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«Kuscheljustiz» und Managerlöhne im Parlament

Geldstrafen statt Freiheitsstrafen wurden auch wegen chronischem Platzmangel in den Gefängnissen eingeführt. Keystone

Verschärfung des Strafrechts, Managerlöhne, der 12,5 Milliarden-Rahmenkredit für den IWF und Massnahmen gegen die steigenden Gesundheitskosten: Das sind die herausragenden Themen der Sommersession der Eidgenössischen Räte, die am 25. Mai beginnt.

Liberale gesellschaftliche Entwicklungen laufen den Wertvorstellungen der rechtskonservativen Schweizerischen Volkspartei (SVP) entgegen.

Nach der «Kuschelpädagogik» hat sie jetzt die «Kuscheljustiz» im Visier. Damit meint die Partei den in den vergangenen Jahren sukzessive reformierten Strafvollzug.

So werden seit dem 1. Januar 2007 Freiheitsstrafen unter sechs Monaten nicht mehr vollzogen, sondern als Geldstrafen ausgesprochen. Neu können Straftäter auch zu bedingter gemeinnütziger Arbeit verurteilt werden. Leichtere Delikte werden mit bedingten Geldstrafen geahndet.

Mit diesen «Aufweichungen» würden die Interessen der Opfer und die Sicherheit der Bürger vernachlässigt, argumentiert die SVP. Deshalb fordert sie eine Rückkehr zum alten System und damit zu mehr Repression.

Konkret sollen die Strafmasse grundsätzlich erhöht, die kurzen Freiheitsstrafen wieder eingeführt und die an ihrer Stelle eingeführten Geldstrafen abgeschafft werden. Die gemeinnützige Arbeit soll in jedem Fall als unbedingte Strafe ausgesprochen werden.

Allein ist die SVP, die zu diesem Thema nicht weniger als 17 Vorstösse eingereicht hat, mit ihren Forderungen nicht. Auch den Freisinnigen und Teilen der Christdemokraten geht die Strafrechtsreform zu weit. Am 3. Juni beschäftigt sich der Nationalrat mit entsprechenden Vorstössen.

Besserer Schutz für Kleinsparer

Im März hat der Nationalrat einer Motion zugestimmt, die verlangt, dass der Bund bei der vom Staat gestützten UBS tiefere Managerlöhne durchsetzt und einen Vertreter in den Verwaltungsrat der Grossbank entsendet. Das oberste Management soll analog entlöhnt werden, wie jenes der SBB, der Post oder anderer bundesnaher Unternehmen.

Damals hat sich eine Allianz der Linken und Grünen mit der SVP durchgesetzt. Die Motion kommt im Juni vor den Ständerat. Beobachter gehen davon aus, dass sich dieser dem Bundesrat anschliessen und die Forderung ablehnen wird.

Intakt sind die Chancen hingegen für eine Motion der sozialdemokratischen Nationalrätin Susanne Leutenegger Oberholzer. Demnach soll im Falle eines Bankenkonkurses der Einlegerschutz von derzeit 30’000 auf 100’000 Franken erhöht werden. Der Nationalrat hat die Motion im Dezember 2008 bereits gutgeheissen und auch der Bundesrat unterstützt die damit verbundene Änderung des Bankengesetzes.

Aufstockung für den Währungsfonds

Als Erstrat befasst sich der Ständerat mit dem Rahmenkredit von 12,5 Milliarden Franken für den internationalen Währungsfonds (IWF). Finanzminister Hans-Rudolf Merz hatte am 5. April angekündet, die Schweiz wolle sich an der Aufstockung der Mittel für den IWF beteiligen. Dies, obschon das Land zum G-20-Gipfel in London vom 4. April nicht eingeladen worden war.

Das führte – auch vor dem Hintergrund der Auseinandersetzung um die schwarzen und grauen Steuerparadies-Listen der OECD – vor allem bei der SVP, aber auch bei der CVP zu kritischen Reaktionen. Von «Teilkapitulation» und von «vorauseilendem Gehorsam» war die Rede.

In der Zwischenzeit scheinen sich die Wogen geglättet zu haben. Die vorberatende Kommission des Ständerates jedenfalls hat sich für den 12,5 Milliarden Rahmenkredit ausgesprochen.

Lediglich eine Minderheit stellte sich auf den Standpunkt, der Bundesrat habe sich möglicherweise dem internationalen Druck gebeugt, ohne dass die Schweiz in die Beschlüsse der G-20 und des IWF einbezogen worden war.

Für die Kommissionsmehrheit jedoch ist es für den Finanzplatz und den exportorientierten Wirtschaftsstandort Schweiz unabdingbar, dass sich das Land an den internationalen Bemühungen zur Bewältigung der Finanzkrise beteiligt.

Dauerthema Gesundheitskosten

Angesichts der steigenden Gesundheitskosten und der von Gesundheitsminister Pascal Couchepin zur Kostendämmung angekündeten Massnahmen, sind schon zu Beginn der Session eine ganze Reihe Vorstösse zu erwarten.

Ins Visier werden dabei vor allem die Gebühren für Arztbesuche und die geplante Erhöhung des Bundesbeitrags für Krankenkassen-Prämienverbilligungen kommen.

Die Christlich demokratische Partei will eine bessere Koordination der Spitzenmedizin und bei den Medikamenten und hat entsprechende Vorstösse angekündigt. Die SVP fordert eine Einschränkung des Leistungskatalogs in der Grundversicherung und eine Aufhebung des Vertragszwanges.

Andreas Keiser, swissinfo.ch

Die Sommersession des Parlaments findet vom 25. Mai – 12. Juni 2009 im Bundeshaus in Bern statt.

Der Nationalrat ist die Schweizer Parlamentskammer (Legislative) der Volksvertreter oder Abgeordneten (Grosse Kammer).

Der Rat zählt 200 Parlamentarierinnen und Parlamentarier und vertritt das Schweizer Volk. Auf je 35’000 Einwohnerinnen und Einwohner eines Kantons kommt derzeit ein Mitglied im Nationalrat.

Das einzelne Ratsmitglied wird «Nationalrat» oder «Nationalrätin» genannt. Nationalrat und Ständerat bilden zusammen die Vereinigte Bundesversammlung (Parlament).

Der Ständerat ist die Schweizer Parlamentskammer (Legislative) der Kantonsvertreter (Senat, Kleine Kammer).

Er zählt 46 Mitglieder, welche die Kantone vertreten. Jeder Kanton ist ungeachtet seiner Einwohnerzahl mit zwei, die Halbkantone mit einem oder einer Abgeordneten vertreten. Als Halbkantone gelten Obwalden, Nidwalden, Basel-Stadt, Basel-Landschaft, Appenzell Ausserrhoden und Appenzell Innerrhoden.

Das einzelne Ratsmitglied wird «Ständerat» oder «Ständerätin» genannt. Ständerat und Nationalrat bilden zusammen die Vereinigte Bundesversammlung (Parlament).

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