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Kritiker der Pauschalsteuer wittern Morgenluft

Reiche Ausländer werden insbesondere nach dem Mietwert ihres Wohnsitzes besteuert. André Locher

Das Ja der Zürcher zur Abschaffung der Pauschalsteuer für reiche Ausländer könnte eine Kettenreaktion auslösen. Die Debatte darüber ist in mehreren Kantonen aufgeflammt. Auch in der Waadt, dem Kanton mit den meisten Nutzniessern.

Muss Ingvar Kamprad mit seinen Möbeln umziehen? Wohnhaft in Epalinges im Kanton Waadt, ist der Gründer von Ikea einer von 4000 Ausländern, die in der Schweiz Wohnsitz haben und von einer Pauschalbesteuerung profitieren.

Pauschalbesteuerung steht für eine Besteuerung, die nicht nach dem Vermögen oder dem Einkommen berechnet wird. Vielmehr sind dafür die jährlichen Kosten für die Lebenshaltung in der Schweiz und der Mietwert des Wohnsitzes massgebend.

Dank dieser Regelung bezahlt Kamprad, dessen Vermögen zwischen 15 und 40 Milliarden Franken geschätzt wird, jährlich nur rund 200’000 Franken Steuern im Kanton Waadt.

Doch von nun an weht ein anderer Wind, zumindest durch die Deutschschweiz. Und die Tatsache, dass er von Zürich – dem wirtschaftlichen Zentrum der Schweiz – kommt, lässt vermuten, dass er zu einem richtigen Sturm anwachsen kann.

Letzten Sonntag folgte das Stimmvolk von Zürich der Alternativen Liste (AL). Es hat deren Initiative zur Abschaffung der Pauschalbesteuerung für reiche Ausländer mit 52,9% Ja gutgeheissen.

Offensive vom Bund

Ein Entscheid, der sofort die Debatte auf nationaler Ebene in einem Bereich auslöste, für den die Kantone zuständig sind. Im Bundeshaus hat Nationalrätin Susanne Leutenegger Oberholzer bereits mehrere parlamentarische Vorstösse zum Thema eingereicht. Bis jetzt ohne Erfolg.

Am Montag hat sie nachgebohrt, indem sie einen neuen Vorschlag für eine Motion in der Wirtschaftskommission des Nationalrats deponierte. Darin verlangt sie die Abschaffung der Pauschalsteuer mittels Gesetzesänderungen der direkten Bundessteuer und der Steuerharmonisierung.

Sie drängt auch zu mehr Transparenz über die Anzahl der reichen Ausländer und die verschiedenen Praktiken der Kantone. Diese Forderungen, der Kanton St. Gallen hat sie ebenfalls in einer Initiative ausformuliert, wurden dem Parlament im April 2008 vorgelegt. Demnächst werden sie von der zuständigen Kommission im Nationalrat behandelt.

Bei der Konferenz der Kantonalen Finanzdirektorinnen und -direktoren (FDK) werden alle Interventionen zur Frage über Pauschalen für gutsituierte Ausländer nicht gern gesehen. Denn diese stellen eine Einschränkung des Steuerwettbewerbs dar, den sich die Kantone liefern.

Die FDK weist lediglich auf die Empfehlung hin, die sie Ende September 2007 ausgegeben hat. FDK-Präsident Christian Wanner lehnte es am Abend nach der Zürcher Abstimmung ab, Vorhersagen zu machen bezüglich Sogwirkung in anderen Kantonen.

Waadt, Meister der Pauschale

Der Zürcher Entscheid wird Folgen haben, denn die Linke, die gegen die Pauschalbesteuerung ist, packt die Gelegenheit am Schopf, das Thema weiterhin am Kochen zu lassen.

Im Kanton Bern, wo der Zuzug des französischen Rocksängers Johnny Hallyday nach Gstaad Ende 2006 die Diskussion angefacht hat, wollen die Grünen das Thema in der nächsten Steuergesetzrevision 2011 aufnehmen. In Obwalden haben die Grünen ebenfalls angekündigt, eine entsprechende Initiative zu lancieren.

Der heisseste Kampf wird aber in der Waadt erwartet. Der Westschweizer Kanton hält nämlich die Spitze bei den Pauschalbesteuerungen für reiche Ausländer. Mit über 1200 Personen – in Zürich sind es nur deren 73 -, entzieht sich dem Staat die stolze Summe von 160 Millionen Franken.

Am Montag hat die Sozialdemokratische Partei (SP) des Kantons Waadt eine Resolution angenommen, welche die Aufhebung der Pauschalbesteuerung verlangt. Diese folge einer «Logik von finanzieller Habgier», so Autor und Nationalrat Roger Nordmann. Denselben Vorstoss plant er auch in Bern.

«Wie die Bevölkerung nicht mehr damit einverstanden ist, die Auswüchse des Finanzsystems und die Misswirtschaft der Banken zu tolerieren, will sie nicht mehr eine privilegierte Klasse, welche die Steuern ohne Bezug zu ihrem Vermögen und ihrem reellen Einkommen bezahlt», unterstreicht er. Nordmann wertet den Ausgang der Abstimmung von Zürich als «sehr starkes Signal».

Europäische Konkurrenz

Der Waadtländer Nationalrat Charles Favre von der Freisinnig-Demokratischen Partei (FDP) hat im Westschweizer Radio die Massregelung bemängelt, die in einen Verlust für die Staatskasse münden würde.

SP-Vertreter Nordmann ist anderer Ansicht. Eine Besteuerung der in der Schweiz verbliebenen Ausländer nach ihrem Einkommen würde längst ausreichen, um die Verluste wettzumachen.

Eine weitere Befürchtung der Bürgerlichen ist, dass die reichen Ausländer nach Grossbritannien, Österreich, Irland oder Luxemburg ausweichen könnten. Es habe genügend europäische Länder mit einem für sie günstigen Steuersystem.

swissinfo, Carole Wälti
(Übertragung aus dem Französischen: Sandra Grizelj)

Historisch gesehen, war Waadt der erste Kanton, der im Jahr 1920 eine gesonderte Besteuerung für Ausländer eingeführt hat, die auf seinem Gebiet wohnhaft waren, aber dort nicht arbeiteten.

Vierzehn Jahre später haben die eidgenössischen Behörden die Ausländer, die aus gesundheitlichen Gründen in die Schweiz kommen aber hier nicht arbeiten, als eine gesonderte Kategorie von Steuerzahlern anerkannt.

Die Pauschalsteuer wird durch die Steuerharmonisierung von 2001 geregelt. Diese verpflichtet die Kantone, den gleichen Leitlinien zu folgen.

Um von dieser Art von Besteuerung zu profitieren, muss ein Ausländer mindestens sechs Monate und einen Tag in einem Kanton leben, dort nicht arbeiten, seinen Hauptwohnsitz in Schweiz haben oder von seinem Heimatland für mindestens zehn Monate abwesend sein.

Progression. Laut einer Umfrage der Konferenz der Kantonalen Finanzdirektorinnen und Direktoren (FDK), durchgeführt bei den Kantonen, haben im Jahr 2006 4146 Personen von einer Pauschalbesteuerung in der Schweiz profitiert.

Einnahmen. Personen, die von dieser Regelung profitieren, haben total 392 Millionen Franken an Steuern bezahlt. Der Bund hat 105 Millionen einkassiert, die Kantone 176 Mio.und die Gemeinden 111 Mio.. Die individuellen Beträge belaufen sich zwischen 25’000 und 200’000 Franken.

Weniger betroffene Kantone. Es sind keine Informationen über die Staatsangehörigkeit der betroffenen Ausländer vorhanden. Vierzehn Kantone (UR, OW, GL, SO, BS, BL, SH, AI, AR, SG, AG, TG, NE, JU) zählen weniger als fünf Personen, die pauschal besteuert werden.

Betroffene Kantone. Der Kanton Waadt zählt 1192 Personen mit Pauschalbesteuerung. 799 Personen sind im Wallis, 584 in Genf, 481 im Tessin, 191 in Graubünden, 141 im Kanton Bern, 94 in Luzern, 73 in Zürich, 70 in Nidwalden, 63 in Zug und 54 in Freiburg.

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