«Leuenbergers falsche Wahl»
Ein Mann dominiert am Mittwoch die Titelblätter der Schweizer Presse: Claude Béglé. Nach dem sofortigen und überraschenden Abtritt des Post-Chefs wird auch Bundesrat Moritz Leuenberger in die Mangel genommen.
Die Schweizer Presse ist sich einig: Mit Claude Béglé war der falsche Mann am falschen Platz.
Der Blick bezeichnet ihn ganz schlicht als «Fehlbesetzung». «Claude Béglé hinterlässt die Post in Trümmern. Ausser Spesen hat er nichts gebracht», zieht die Boulevard-Zeitung Bilanz von Béglés kurzem Gastspiel und wirft ihm insbesondere vor, nie mit offenen Karten gespielt zu haben.
Auch für den Bund hinterlässt Post-Präsident Claude Béglé «einen beschämenden Anblick»: «Eine Post, die ohne fassbare Zukunftsstrategie dasteht, ohne funktionierenden Verwaltungsrat, dafür aber mit einem Konzernchef, der mit der Führung von Post und Postfinance gleich doppelt ausgelastet ist.»
Er habe es an Zurückhaltung vermissen lassen, schreibt Le Temps. Sein Rücktritt sei vorhersehbar gewesen, nachdem er sich in den Vordergrund gedrängt habe, ohne dass er zuvor etwas bewiesen habe.
L’Express, L’Impartial und Le Nouvelliste meinen, Béglé sei Opfer seines Machthungers geworden. Dies habe dazu geführt, dass er die Regeln der Schweizer Konsenspolitik ignoriert habe.
Für Die Südostschweiz passt Béglé ganz einfach nicht nach Bern, war er «too big to stay». Der «erfolgsfokussierte Manager» habe nicht begriffen, dass die Post in erster Linie Politik und erst dann ein Unternehmen ist.
Keine Antworten
«Béglé macht den Weg frei für einen Neuanfang», so die NZZ. Auch für den Bund ist Béglés Abgang «der beste Ausweg».
Béglé habe weder gegen aussen noch nach innen je den Eindruck erweckt, dass er passende Antworten habe – geschweige denn, dass er diese umsetzen könnte, so Der Bund. Er kritisiert seinen «forschen Auftritt», «wirre Kommunikation» sowie seine «undurchsichtigen Bezüge und Zweitjobs», mit denen er «das Mass dessen, was sich ein Präsident der staatlichen Post leisten kann, deutlich überschritten hat».
Béglé habe zwar die richtigen Fragen gestellt, aber klare, durchdachte Antworten habe er keine geliefert, so der Blick weiter.
Die Beantwortung von «essenziellen Fragen» zur Finanzierung der Grundversorgung in Anbetracht des schrumpfenden Briefgeschäfts, zur Rolle des Finanzgeschäfts und zur Expansion im Ausland hätten sich durch die anhaltenden Querelen um gut ein Jahr verzögert, schreibt auch die Neue Zürcher Zeitung (NZZ).
Die Westschweizer Zeitungen sehen Béglé auch als Opfer einer Kampagne der Deutschschweizer Medien und der alten Garde der Post, welche in der Sache zusammengespannt hätten. Für «24 heures» ist das Ganze eine Staatsaffäre, die tiefe Spuren hinterlasse.
Leuenberger unter Druck
Die Schweizer Presse nimmt aber auch Bundesrat Moritz Leuenberger in die Pflicht. «Leuenbergers falsche Wahl», so Der Bund.
Die Neue Luzerner Zeitung spricht von «Leuenbergers Schlamassel». Und weiter: «Wer hätte das gedacht: Dass Erklärungen von höchster Stelle zur Leitung unserer Post so wenig wert sind wie Durchhalteparolen im bezahlten Fussball zu Trainern, die unter Druck stehen!»
Die Post sei Teil des Staates. «Hier gelten andere Spielregeln, erst recht in der kleinen Schweiz. Das weiss Bundesrat Leuenberger bestens. Insofern ist Béglés zügiges Scheitern auch ein offensichtliches Scheitern seines politischen Vorgesetzten.»
«Eine Befreiung ist der Rücktritt nur für Béglé – für Leuenberger ist die Post-Affäre noch lange nicht ausgestanden», ist das St. Galler Tagblatt überzeugt.
Der Postminister stehe vor einem Scherbenhaufen.»Die letzten Wochen hätten gezeigt, wie unterschiedlich die Meinungen darüber seien, wohin das Staatsunternehmen Post steuern soll.
«Die zwei unterschiedlichen Ziele – Service public und marktorientiertes Geschäft – sind immer noch da, auch wenn Béglé weg ist.»
«Leuenberger liess sich blenden», ist das Fazit des Bund. Er habe Béglé ins Amt gehoben, frühe Warnungen aus der Post verpuffen lassen und letztlich nicht mehr anders gekonnt, als sich mal laut, mal lau hinter seinen Mann zu stellen.
Der erfahrene Sozialdemokrat hätte in den Augen des Kommentators wissen müssen, dass es «für die Leitung der Post ebenso viel politisches Gespür braucht wie fachliche Erfahrung und dass ein ungestümer und egozentrischer Globalisierungsprophet» nur Widerstand provozieren würde.
«Bundesrat Moritz Leuenberger, der sich zumindest gegen aussen stets hinter Béglé gestellt hat, ist selber angeschlagen. Denn er steht am Anfang der fatalen Ereigniskette: Er hat den falschen Mann an den falschen Ort gesetzt», so Die Südostschweiz.
Wohin führt der Weg
«Was wird jetzt aus unserer Post?», fragt Der Blick. Für die NZZ bleiben nach dem Rücktritt an der Postspitze die Probleme ungelöst.
Umso dringender sei es nun, dass der Bundesrat den Post-Verwaltungsrat personell schnell umfassend erneuere und damit einen nachhaltigen Neustart ermögliche, so die NZZ. Bei der Wahl neuer Kandidaten müsse er auf Integrität und Kommunikationsfähigkeit setzen.
«Was die künftige Strategie angeht, führt angesichts von Liberalisierung und technologischem Wandel auch ohne Claude Béglé kein Weg an einer Neuausrichtung der Post vorbei.»
Auch für das St. Galler Tagblatt ist die Post noch nicht gerettet. Es sei zu befürchten, dass nach dem «(allzu) dynamischen Béglé Leute eingesetzt würden, die nur verwalten, statt zu gestalten. Und damit wäre dann die nächste Post-Krise bereits programmiert.»
Corinne Buchser, swissinfo.ch
Der ehemalige Direktor des Schweizerischen Arbeitgeberverbands, Peter Hasler, tritt per sofort die Nachfolge von Claude Begle als Post-Präsident an. Dies gab das UVEK nach der Wahl durch den Bundesrat am Mittwoch bekannt.
.Der Bundesrat begründet seine Wahl in einem Communiqué des Departementes für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) mit Haslers langjähriger Berufserfahrung an der Schnittstelle zwischen Politik und Wirtschaft.
Einer breiten Öffentlichkeit wurde der 63-jährige Hasler als Direktor des Arbeitgeberverbandes bekannt, dem er zwischen 1993 und 2006 vorstand. Hasler erwarb sich dabei den Ruf, für die Sozialpartnerschaft einzustehen.
Seit 2006 präsidiert der Doktor der Rechte den Spitalrat des Universitätsspitals Zürich und die Verwaltungsräte der Schweizer Reisekasse REKA sowie der Elips Life in Vaduz. Von zwei Präsidien will er sich nun zurückziehen.
Der Bundesrat habe an seiner Sitzung vom Mittwoch vom Rücktritt Béglés Kenntnis genommen, hiess es im UVEK-Communiqué weiter. Die Regierung anerkenne, dass Béglé diesen Schritt im Interesse der Post gemacht habe und danke ihm für sein Engagement.
Der 64-Jährige bewege sich seit vielen Jahren an der Schnittstelle zwischen Politik und Wirtschaft, hiess es zur Begründung. Breite Anerkennung – namentlich im Bereich der Sozialpartnerschaft – habe er in seiner Funktion als Direktor des Arbeitgeberverbands erworben, dem er von 1993 bis 2006 vorstand.
Seither hat der promovierte Jurist und Vater zweier erwachsener Söhne verschiedene Verwaltungsratsmandate inne. Zwei davon wird er laut dem Eidgenössischen Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) zugunsten seiner neuen Tätigkeit aufgeben.
Die Schweizerische Post ist neben ihrem Heimmarkt mit ihren Dienstleistungen
weltweit in 20 Ländern aktiv. 8000 Mitarbeitende erbringen Dienstleistungen im Kerngeschäft, im postnahen Geschäft sowie im öffentlichen Verkehr.
Rund ein Fünftel des Umsatzes der Schweizerischen Post stammt heute aus dem Ausland – insgesamt 1,8 Mrd. Franken.
Die Post ist ein Bundesbetrieb. Der Bundesrat legt die strategischen Ziele der Post jeweils für eine Vierjahresperiode fest.
Mit der Post stellt der Bund die verfassungs- und gesetzmässige Verpflichtung zur landesweiten Grundversorgung mit Post- und Zahlungsverkehrs-Dienstleistungen sicher.
Im Ausland kann die Post Wachstumsmöglichkeiten in Nischenmärkten ausserhalb
der Grundversorgung wahrnehmen.
Das Postgesetz befindet sich zurzeit in Revison.
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