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Kosovo: Respekt vor der Aufgabe

Die Sachen für die Mission im Kosovo sind gepackt. Keystone

Vor Jahren noch kaum vorstellbar, sind die internationalen Einsätze der Schweizer Armee fast zur Normalität geworden. Am Mittwoch traf das 10. Kontingent der Swisscoy im Kosovo ein.

Überschattet wird die jüngste Mission vom schwersten Gewaltausbruch in der Provinz seit 1999.

Zwar hat sich die Lage seit den Unruhen von Mitte März wieder etwas beruhigt. Doch die unsichere politische Perspektive erschwert die ohnehin tristen Lebensumstände der Menschen im Kosovo weiter.

Das erhoffte friedliche Zusammenleben von Serben und Albanern blieb bisher Utopie; die Serben-Enklaven müssen von den internationalen Truppen bewacht werden.

Sicherheits-Vorkehrungen verstärkt

Nach den Unruhen von Mitte März wurden die KFOR-Truppen aufgestockt. Zudem ermächtigte die UNO die KFOR, den Frieden mit Gewalt wieder herzustellen. Auch bei der Swisscoy wurden die Sicherheits-Vorkehrungen verschärft.

Die Männer und Frauen des 10. Kontingents der Swisscoy, das am Mittwoch zu seinem Einsatz im Kosovo eintraf, waren in den letzten Wochen der Ausbildung in Stans (Nidwalden), als es zu den erwähnten Gewaltausbrüchen kam.

«Allen wurde schlagartig bewusst, dass die relative Ruhe der vergangenen Jahre im Kosovo trügerisch war, dass es unter der Oberfläche brodelt», erklärt Adrian Baumgartner, der Chef Kommunikation Kompetenz-Zentrum Swissint im Departement für Verteidigung (VBS), gegenüber swissinfo.

Sicher hätten etliche ein etwas mulmiges Gefühl gehabt, ausgestiegen sei aber niemand. «Ich denke, dass der Respekt vor der Aufgabe angesichts des jüngsten Gewaltausbruchs gestiegen ist.»

Ausbildung auf schlimmsten Fall ausgerichtet

Die Ausbildung musste nicht angepasst werden, weil sie sowieso auf den schlimmsten Fall, den Ernstfall, ausgerichtet ist, wie Baumgartner erklärt. Zur Einschätzung der Gefahr im Kosovo sagt er: «Die jüngsten Ereignisse haben gezeigt, dass die Situation nicht einfach einzuschätzen ist.»

Wichtig sei, dass alle aufmerksam blieben, dass die Sicherheitsvorkehrungen und Regeln rigoros eingehalten würden, dass man sich nicht in falscher Ruhe wiege und kein Schlendrian Einzug halte. Denn dies könnte fatale Folgen haben.

Und was passiert, wenn sich die Lage im Kosovo weiter verschärft? «Die Schweiz ist mit der Swisscoy Bestandteil des internationalen Konzeptes und kann sich nicht einfach so aus dem Staub machen. Wir sind alle voneinander abhängig», so Baumgartner. Ein Rückzug im Alleingang sei also kein Thema.

Seit 1999 im Einsatz

Seit 1999 unterstützt die Schweizer Armee mit der Swisscoy die internationalen Friedens-Truppen im Kosovo (KFOR). Die ersten Missionen erfolgten noch unbewaffnet. Eine Volksabstimmung über die Änderung des Militärgesetzes machte dann im Jahr 2001 den Weg frei für die Bewaffnung der Truppen zum Selbstschutz.

Dass Schweizer Soldaten im Ausland Waffen tragen, war wegen der Schweizer Neutralität bis zu dem Zeitpunkt völlig undenkbar. Schweizer nahmen an multinationalen Operationen nur als UNO-Militärbeobachter, als medizinisches Personal bei UNO-Operationen oder als Gelbmützen für die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) teil.

Mit der Swisscoy hatte die neutrale Schweiz aber schon vor dem Volksentscheid von 2001 eine Nische gefunden, die ihr erlaubte, sich an der KFOR-Friedensmission zu beteiligen.

Neue Bedrohungslagen

Die neuen weltweiten Bedrohungslagen stellen die Schweizer Armee vor neue Herausforderungen. Auch die Schweiz kann sich angesichts der neuen Gefahren wie Terrorismus oder Verbreitung von Massenvernichtungs-Waffen nicht mehr allein verteidigen.

Für den Chef der Armee, Christophe Keckeis, ist klar, dass sich die Schweizer Armee der EU und der NATO weiter annähern müsste, wie er in den vergangenen Monaten wiederholt erklärte.

Obschon nicht Mitglied der NATO, will sich die Schweizer Armee XXI gemäss dem Grundsatz «Sicherheit durch Kooperation» in Zukunft noch stärker an der internationalen Friedensunterstützung beteiligen. Mit dem neuen Militärgesetz und der Armee XXI reagierte die Schweiz auf die Veränderungen nach dem Kalten Krieg.

Sparmassnahmen bedrohen Fortsetzung

Der Swisscoy-Einsatz gibt der Schweiz die Möglichkeit zu Erfahrungen und Kontakten im internationalen Rahmen. Allerdings ist die Fortsetzung der Mission über 2005 hinaus nicht zuletzt aus Spargründen bedroht.

«Eine Streichung dieses Engagements wäre ausserordentlich problematisch», erklärte Andreas Wenger, Leiter der ETH-Forschungsstelle für Sicherheits-Politik, jüngst gegenüber swissinfo.

Die Verteidigungslinie der europäischen Staaten werde immer weiter entfernt liegen. Militärische Friedenseinsätze seien daher Bestandteil einer modernen Verteidigung, begründete Wenger seine Einschätzung. «Für die Schweizer Militärs sind diese Einsätze fast die einzige Möglichkeit, die internationale Kooperation einzuüben.»

swissinfo, Rita Emch

10. Swisscoy-Kontingent
182 Männer
17 Frauen
Swisscoy-Kommandant: Oberstleutnant im GSt. Fredy Keller
Kompagnie-Kommandant: Major Roman Blöchlinger

Mit dem Militär-Kontingent Swisscoy beteiligt sich die Schweiz seit 1999 an der internationalen Friedensmission im Kosovo (KFOR) und leistet so einen Beitrag zur Stabilisierung der Region.

Nach den Unruhen von Mitte März wurden die NATO-Truppen der KFOR aufgestockt. Zudem ermächtigte die UNO die KFOR, den Frieden mit Gewalt wieder herzustellen.

Auch bei der Swisscoy waren die Sicherheits-Vorkehrungen verschärft worden. Zum Selbstschutz sind die Swisscoy-Angehörigen zudem (seit 2001) mit Pistole und Sturmgewehr bewaffnet.

Neben den persönlichen Waffen verfügt das Schweizer Kontingent über 5 Radschützenpanzer mit Maschinengewehr sowie über einen Helikopter vom Typ Super Puma.

Der Swisscoy-Einsatz wurde im vergangenen Jahr vom Parlament bis Ende 2005 befristet. Das Budget bis Ende 2005 beträgt 78,9 Mio. Fr.

Die Schweizer Truppen befassen sich vor allem mit logistischen, baulichen und medizinischen Aufgaben. Dazu gehören Transporte, der Bau von Brücken aber auch die Wasserversorgung im Camp Casablanca in Suva Reka, das sich die Schweizer mit Truppen aus Österreich teilen.

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