitische Lage, die Bedrohungen und Gefahren für die Schweiz hätten sich seit dem Ende des kalten Krieges grundlegend verändert. Die Grösse einer Armee sei heute weniger wichtig, vielmehr müsse auf bessere Ausbildung und Ausrüstung gesetzt werden.

Auf Diät

Die Armee XXI (Armee 21) zählt daher nur noch 140’000 Aktive und 80’000 Reservisten, total 220’000 Angehörige. Die Dauer der Rekrutenschule hingegen wird von 15 auf 18 bis 21 Wochen erhöht, je nach Truppengattung.

Entlassen werden Dienstleistende wesentlich früher als bisher. Während derzeit Soldaten und Unteroffiziere mit 42 Jahren austreten, sollen sie in der Armee XXI schon mit 30, spätestens 34 den Dienst quittieren.

Zentraler Auftrag der Armee aber bleibt auch gemäss revidiertem Militärgesetz die Verteidigung des Landes. Die Überführung in die Armee XXI soll innert zweier Jahre erfolgen. Vorgesehen ist, dass die Armee XXI im Jahr 2005 wie geplant steht.

«Armee 95» hat ausgedient

Schon früh habe man erkannt, dass die «Armee 95» nicht lange Bestand haben werde, heisst es aus Armeekreisen. Ein schlechtes Ausbildungsniveau und unbefriedigende Kaderlaufbahnen hätten unter anderem eine baldige Reform nötig gemacht.

«Wir genügen heute mit der Armee 95 in verschiedenen Bereichen nicht mehr», sagt auch CVP-Nationalrat Josef Leu, Präsident der nationalrätlichen Sicherheitskommission, gegenüber swissinfo.

Die neue Armee müsse drei Aufgaben erfüllen: Raumsicherung und Verteidigung, Friedensförderung im internationalen Rahmen und Existenzsicherung.

Sicherheit in Gefahr?

Georg Ober-Kassebaum, Vizepräsident des «Bürgerkomitees für eine unabhängige und leistungsfähige Milizarmee in einer sicheren und neutralen Schweiz», ist ganz anderer Meinung. Der Oberstleutnant im Generalstab fürchtet um die äussere und innere Sicherheit der Schweiz.

«Die Armee XXI entspricht nicht mehr den Bedrohungen, wie wir sie in den letzten 15 Monaten erfahren haben. Offensichtlich gibt sie es auf, das Land zu verteidigen und damit auch die Neutralität sicher zu stellen.»

Nationalrat Leu kontert: «Was hat das mit Neutralitätswidrigkeit zu tun, sich für Stabilität und Frieden in Europa zu engagieren? Zum Zweiten: Die Verteidigungsfähigkeit wird aufrecht erhalten, die Kompetenz und die Ausbildung diesbezüglich auch.»

Einzig bezüglich Bereitschaft würde auf einem tieferen Niveau gefahren, räumt Leu ein.

Schweiz bald in der NATO?

Und an diesem Punkt hakt das Referendumskomitee ein: Wenn sich die Schweiz nicht mehr aus dem Stand verteidigen könne, drohe eine gefährliche Abhängigkeit, so die Argumentation. Ober-Kassebaum: «Wir haben Verträge mit der NATO unterschrieben, die der Bundesrat nicht offen legen will.»

Doch dieser Folgerung widerspricht Leu vehement: «Es ist von allen Stellen immer wieder und aufs Neue erklärt worden, dass wir nicht in die NATO wollen. Das ist und bleibt vorderhand so.»

Dass die Armee XXI ihre Ausbildung enger mit derjenigen der NATO koordiniere, sei schliesslich «im Interesse der Sicherheit des gesamten Einsatzraumes. Speziell auch im Interesse der eigenen Bevölkerung», so Leu.

Berufs-Soldaten gegen Miliz-Prinzip

Ein weiterer Punkt, den das Referendumskomitee bemängelt, betrifft die Berufs-Offiziere. Hier herrsche die Gefahr einer neuen gesellschaftlichen «Kaste». Ober-Kassebaum fürchtet, dass die Armee elitär wird: «Sie wird geführt von Leuten, die immer mehr in ihrem engen sozialen Gehäuse des Berufsmilitärs sind, mit einer eingeschränkten Sichtweise.»

Dies versucht Leu zu entkräften. Er habe den Eindruck gewonnen, «dass gerade dem Milizgedanken im neuen Militärgesetz vermehrt Beachtung geschenkt wird. Es wird sogar im Gesetz festgehalten, dass ein ausgewogener Anteil Milizoffiziere in allen Stäben vertreten sein muss.»

Bei der Vorlage handelt es sich um eine Gesetzesrevision, respektive ein Referendum dagegen. Daher ist am 18. Mai 2003 nur die Anzahl der Stimmen ausschlaggebend.

swissinfo, Christian Raaflaub

Die Schweizer Armee soll um einen Drittel verkleinert und in ihrem Aufbau vereinfacht werden. Das Militärgesetz soll dementsprechend geändert werden.

Beide Parlamentskammern unterstützen die Reform, der Ständerat einstimmig.

Das «Bürgerkomitee für eine unabhängige und leistungsfähige Milizarmee in einer sicheren und neutralen Schweiz» hat dagegen das Referendum ergriffen. Es befürchtet, dass die Armee XXI nicht der aktuellen Bedrohungslage entspricht.

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