«Lieber klar und deutlich als eine Windfahne»
Der für seinen Klartext bekannte Christian Wasserfallen ist einer der wenigen Twens, die in den neuen Nationalrat einziehen.
Nicht nur seiner Jugend wegen gehört der Jungfreisinnige dort zur raren Species. Auch als Ingenieur fühlt er sich in der Politik wie ein Exot.
Am 3. Dezember beginnt die Wintersession des neuen Parlaments. Zahlreiche der insgesamt 200 Nationalräte sind erstmals dabei.
Auch Christian Wasserfallen, 26, gehört dazu. Als Zweitjüngster vertritt er als Mitglied der Freisinnig-Demokratischen Partei (FDP) die Wähler aus dem Kanton Bern.
Von Beruf Ingenieur, verbessert er Maschinen. Will Christian Wasserfallen nun auch die parlamentarische Maschinerie in Bundesbern optimieren? «Ich bin mir durchaus bewusst, dass ich als Ingenieur und als Junger im Parlament als Exot wirke», sagt Wasserfallen gegenüber swissinfo.
Techniker sind nicht unbedingt geborene Politiker
«Bedenkt man, wie viel die Ingenieure zur Wertschöpfung dieses Land beitragen, sind sie im Parlament stark untervertreten.» Doch die Techniker gehörten, das sei auch ihm schon aufgefallen, nicht unbedingt zu den geborenen Politikern.
«Politik und Technik sind zwei verschiedene Welten. Mir macht die Verbindung dieser Welten Spass. Aber ich begreife auch, dass diese Kluft einigen meiner Berufskollegen Probleme bereitet.»
Die Politik sei nicht so lösungsorientiert wie das Denken eines Ingenieurs. Sie verlaufe auch weniger in Schemen.
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Nationalrat
Viele Märchen in Energie- und Klimapolitik
Wasserfallens Ziel im Nationalrat besteht darin, sein Wissen in Bereichen wie Energie- und Klimapolitik einzubringen: «Aus meiner Sicht zirkulieren in diesen Bereichen viele Märchen, die es als Ingenieur zu widerlegen gilt.»
Er hofft, mit lösungsorientierten Vorschlägen beruflich ähnlich ausgerichtete Politikerinnen und Politiker aus anderen Parteien ansprechen zu können.
«In einem Parlament ist es eine Grundvoraussetzung, die Lösungen jeweils innerhalb mehrerer Parteien zu suchen. Sonst kommt man ja nie auf eine Mehrheit.»
Jung, weiblich – oder männlich?
Der Nationalrat habe sich leicht verjüngt, konstatiert Wasserfallen. «Ich als 81er-Jahrgang bin nicht einmal der jüngste.»
Was ihn ebenfalls positiv stimmt: «In früheren Jahren waren es unter den Jungen vor allem Frauen, die gewählt wurden. Jetzt sind auch wieder einmal junge Männer gewählt worden, über das ganze politische Spektrum hinweg.»
Jung, männlich – und Hardliner?
«Werde ich als Hardliner bezeichnet, dann geht es um meine sehr direkte und konsequente Linie», sagt Wasserfallen. «Zu dem stehe ich auch. Mit rechts oder links hat das nichts zu tun.» Ihm sei es lieber, eher das Image eines Hardliners zu haben. «Dann gelte ich zumindest nicht als Windfahne!»
Die harte Linie eigne sich für jedes Thema. «Steigt man schon mit einem Kompromiss in eine Diskussion ein, kommen weniger gute Lösungen zustande.» Notwendige Kontroversen würden dann wegfallen, und Vor- und Nachteile schälten sich nicht klar genug heraus. Deshalb sei es ihm lieber, wenn auch der politische Gegner Klartext spreche.
Auslandschweizer: «Viele kleine Botschafter»
Wasserfallen kennt einige Auslandschweizer-Familien. In Südkorea etwa war er Gast bei Auslandschweizern aus Münsingen bei Bern. «Unsere Politik erscheint dort zwar etwas fern. Aber das Interesse am Land bleibt gross, weil man sich mit ihm identifiziert.»
Die Auslandschweizer kamen ihm wie kleine Botschafter ihres Landes vor. Bei den Listen der Jungfreisinnigen habe es ja auch Auslandschweizer gegeben, die sich zur Wahl stellten. «Bei diesen fiel mir auf, dass sie neben dem nationalen auch stark an regionalen Aspekten interessiert waren – an der Gegend eben, aus der sie ursprünglich stammen.»
Wie die Väter, so die Söhne und Töchter?
Wie seine Berner Parteikollegin Christa Markwalder ist auch Christian Wasserfallen politisch ein Erbe seines Vaters. Ist das im alten Stand Bern eine Tradition? Auch Stadtpräsident Alexander Tschäppät ist schliesslich der Sohn eines verdienstvollen Stadtpräsidenten – der eine wie der andere Sozialdemokrat.
Wäre es nicht «normaler», wenn Kinder bürgerlicher Exponenten ihr politisches Heil auf der linken Seite suchten – und umgekehrt? «Nein», findet Wasserfallen. «Ich glaube, dass grossmehrheitlich die Kinder von Politikern so denken wie ihre Eltern. Wertschätzung, Weltanschauung und Vorstellungen bleiben in meinem Fall eben freisinnig.»
swissinfo, Alexander Künzle
Nationalrat 2007 (2003):
neu gewählte Mitglieder: 25,0 (29,5)%
nicht mehr Gewählte: 11,5 (11,5)%
Frauenanteil: 29,0 (25,0)%
Durchschnittsalter: 51,3 (51,6) Jahre
Jüngstes Mitglied: 25,1 (25,5) Jahre
Ältestes Mitglied: 76,2 (69,2) Jahre
Mit rund 2,5%-Twen-Anteil ist das Parlament in Bern zwar weit von einer altersgemässen Vertretung der Bevölkerung entfernt, aber immer noch jünger als die Parlamente in Italien oder Frankreich.
Christian Wasserfallen, 26, ist Jungfreisinniger (Freisinnig-Demokratische Partei, FDP).
Er erhielt im Oktober 51’582 Stimmen und zieht als Berner Jungparlamentarier in den Nationalrat ein.
Die FDP des Kantons Bern hat bei den Nationalrats-Wahlen einen Anteil von 15,1 (+0,3)% erreicht.
Parteikarriere:
2000: Vorstand Jungfreisinnige Stadt Bern
2003 – 2007: Stadtrat Bern
2007: Vorstand Jungfreisinnige Schweiz
2007: Vorstand Kanton Bern
2007: Geschäftsleitung FDP Kanton Bern
Neu gewählte «80er»: Bastien Girod, 1980 (GPS), Christian Wasserfallen 1981 (FDP), und Lukas Reimann 1982 (SVP).
Neu gewählte «70er»: Natalie Rickli, 1976 (SVP).
Bereits «alte» 70er:
Evi Allemann, 1978 (SP), Pascale Bruderer 1977 (SP), Chantal Galladé, 1972 (SP), Ursula Wyss, 1973 (SP), Andrea Geissbühler, 1976 (SVP), Toni Brunner, 1974 (SVP) und Jasmin Hutter, 1978 (SVP), Christa Markwalder, 1975 (FDP), Ada Marra, 1973 (PS), Isabelle Moret, 1970 (PRD), Tiana Angelina Moser, 1979 (GLP), Roger Nordmann, 1973 (PS) Adèle Thorens, 1971 (PES) sind– sie sind bereits früher gewählt worden.
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