Kulturpolitik soll nicht die Kunst bestimmen
Der Staat soll Mäzen und nicht Sponsor von Kultur sein, bekräftigte Bundesrat Pascal Couchepin an einer Tagung des Schweizer Freisinns zur Kulturpolitik.
Das Parlament wird sich bald mit dem neuen Kulturförderungs-Gesetz beschäftigen und so Weichen stellen.
Kulturminister Pascal Couchepin hat sich am Samstag stark gemacht für eine liberale Kulturpolitik. Einflussversuche auf die Kunstschaffenden von rechter oder linker Seite müssten verhindert werden, hielt Couchepin in Zürich fest.
An der Fachtagung der Freisinnig-Demokratischen Partei (FDP) mit dem Titel «Staatskultur oder Kunstfreiheit?» nahmen rund 100 Personen teil, unter ihnen der Schriftsteller Adolf Muschg und der Publizist Jürg Altwegg.
Skandalkünstler kein Problem
In politisch rechts stehenden Kreisen bestehe die Tendenz, missliebige – das heisst linksstehende Künstler – zu bestrafen, sagte der Bundesrat in Anspielung auf die umstrittene Hirschhorn-Ausstellung in Paris. Linke Kreise versuchten gleichzeitig, rechtsstehende Autoren auszugrenzen. Damit sprach er die Affäre um den Walliser SVP-Nationalrat Oskar Freysinger an, der vom Autoren-Verband der Schweiz (AdS) nicht aufgenommen worden war.
«Was für unsere Gesellschaft bedenklich ist, sind nicht die so genannten Skandalkünstler, sondern diejenigen, die die liberale Gesellschaft durch Zensur oder Ausgrenzung in Frage stellen wollen», so Couchepin. Kunstschaffende müssten quer zum Zeitgeist stehen können, um das Denken und den Widerspruch herauszufordern.
Die Mehrheit interessiert Kunst nicht
Couchepin forderte in Zürich auch eine nachhaltigere Kulturpolitik. Rund die Hälfte der Schweizer Bevölkerung interessiere sich nicht für kulturelle Produktion, stellte er fest. Der Grund dafür liege zumeist in der Kindheit.
«Alle Massnahmen, die darauf ausgerichtet sind, Kinder für Kunst und Kultur zu interessieren, sind demnach von entscheidender Wichtigkeit.» Darum will der Innenminister bei der Förderung des Zugangs zur Kultur mehr als die bisher vorgesehen 3 Mio. Franken einsetzen.
Bei der Kulturförderung sieht Couchepin den Staat in der Rolle eines Mäzens, nicht eines Sponsors. Denn: «Die Politik darf Kultur nicht instrumentalisieren.»
Abgang von Kulturchef-Streiff und Hirschhorn-Affäre
Diesem Vorwurf setzte sich Couchepin selber aus, als er am Filmfestival von Locarno im August 2004 das Bundesamt für Kultur (BAK) scharf kritisierte. Er hatte die offizielle Schweizer Filmförderung als linkslastig und das Auswahlverfahren als zu wenig transparent kritisiert.
Vorher hatte er sogar eine Administrativuntersuchung über die Filmförderung in Auftrag gegeben. Im Anschluss an diese Auseinandersetzung nahm BAK-Chef David Streiff seinen Hut. Er war seit 1994 Direktor des BAK gewesen.
Die Debatte um die Ausstellung des Schweizer Künstlers Thomas Hirschhorn in Paris im Dezember brachte die staatliche Förderung der Kultur wieder aufs Tapet: Hirschhorn liess in seiner Ausstellung – die von der staatlichen Kulturförderung Pro Helvetia finanziell unterstützt worden war – einen Schauspieler auf ein Bild von Bundesrat Christoph Blocher urinieren.
Als Strafmassnahme reduzierte das Parlament das Budget von Pro Helvetia um eine Million Franken. Hirschhorns Ausstellung verzeichnete derweil einen Besucherrekord von 30’000 Personen.
Kulturförderung neu organisieren
Die FDP-Tagung fand im Vorfeld der parlamentarischen Debatte des Kulturförderungs-Gesetzes statt. In einer Resolution zuhanden der Geschäftsleitung hielten die Freisinnigen fest, dass diese jüngsten Debatten zum Thema Kulturpolitik klar im Widerspruch zu den freisinnig-liberalen Idealen stehe.
Jegliches Bestreben, die Kunst an die kurze Leine nehmen zu wollen – sei es im Rahmen einer Budgetdiskussion, sei es durch breit abgestützte Medienpolemik – sei inakzeptabel.
Entsprechend spricht sich die Resolution für die Beibehaltung der Unabhängigkeit von Pro Helvetia aus. Dem Bund komme bei der Kulturförderung eine unterstützende Rolle zu. Die Förder-Massnahmen dürften aber nicht nach dem Giesskannenprinzip verteilt werden. Kultur dürfe auch nicht nur elitären Kreisen vorbehalten sein, sondern müsse für alle zugänglich sein.
swissinfo und Agenturen
Das Parlament hat die Diskussion ums Kulturförderungs-Gesetz auf dem Programm.
Die liberale FDP hat ein Resolutionspapier zuhanden der Geschäftsleitung verabschiedet.
FDP-Kulturminister Pascal Couchepin sprach sich für die Freiheit der Kulturschaffenden aus.
Er will mehr Geld einsetzen, um mehr Menschen für Kultur zu interessieren.
Kunst dürfe nicht durch Budgetmassnahmen bestraft werden, hält die FDP fest – wie im Fall von Thomas Hirschorn geschehen.
Die FDP Schweiz hat am Samstag in Zürich eine Fachtagung «Staatskultur oder Kunstfreiheit?» abgehalten.
Bundesrat Pascal Couchepin sprach sich für die Freiheit der Kunstschaffenden aus.
Die Tagung fand im Vorfeld der Debatte des Kulturförderungs-Gesetzes im Parlament statt.
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