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Kultur und Kondome: Wie Aids-Prävention funktioniert

aidsfocus.ch

Aids-Prävention in Entwicklungsländern ist nur wirksam, wenn kulturelle und traditionelle Werte berücksichtigt werden. An einer Tagung in Bern haben Fachleute von ihren Erfahrungen berichtet.

Nicht Aids, sondern die Schweinegrippe steht derzeit im Fokus der Aufmerksamkeit. Das neue Grippe-Virus hat bisher vor allem Mexiko getroffen, ein Schwellenland.

Sollte es dereinst zu einer Grippe-Pandemie kommen, wären die Folgen für Entwicklungsländer besonders gravierend. Zum einen, weil in diesen Ländern die Gesundheitsversorgung nicht gewährleistet ist. Zum andern, weil viele Menschen bereits durch andere Krankheiten geschwächt sind, zum Beispiel Aids.

Während eine Grippe-Pandemie erst eine mögliche Bedrohung darstellt, ist die Aids-Pandemie längst Realität. In der Schweiz stagniert die Zahl der Neuinfektionen, doch in vielen Entwicklungsländern steigt sie weiter an. Laut der UNO sind heute rund 33 Millionen Menschen mit dem HI-Virus infiziert. 67% aller Infizierten leben in Afrika südlich der Sahara.

Aufklärung mit Gesang

Das Scheitern von Präventionsprogrammen in Afrika wird oft auf traditionelle und kulturelle Werte zurückgeführt. In den Augen von Fachleuten greift diese Erklärung aber zu kurz: «Kultur ist nicht primär ein Problem, sondern Teil der Lösung», sagt Helena Zweifel, Geschäftsführerin von Medicus Mundi. Ein Problem sei der «Faktor Kultur» nur dann, wenn er bei Präventionskampagnen nicht berücksichtigt werde.

An einer Tagung unter dem Titel «Kultur und Kondome» in Bern haben sich Fachleute mit Möglichkeiten kultursensibler Prävention beschäftigt. Das Spektrum ist weit: Aids-Aufklärung kann in traditionelle Riten, Tänze, Geschichten oder Lieder integriert werden. In Mali etwa vermitteln Theatergruppen die Botschaft, dass Kondome vor einer Ansteckung schützen.

Heiler integrieren

«Kultursensibel» kann aber auch bedeuten, mit Dorfältesten, Heilerinnen und religiösen Würdenträgern zusammenzuarbeiten. Damit hat das Schweizerische Rote Kreuz in Swaziland gute Erfahrungen gemacht. Und auch in Bangladesch zeigte dieser Ansatz Wirkung.

Eine Umfrage hatte gezeigt, dass viele traditionelle Heiler ihren Patientinnen und Patienten zur Aids-Prävention Kräuter empfahlen. Nach einem dreitägigen Workshop propagierten die meisten den Gebrauch von Kondomen.

Die Menschen hätten mehr Vertrauen in traditionelle Heiler und suchten zuerst diese auf, gab Shariful Islam von der Organisation «Partners in Population and Development» zu bedenken. Oft stehe ihnen auch gar keine Alternative zur Verfügung. Die Zusammenarbeit mit Heilern sei deshalb unabdingbar. «Wir können nicht so tun, als ob die Heiler nicht existierten.»

Migranten erreichen

Dass der Versuch der kultursensiblen Prävention auch schief laufen kann, zeigten die Ausführungen von Noël Tshibangu. Er schilderte seine Erfahrungen mit einer Präventionskampagne in der Schweiz, die sich speziell an Menschen afrikanischer Herkunft richtete.

Für die Kampagne suchten die Experten nach typisch afrikanischen Symbolen und Redewendungen – und kamen auf die Kolanuss. Diese wird in westafrikanischen Gesellschaften als Zeichen der Freundschaft überreicht und gilt als Aphrodisiakum.

Der Haken an der Sache: Das afrikanische Zielpublikum in der Schweiz weiss nichts davon, wie sich zeigte. Viele Afrikanerinnen und Afrikaner sind städtischer Herkunft oder in der Schweiz aufgewachsen und kennen die Bedeutung der Kolanuss in ihrem Herkunftsland nicht. Die Kampagne der Aids-Hilfe Schweiz sei deswegen aber nicht gescheitert, betonte Tshibangu.

Wegen der Kolanuss-Abbildungen hätten sich an den Informationsständen Gespräche über Herkunft, Identität und soziale Beziehungen ergeben. «So konnten wir fast beiläufig über sexuelle Beziehungen, HIV und Kondome sprechen», sagte Tshibangu. «Die Kolanuss hat sich als wirksames Vehikel erwiesen für eine Auseinandersetzung mit HIV und Aids, wenn auch anders als geplant.»

Charlotte Walser, InfoSüd/swissinfo.ch

Rund 33,2 Millionen Menschen leben mit HIV/Aids.

2007 infizierten sich 2,5 Millionen Menschen neu mit HIV.

2,1 Millionen Menschen starben 2007 an Aids.

Gegen 28 Millionen Menschen sind bereits an den Folgen von Aids gestorben.

Über 65% der Menschen mit HIV/Aids leben in Afrika, südlich der Sahara (22,5 Mio.).

Mindestens 80% der Menschen mit HIV/Aids, die eine HIV-Therapie benötigen, haben keinen Zugang zu medizinischer Behandlung.

In der Schweiz wurden bisher insgesamt über 30’000 positive HIV-Testresultate gemeldet.

In der Schweiz leben rund 25’000 Menschen mit HIV und Aids.

Seit Beginn der Epidemie bis Ende Dezember 2007 wurden über 8600 Aidsfälle gemeldet. 5738 Menschen sind an den Folgen von Aids gestorben.

Im Jahr 2007 wurden 761 neue positive HIV-Testresultate gemeldet. Der Frauenanteil beträgt 30%.

Von allen Ansteckungen beruhen etwa 45% auf heterosexuellen Kontakten.

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