Schweizer Perspektiven in 10 Sprachen

Strippenzieher Markus Ritter oder Dossier-Profi Martin Pfister?

Martin Pfister Markus Ritter
Ähnlich, aber doch nicht gleich: Martin Pfister (rechts) und Markus Ritter. Keystone / Peter Klaunzer

Markus Ritter, Chef der einflussreichen Bauernlobby, gilt als Favorit für die nächste Bundesratswahl. Doch der Zuger Gesundheitsminister Martin Pfister könnte für eine Überraschung sorgen.

Schon eine Stunde vor seinem Auftritt an der Delegiertenversammlung der Mitte-ParteiExterner Link sitzt Markus Ritter im Café und plaudert mit Parteimitgliedern. Sein Rivale Martin Pfister hingegen kommt erst zehn Minuten vor Beginn der Veranstaltung, die Ende Februar im Kongresszentrum von Visp im Kanton Wallis stattfindet. Er begrüsst kurz die Anwesenden. Dann geht er direkt zu seinem Platz.

Die Anekdote zeigt: Die beiden Kandidaten auf dem «Bundesratsticket» der Mitte für die Nachfolge der zurückgetretenen Verteidigungsministerin Viola Amherd unterscheiden sich mehr in der Form – im Inhalt weniger.

Ähnliche Positionen

Denn im Kern vertreten beide ähnliche Positionen zu den grossen politischen Dossiers der Gegenwart. Beide anerkennen insbesondere die Bedeutung der neuen Verträge mit der Europäischen Union. Sie sagen aber auch, dass drei Punkte noch zu prüfen seien: der Lohnschutz, die Schutzklausel bei der Zuwanderung und der Streitbeilegungsmechanismus.

Markus Ritter wird als gefürchteter Lobbyist beschrieben, während sich Martin Pfister als stille Kraft präsentiert.

Externer Inhalt

Diese Eigenschaften werden von einigen Parlamentariern als Stärken, von anderen als Schwächen gesehen. Sie werden eine wichtige Rolle spielen, wenn die Bundesversammlung am 12. März entscheiden muss.

Markus Ritter: einflussreich, aber umstritten

 «Ich habe gute Freunde in Bern, es gibt aber auch Leute, mit denen ich harte politische Diskussionen führen musste», antwortet Markus Ritter auf die Frage, ob ihm sein Favoritenstatus einen Sitz in der Regierung garantiere.

Der 57-jährige St. Galler ist ein Schwergewicht in der eidgenössischen Politik. Er wurde 2011 in den Nationalrat gewählt. Dort ist er Mitglied der mächtigen Kommission für Wirtschaft und Abgaben und seit 13 Jahren Präsident des Schweizerischen Bauernverbandes.

Biobauer und Lobbyist: Markus Ritter, Martin Pfister
Biobauer und Lobbyist: Markus Ritter Keystone / Gian Ehrenzeller

In dieser Funktion hat er sich in Bern ein grosses Netzwerk aufgebaut und ist zu einem der einflussreichsten Parlamentarier geworden. Seine Qualitäten als Lobbyist der Bauern werden auch über die Parteigrenzen hinaus anerkannt.

Die Nationalrätin der wirtschaftsliberalen FDP, Jacqueline de Quattro, beschreibt ihn als «gefürchtet und effizient». «Er hat uns alle einmal um den Finger gewickelt, und er wird uns wieder um den Finger wickeln», sagt sie. Sie lobt seine Kompetenz und «seine Charakterstärke», ist aber der Meinung, dass der Bundesrat keinen Cheflobbyisten brauche.

Markus Ritter zeigt sich motiviert, das Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und SportExterner Link (VBS) zu übernehmen, das derzeit noch von der zurückgetretenen Bundesrätin geleitet wird. Die Probleme, die das VBS belasten, schrecken ihn nicht ab: Projektverzögerungen, Budgetüberschreitungen und die aufeinander folgenden Rücktritte des Chefs der Armee und des Chefs des Nachrichtendienstes. «Hier liegen die interessantesten Aufgaben», sagt er.

Verteidigung ist eine Herausforderung

In einem geopolitischen Umfeld, in dem sich die USA von Europa distanzieren, plädiert er für eine «starke bewaffnete Neutralität». «Ich werde mich dafür einsetzen, dass unsere Armee wieder verteidigungsfähig wird. Das ist die grosse Herausforderung.»

De Quattro ist jedoch nicht überzeugt, dass der Bauernführer bereit ist, langfristig in diese Rolle zu wechseln und in der Verteidigung zu bleiben.

«Ich befürchte, dass Markus Ritter bei der ersten Gelegenheit die Leitung des Volkswirtschaftsdepartements übernehmen wird, dem das Landwirtschaftsamt unterstellt ist. Sein Herz schlägt für die Landwirtschaft und er wird nicht widerstehen können. Wir brauchen aber Stabilität im VBS», sagt die Nationalrätin.

Markus Ritter hat sich nach eigenem Bekunden viele Feinde unter der Bundeshauskuppel gemacht. Vor allem bei den Umweltschützer:innen. «Seit Jahren hegt er einen Groll gegen die Umweltszene wegen einer Informationskampagne über Pestizide«, sagt der grüne Nationalrat Christophe Clivaz.

Markus Ritter Martin Pfister
Gefürchteter Strippenzieher im Bundeshaus: Markus Ritter Keystone / Anthony Anex

Damit habe er mehrere von den Grünen unterstützte Vorlagen torpediert, sagt der Walliser Politiker und nennt insbesondere den Gegenvorschlag zur Biodiversitätsinitiative, den das Parlament schliesslich versenkte. «Er führt einen grundsätzlichen Kampf gegen die Umweltorganisationen», sagt Clivaz.

Landwirt, konservativ, heimatverbunden

Ein Groll, der paradox erscheinen mag, da Markus Ritter, ein ausgebildeter Landwirt, einen Biobetrieb betreibt. Er hat die operative Führung seines Hofes vor einigen Jahren an seine beiden Söhne abgegeben, hilft ihnen aber regelmässig aus.

Sollte er Bundesrat werden, würde er seine begrenzte Freizeit weiterhin dem Familienbetrieb widmen. «Ich würde mich freuen, wenn ich mich um meine Bienen kümmern und ein wenig mit meinen Tieren arbeiten könnte. Das ist eine meditative Tätigkeit, bei der man sich bewegt und abschalten kann», sagt er.

«Ich kenne viele Auslandschweizer, die in Kanada, den USA oder Südamerika in der Landwirtschaft arbeiten»

Markus Ritter

Markus Ritter fällt auch durch eine konservative Haltung in gesellschaftlichen Fragen auf. Der tiefgläubige Katholik hat sich etwa gegen die Entkriminalisierung der Abtreibung ausgesprochen und sich bei der Abstimmung über die Ehe für alle im Parlament der Stimme enthalten. Er ist auch gegen die Legalisierung von Cannabis und gegen die aktive Sterbehilfe. Es ist ein Profil, das die konservative Rechte ansprechen, die Linke jedoch abschrecken dürfte.

Der Bundesratskandidat unterstreicht im Gespräch mit SWI swissinfo.ch auch seine Verbundenheit mit der Wählerschaft der Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer. «Ich kenne viele, die in Kanada, den USA oder Südamerika in der Landwirtschaft arbeiten», sagt er.

Martin Pfister, verkannt, aber überzeugend

Die Presse nannte ihn den «grossen Unbekannten». Martin Pfister amüsierte sich darüber, als er sich den Medien vorstellte. Martin Pfister, seit 2016 Gesundheitsminister des Kantons Zug, ging mit einem grossen Handicap ins Rennen: Er verkehrt nicht unter der Bundeshauskuppel. Das ist nicht unbedeutend, denn die letzte Wahl eines Nicht-Parlamentariers in die Landesregierung datiert von 2007, als Eveline Widmer-Schlumpf ins höchste Amt gewählt wurde.

Der 61-jährige Regierungsrat musste also seine Erfahrung in der kantonalen Exekutive nutzen, um seine mangelnde Bekanntheit im Bundeshaus zu kompensieren. Im Kanton Zug geniesst Martin Pfister gute Sympathiewerte bis weit ins linke Lager, auch wenn seine Haltung gegenüber der Steuerpolitik der Zuger Regierung von einigen als «wenig mutig» kritisiert wurde.

Martin Pfister Markus Ritter
Wenig Bern-Erfahrung: Martin Pfister. Keystone / Urs Flueeler

Der Grüne Andreas Lustenberger kennt Martin Pfister aus seiner Arbeit in der Gesundheitskommission des Kantonsparlaments. «Die Zusammenarbeit mit ihm ist sehr angenehm. Er ist stets bemüht, transparent zu informieren, hört zu und nimmt verschiedene Meinungen auf», sagt Lustenberger.

Der Zuger Grüne sieht in ihm auch einen Politiker, der Mehrheiten finden kann. «Die Regierungsgeschäfte, die er in die Kommissionen bringt, werden grundsätzlich akzeptiert. Er kann mit allen Parteien diskutieren und ausgewogene Kompromisse finden», sagt Lustenberger. Das könnte ihm bei der Nachfolge von Viola Amherd als Vorsteherin des Verteidigungsdepartements zugute kommen. Diese konnte ihre Regierungskolleginnen und Regierungskollegen oft nicht überzeugen.

Oberst Martin Pfister kennt die Armee

Pfister hat einen weiteren Trumpf im Ärmel: seine Armeekenntnisse als Oberst. Damit sieht sich der Zuger für die Übernahme des VBS gerüstet. «Ich bereite mich bereits auf den Amtsantritt vor. Ich muss sehen, was gut und was schlecht läuft, Prioritäten setzen und rasch handeln», sagt er.

Der ehemalige Oberst ist der Meinung, dass die Verteidigungsstrategie der Schweiz überarbeitet werden muss. «Der Bund muss auf die veränderte internationale geopolitische Lage reagieren. Die europäischen Partner werden eine wichtige Rolle spielen, weil wir uns in Zukunft weniger auf die Macht der USA verlassen können», analysiert er.

Im Bundeshaus ist er zwar schon einigen Abgeordneten über den Weg gelaufen, aber man kennt ihn kaum. Die erste Resonanz auf den Gängen des Parlaments ist jedoch positiv. «Ich höre nur Gutes über ihn», sagte Jacqueline de Quattro vor den Hearings.

«Das Amt formt den Menschen»

Der Genfer Ständerat Mauro Poggia hatte ihn in der Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren kennen gelernt. Er beschreibt ihn als einen Mann, der sich in seinen Dossiers gut auskennt. «Er ist diskret, respektiert das Ganze und kann streiten, ohne laut zu werden», sagt er.

Martin Pfister Markus Ritter
Krisenerprobter Pfister (r.): Der Gesundheistdirektor während der Coronapandemie. Keystone

Trotz seiner zurückhaltenden Art und seiner fehlenden Erfahrung in der nationalen Politik ist Poggia überzeugt, dass der Zuger Regierungsrat das Zeug zum Bundesrat hat. «Das Amt formt den Menschen», sagt er.

Auch Martin Pfister ist urbaner und weniger konservativ als sein Rivale. Der Historiker und Germanist hat an der Universität Fribourg und an der Volksschule studiert, bevor er Wirtschaftsdachverbände leitete und als selbständiger Berater tätig war.

«Wenn ich meinem Sohn einen Rat geben müsste, würde ich ihm sagen, dass er eine Zeit lang im Ausland leben soll.»

Martin Pfister

In seiner Freizeit joggt er, interessiert sich für Kultur und liest viel, was er im Falle seiner Wahl auch weiterhin tun will.

Auf das Posaunenspiel in einer Luzerner Guggenmusik wird er als Bundesrat wohl verzichten müssen. Er liebt die Fasnacht und hat dort auch seine brasilianische Frau Cacilda kennengelernt. Diese hatte bereits zwei Töchter, später bekam das Paar einen Sohn und eine Tochter. Heute haben die beiden vier Enkelkinder.

Mit einer internationalen Familie ist ihm die Wählerschaft der Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer sehr wichtig. «Ich habe selber für kurze Zeit in den USA studiert. Und wenn ich meinem Sohn einen Rat geben müsste, würde ich ihm sagen, dass er eine Zeit lang im Ausland leben und eine andere Kultur kennen lernen soll», sagt er.

Was ist Ihre Meinung? Debattieren Sie mit:

Externer Inhalt

Editiert von Samuel Jaberg, ins Deutsche übertragen mit Hilfe von DeepL: Balz Rigendinger

>> Lesen Sie auch:

Mehr
Bundesratskandidat Markus Ritter französisch

Mehr

Combien Français pour Bundesrat?

Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht Zwei Männer wollen Bundesrat werden. Gute Kenntnisse der Landessprachen gehören dazu. Doch da bestehen Schwächen. Ist das schlimm?

Mehr Combien Français pour Bundesrat?

Meistgelesen
Swiss Abroad

Meistdiskutiert

In Übereinstimmung mit den JTI-Standards

Mehr: JTI-Zertifizierung von SWI swissinfo.ch

Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!

Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft