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Licht in dunkle Schweizer Südafrika-Politik

Ex-Nationalbank-Präsident Leutwiler (m) an einem Treffen mit Südafrikas Aussenminister Botha (r) und dem Leiter der South African Reserve Bank, de Kock 1986. Keystone

Die Schweiz war eine Stütze des Apartheid-Regimes. Während der schwersten Menschenrechts-Verletzungen waren ihre Beziehungen zu Südafrika am engsten.

Zu diesem Schluss kommt das Nationale Forschungsprogramm «Beziehungen Schweiz-Südafrika» (NFP 42+) des Schweizerischen Nationalfonds.

Durch ihr Abseitsstehen bei den internationalen Sanktionen gegen den südafrikanischen Apartheid-Staat stützte die Schweiz das Regime in Pretoria. Und ausgerechnet in den 1980er-Jahren, im Höhepunkt der Repression gegen die schwarze Widerstandsbewegung, waren die Schweizer Bande zum Apartheid-Regime am engsten.

Illegale Rüstungsexporte, geheime Atomgeschäfte, intensive Geheimdienst-Aktivitäten: Die Schweiz lieferte dem Apartheid-Staat mehr heikle Dienste als bisher bekannt war.

Schwarzes Kapitel der jüngsten Schweizer Geschichte

Die Schweizer Industrie habe das Waffenembargo, das die UNO über Südafrika verhängte, in grossem Stil unterlaufen. Das steht in einer Zusammenfassung der Ergebnisse der Studie des Berner Historikers Peter Hug über die militärischen, rüstungsindustriellen und nuklearen Beziehungen der Schweiz zu Südafrika in der Apartheid-Zeit.

Die Verwaltung sei über viele illegale und halblegale Geschäfte informiert gewesen. Sie habe sie stillschweigend geduldet, teilweise aktiv unterstützt oder halbherzig kritisiert.

Der Austausch nachrichtendienstlicher Informationen habe fünf Jahre früher eingesetzt, als bisher bekannt gewesen sei, und habe direkt zur Anbahnung von Rüstungsgeschäften, zum Kampf gegen Apartheid-Gegner und zur politischen Propaganda zugunsten der südafrikanischen Regierung beigetragen.

Die Schweizer Industrie gehörte laut dem Bericht auch zu den Stützen des geheimen südafrikanischen Atomwaffen-Programms. Die Gebrüder Sulzer AG und die VAT Buchs hätten wichtige Komponenten zur südafrikanischen Urananreicherung geliefert, die für die sechs von Südafrika produzierten Atombomben das notwendige spaltbare Material bereitstellte.

Ideologie des Kalten Krieges

Die Schweiz sei also in mehrfacher Hinsicht eine Stütze der Apartheid-Regierung gewesen, heisst es im Bericht von Peter Hug. Durch die Distanz zur UNO sei auch nach 1945 eine Neigung zu rassistischen Vorstellungen politisch wirksam geblieben, die ab Ende der 1970er-Jahre durch einen ebenso unreflektierten Antikommunismus abgelöst worden sei.

Für die meisten Akteure aus Wirtschaft, Gesellschaft und allen Departementen (Regierung) sei es gebräuchlich gewesen, mit dem Apartheid-Regime zusammenzuarbeiten. Im Klima des Kalten Krieges sei jede Kritik daran mit dem Argument erstickt worden, das antikommunistische Bollwerk am Kap müsse erhalten bleiben.

Behördliche Auflagen

Im Zusammenhang mit der Akteneinsicht im Bundesarchiv verlangten die Behörden von Berichtsautor Hug übrigens gewisse Auflagen: Anonymisierung vieler Namen, keine Vergleiche mit anderen Staaten. Er musste den Behörden beweisen, dass er die Auflagen befolgt hat und ihnen das Mauskript vorlegen.

«So wurde meine Forschungsarbeit massiv verzögert und behindert, und es entstand für mich ein schmerzlicher Verlust an wichtigen Infos. Zudem konnte ich auch alle Kapitaltransfer-Akten nicht einsehen, was wichtig gewesen wäre», so Hug gegenüber swissinfo.

Apartheid-Lobby in der Schweiz

Ab 1980 liess sich der bis dahin in Rom, Köln oder Wien stationierte südafrikanische Militärattaché in Bern nieder, während inzwischen viele andere Staaten nicht mehr bereit waren, südafrikanische Militärattachés zu akkreditieren.

Wie aus den Unterlagen des militärischen Nachrichtendienstes Südafrikas hervorgeht, mass dieser dem Kontakt zu Leuten wie dem Zürcher «Subversivenjäger» Ernst Cincera, dem Leiter des Schweizerischen Ostinstituts, Peter Sager, und dem Präsidenten der Arbeitsgruppe Südliches Afrika (asa), dem heutigen Bundesrat Christoph Blocher, grosse Bedeutung zu.

Zur Ausrichtung am äusseren rechten Rand des politischen Spektrums habe auch die asa-Vorstands-Tätigkeit von Ulrich Schlüer von der Schweizerischen Volkspartei (SVP), seit 1995 Nationalrat, beigetragen, räumen sogar die beiden harten Kritiker der Antiapartheid-Bewegung und Sanktionsgegner Hansjürg Saager und Werner Vogt in ihrem eben erschienenen Buch «Schweizer Geld am Tafelberg» ein.

Weitere Südafrika-Lobbygruppen waren der Club der Freunde Südafrikas (CFS) sowie die Swiss-South African Association (SSAA), eine Art Handelskammer, welcher Vertreter der in Südafrika tätigen Schweizer Konzerne angehörten.

Handelsfreiheit statt Menschenrechte

Die UNO und die Anti-Apartheid-Bewegung bezogen sich bei ihrer Verurteilung Südafrikas auf die Menschenrechte und damit auf internationales Recht. Die Schweizer Behörden dagegen hätten die Zulassung enger wirtschaftlicher Beziehungen zum Apartheid-Regime mit der nationalen Rechtsordnung, insbesondere der Handels- und Gewerbefreiheit, gerechtfertigt, stellt Georg Kreis, Präsident der Leitungsgruppe des NFP 42+, im Schlussbericht fest.

Wissenschaftlich sei es unmöglich, eine definitive Einschätzung darüber zu machen, ob die Schweiz mitgeholfen habe, das Apartheid-Regime zu stabilisieren oder gar weiter am Leben zu erhalten, sagt Kreis gegenüber swissinfo. «Aber die Schweiz spielte in Sachen Südafrika tatsächlich – territorial gesehen – eine überproportionale Rolle im Finanzbereich. Das Ende der Apartheid erfolgte aber auch noch aus anderen Gründen.»

Die konsequente Weigerung der Schweiz, wirksame aussenpolitisch motivierte Massnahmen gegen Südafrika zu ergreifen, könne keinesfalls als Resultat der damaligen Rechtslage eingestuft werden, heisst es im Bericht des Berner Juristen Jörg Künzli über den rechtlichen Spielraum der schweizerischen Südafrika-Politik.

Die Haltung der Schweiz habe einzig auf einer wirtschaftspolitisch motivierten Grundentscheidung beruht, den Aussenhandel mit dem Apartheidstaat möglichst nicht einzuschränken, sondern ihn im Gegenteil zu fördern.

Dass eine Beteiligung an den internationalen Sanktionen sehr wohl möglich gewesen wäre, zeigte sich wenige Jahre später mit den Sanktionen gegen Irak von 1990.

swissinfo, Jean-Michel Berthoud

Ziel des NFP 42+ war die Erarbeitung wissenschaftlicher Grundlagen für eine Beurteilung der schweizerischen Südafrika-Politik zur Zeit der Apartheid (1948-1994).
Das vom Bundesrat mit 2 Mio. Fr. dotierte Programm umfasst zehn Studien zu wirtschaftlichen, rechtlichen, politologischen und historischen Fragestellungen.
Mit der Arbeit wurde ein Team von 40 Forschenden unter der Leitung des Historikers Georg Kreis beauftragt.
Das NFP 42+ wurde im Jahr 2000 im Auftrag des Bundes lanciert und ist nun abgeschlossen.

Während des Apartheid-Regimes gehörte die Schweiz zu den wenigen Ländern, die ihre Beziehungen zu Südafrika kaum einschränkten. Am intensivsten waren ihre Beziehungen zu Südafrika ausgerechnet in den 1980er-Jahren, als Repression und Menschenrechts-Verletzungen des Apartheid-Staates einen Höhepunkt erreichten.

Dies belegen Untersuchungen des Nationalen Forschungsprogramms «Beziehungen Schweiz-Südafrika» (NFP 42+). Einbezogen wurden auch Akten, die in Südafrika selbst gefunden wurden und das heikle Kapitel der militärischen, rüstungs- und nukleartechnischen Verbindungen zwischen den beiden Ländern erhellen.

Der Schlussbericht hätte im Frühjahr 2004 publiziert werden sollen. Die Arbeiten kamen allerdings ins Stocken, als der Bundesrat im April 2003 eine Aktensperre verhängte. Angesichts drohender Sammelklagen aus den USA wollte er eine allfällige internationale Benachteiligung schweizerischer Unternehmen verhindern.

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