Klimaschutz: Schweiz zieht durchzogene Bilanz
In Buenos Aires ist die 10. UNO-Klimakonferenz zu Ende gegangen. Bundesrat Moritz Leuenberger zieht gegenüber swissinfo Bilanz.
Leuenberger, der die Schweizer Delegation in Buenos Aires seit Mittwoch leitete, zeigte sich leicht verärgert über die Haltung der USA.
swissinfo: Herr Bundesrat, welche Bilanz ziehen Sie aus der Konferenz?
Moritz Leuenberger: Wir als Schweiz sind an der Thematik ganz besonders interessiert, weil die Klimaveränderung die Schweiz mehr trifft als andere Länder. Wir spüren das zum Beispiel bei den schmelzenden Gletschern – das bereitet uns wirtschaftlich, im Tourismus, unheimliche Schwierigkeiten.
Von da her ist eine Weltkonferenz zu dem Thema an und für sich schon gut. Wir haben über das Kyoto-Protokoll gesprochen, das im Februar in Kraft tritt. Es ging darum, die Details zu regeln. Das ist gelungen – das ist positiv.
Bei der Frage, was nach 2012 passieren soll, sind die Meinungen allerdings geteilt. Die USA, die OPEC-Länder oder Indien sträuben sich dagegen, dass dieser zweite Schritt jetzt schon angegangen wird. Wir möchten das alles in einem Seminar vorbereiten, die USA wollen das nicht.
swissinfo: Ist das Kyoto-Protokoll nicht nutzlos, wenn der grösste Verursacher des wichtigsten Treibhausgases CO2, die USA, sich weigert mitzumachen?
M.L.: Mir ist ein Scheitern in der Frage des zweiten Schrittes lieber als ein Scheinkompromiss. Natürlich hoffe ich immer auf einen richtigen Kompromiss. Aber wenn keiner zustande kommt, wissen wir wenigstens, wo die Fronten durchgehen.
swissinfo: Die Internationale Energie-Agentur (IEA) und das Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL) befürchten, dass die Schweiz ihr achtprozentiges CO2-Reduktionsziel nicht erreichen wird. Muss die Schweiz ihre Energiepolitik ändern?
M. L.: Wir haben jetzt ja eine Vorlage für die Einführung der CO2-Abgabe allenfalls im Verkehrsbereich plus einen Klimarappen in der Vernehmlassung (Konsultations-Verfahren). Bundesrat und Parlament müssen nachher über diese Frage entscheiden.
Wir sind klar der Meinung, es braucht eine CO2-Abgabe. Und ich muss sagen, selbst mit der CO2-Abgabe ist es möglich, dass im Verkehrsbereich das Ziel vielleicht nicht erreicht wird. Aber wenn wir eine CO2-Abgabe einführen, ist das schon ein grosser Schritt, den wir nicht verachten dürfen. Wir können deswegen nicht sagen, wir machen jetzt gar nichts, das wäre die viel schlimmere Lösung.
swissinfo: Reichen denn die geplanten Massnahmen?
M.L.: Im Industriebereich wird es reichen. Fraglich ist es im Verkehrsbereich. Und hier versuchen wir, die optimalste Lösung zu erreichen. Aber wenn ich sehe, dass bereits diese optimalste Lösung vehement umstritten ist, dann wird es schwierig. Aber ich bin Politiker, und da muss man das umsetzen, was man kann.
swissinfo: Nach Ansicht der Schweiz ist die Teilnahme der Entwicklungsländer im nächsten Verpflichtungszeitraum, d. h. nach 2012, unumgänglich. Konnten Sie das an der Konferenz einbringen?
M.L.: Darüber wurde gesprochen. Das ist unsere dezidierte Auffassung. Nicht der Einbezug aller Entwicklungsländer, sondern derjenigen, die zu den starken CO2-Produzenten gehören. Nach unseren Berechnungen würde im Jahr 2015 etwa die Hälfte der CO2-Produktion aus Entwicklungsländern stammen. Deswegen müssen sie einbezogen werden.
swissinfo: Der argentinische Präsident Nestor Kirchner warf den reichen Ländern vor, Geldschulden bei den Armen unerbittlich einzutreiben, für die eigenen Umweltsünden aber nichts bezahlen zu wollen. Diese «doppelte Moral» sei inakzeptabel. Eine berechtigte Kritik?
M.L.: Pauschal ist sie nicht berechtigt, aber in einzelnen Fällen trifft sie zu. Die Schweiz verurteilt, dass die USA nicht bereit sind, das Kyoto-Protokoll zu ratifizieren. Würden die USA die Ziele auch ohne Ratifizierung des Protokolls erreichen wollen, dann könnten wir sagen, o.k. Aber wir haben nicht einmal diese Anzeichen dafür. Deshalb ist die Kritik an den USA berechtigt.
swissinfo: Am Donnerstag haben Sie an der Konferenz ein Rundtischgespräch über neue Technologien zum Kampf gegen Klimaänderungen geleitet. Hat das Gespräch etwas gebracht? Und was kann die Schweiz in diesem Bereich anbieten?
M.L.: Positiv war, dass die 23 Länder, die daran teilnahmen, alle sagten, dass ein Klimawandel stattfindet und dieser auf die CO2-Emissionen zurückzuführen ist. In unserem eigenen Land ist das in gewissen Kreisen immer noch umstritten. Hier konnte festgestellt werden, dass immerhin ein weltweites Umdenken und ein weltweiter Konsens eingesetzt haben.
Die Schweiz kann ihre Verkehrspolitik einbringen, zum Beispiel die Besteuerung von Lastwagen je nach Höhe ihrer Emissionen. Dies wird von anderen Ländern sehr interessiert zur Kenntnis genommen und zum Teil auch übernommen.
swissinfo-Interview: Jean-Michel Berthoud
Am Klima-Gipfel in Buenos Aires wurde das zehnjährige Bestehen der UNO-Klimakonvention gefeiert.
16. Februar 2005: Das Kyoto-Protokoll tritt in Kraft.
Mit der Ratifizierung des Protokolls verpflichten sich die Industriestaaten, ihre Treibhausgas-Emissionen bis 2012 um durchschnittlich 5,2% gegenüber 1990 zu reduzieren.
Die Schweiz und die EU haben sich auf eine Reduktion um 8% verpflichtet.
Das CO2-Gesetz ist Kernstück der schweizerischen Klimapolitik, mit welcher die Schweiz auf die Erwärmung der Atmosphäre reagiert. Es wurde auf den 1. Mai 2000 in Kraft gesetzt.
Mit dem CO2-Gesetz legt die Schweiz verbindliche Ziele für die Reduktion des wichtigsten Treibhausgases CO2 fest.
Es dient damit auch der Umsetzung der internationalen Verpflichtungen, welche die Schweiz mit der internationalen Klimakonvention zusammen mit 180 weiteren Staaten eingegangen ist.
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