Linke will Wehrpflicht abschaffen
Eine Freiwilligen-Armee von 50'000 Mann, deren Hauptauftrag die Friedenssicherung im Ausland ist: Das fordert die SP Schweiz in ihrem neuen Armeekonzept.
Die gegenwärtige Armee XXI führe in die Sackgasse, lautet die Kritik der linken Partei.
Die Armee XXI führe in die Sackgasse, kritisiert die Sozialdemokratische Partei der Schweiz (SP) in einem Papier, das sie am Freitag in Bern vorstellte. Nach dem Wegfall des klassischen Verteidigungsfalls sei die Armee nicht genügend auf die echten Risiken ausgerichtet und mit 120’000 innert Tagen mobilisierbaren Soldaten noch immer viel zu gross.
Der SP genügen auch die jüngst vom Bundesrat beschlossenen Anpassungen mit der leichten Verlagerung auf das friedenserhaltende Engagement im Ausland nicht.
Die Strategie, den unwahrscheinlich gewordenen Verteidigungsfall durch Botschaftsbewachungen und andere Einsätze im Innern zu ersetzen, sei zudem «nicht zielführend», hiess es.
Die Aufträge
«Es herrscht Orientierungslosigkeit bis hinauf zum Verteidigungsminister und zum Armeechef», sagte SP-Parteipräsident Hans-Jörg Fehr. Laut Nationalrätin Barbara Haering braucht es «statt hilfloser Anpassungsversuche einen Ab- und Umbau der Armee, der Auftrag, Struktur und Mittel in politisch sinnvolle Beziehung zueinander bringt».
Einen vorrangigen Auftrag der Armee sieht die SP darin, an internationalen friedensunterstützenden Einsätzen teilzunehmen, sofern diese unter dem Mandat der UNO, der OSZE (Organisation für Entwicklung und Zusammenarbeit in Europa), der EU oder der Partnerschaft für den Frieden der NATO stünden.
Ausbau
Die Schweiz müsse dieses Engagement verstärken und in der Lage sein, mit einem Task Force Bataillon permanent bis zu 1500 Soldatinnen und Soldaten im Ausland einzusetzen.
Beitragen soll die Armee aber auch zur Erhaltung der demokratischen Handlungsfähigkeit und der staatlichen Souveränität, wobei es zur Wahrung der Lufthoheit die Zusammenarbeit mit den Nachbarn brauche.
Dazu kommen der Schutz der Bevölkerung und ihrer Lebensgrundlagen, beispielsweise bei anhaltenden Terrordrohungen, sowie humanitäre Hilfe und Katastropheneinsätze.
Freiwilligen-Miliz
Für diese Aufträge genügen nach Ansicht der SP 50’000 Armeeangehörige: 12’000 Berufs- und Zeitsoldaten als Kern der Armee und eine freiwillige Miliz mit 38’000 Angehörigen. Davon müsste ein Viertel in erhöhter Bereitschaft stehen. Für Verwaltung, Logistik, Flug-und Waffenplätze brauche es 4000 Zivilangestellte und 500 Lehrlinge.
Mit diesem Modell will die SP die heutige Wehrpflicht sistieren oder ganz aufgeben. Die Wehrpflicht lasse sich moralisch nicht mehr rechtfertigen, verletze das Prinzip der Wehrgerechtigkeit und sei volkswirtschaftlich ineffizent. Mit einer Freiwilligen-Miliz, die ziviles Know-how nutze, sei die Armee breit abgestützt, motiviert, flexibel und kostengünstig.
Um den Übergang abzufedern, regt die SP einen Zwischenschritt mit stark verkürzter Wehrpflicht an. Neben 7500 Angehörigen des Armee-Kerns und 30’000 der freiwilligen Miliz gäbe es dann noch 18’000 Wehrpflichtige.
Im übrigen plädiert die SP für einen sozial-und regionalverträglichen Personalabbau sowohl im Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS) wie auch bei der Armee.
Keine Einsätze im Innern
Vehement abgelehnt wird die Ausrichtung der Armee auf Einsätze im Inland. In den letzten Jahren seien von der Armee durchschnittlich jeweils mehr als 300’000 Diensttagee für die Innere Sicherheit geleistet worden, sagte Haering.
40% der WK-Formationen stünden regelmässig in Assistenzdienst-Einsätzen. Mit seinen Beschlüssen vom 11. Mai dieses Jahres baue der Bundesrat (Landesregierung) die Armee zusätzlich für diese Einsätze im Inland um.
Der schleichende Prozess der letzten Jahre, Soldaten vermehrt als Hilfspolizisten einzusetzen, müsse gestoppt werden, forderte der Berner SP-Nationalrat Paul Günter.
Einladung an Bundesrat, FDP und CVP
Nach Ansicht der SP könnten mit der neuen Armee die Militärausgaben von derzeit jährlich vier Mrd. Franken erheblich gesenkt werden. Das Papier nennt keine Zahlen. Haering rechnet aber mit Kosten leicht unter den 2,5 Mrd., welche die SP früher für eine reine Zeitsoldatenarmee kalkuliert hatte.
Die SP erwartet nun vom Bundesrat den Einsatz einer unabhängigen Kommission, die unter Beizug internationaler Fachleute neue militärpolitische Strategien erarbeitet. Ihr Konzept sei ein Angebot, die Weiterentwicklung der Schweizer Armee mitzutragen. Die Freisinnige Partei der Schweiz (FDP) und die Christlichdemokratische Partei (CVP) sollten sich nun mit ihr an einen Tisch setzen.
swissinfo und Agenturen
Die veränderte politische Landkarte seit den 1990-er Jahre bedingte eine Anpassung auch der Schweizer Armee.
Die neue Armee XXI bringt die Verkleinerung von 360’000 auf 220’000 Mann: 120’000 Soldaten, 80’000 Reservisten und 20’000 Rekruten.
Die Rekrutenschule dauert für gut 13’000 Auszubildende 21 Wochen, für den Rest 18 Wochen.
An der Urne haben 2003 drei Viertel der Stimmenden die Armeereform gutgeheissen.
Die Armee laut Vorstellungen der SP:
Nur noch 50’000 Mann.
Die Wehrpflicht ist abgeschafft.
Der Kern bestünde aus 12’000 Berufssoldaten, 38’000 Angehörige bildeten eine freiwillige Miliz.
Das brächte Einsparungen von über 1,5 Mrd. Franken pro Jahr.
Wichtigster Auftrag wären friedenssichernde Einsätze im Ausland.
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