Maurer als «Bundesrat auf Bewährung»
Mit der Rückkehr der SVP in den Bundesrat sei die Konkordanz wieder halbwegs hergestellt, so der Tenor der Schweizer Presse. Ueli Maurer sei allerdings ein "Bundesrat auf Bewährung", betonen mehrere Kommentatoren.
Die Bundesratsersatzwahlen waren ein Krimi: Mit nur einer Stimme siegte Nationalrat Ueli Maurer von der Schweizerischen Volkspartei (SVP) schliesslich gegen den Sprengkandidaten Hansjörg Walter.
«Zufallsmehr für Maurer», titelt Der Bund. Die knappestmögliche Kür verbinde staatspolitische Vernunft mit glaubwürdiger Sanktionsdrohung für den Fall, dass Ueli Maurer und die SVP die Chance nicht packen würden.
Von Zufall spricht auch die Basler Zeitung: «Am Schluss war es nicht politische Vernunft, sondern der pure Zufall, welcher verhinderte, dass die mit der Wahl Walters in eine Krise mit unabsehbaren Folgen schlitterte.»
Mit einem Fusstritt habe das Parlament gestern Ueli Maurer in den Bundesrat befördert. «Er wurde gewählt und zugleich gemassregelt für seine Ausfälligkeiten als SVP-Präsident», schreibt die Basler Zeitung weiter.
Die Wochenzeitung sieht Maurer als «schwachen Bundesrat», weil seine knappe Wahl ein Misstrauensvotum sei. Die Weltwoche geisselt dagegen das Wahlverhalten von Linken und Grünen als «hinterhältiges Spiel», das darauf ausgelegt war, die SVP weiter auszugrenzen.
In der Schweizer Presse wird im Zusammenhang mit Maurer immer wieder von einem «Bundesrat auf Bewährung» gesprochen.
Sollte ihm in den nächsten drei Jahren kein überzeugender Auftritt als Verteidigungsminister und Bundesrat gelingen, werde das Parlament nicht zögern, ihn wie Christoph Blocher nach nur einer Amtszeit in die Wüste zu schicken, schreibt etwa die Berner Zeitung.
«Abwahl droht»
Die Medien sehen mit der Rückkehr der SVP in den Bundesrat auch eine Rückkehr zur Konkordanz. «Maurers Wahl ist richtig, weil jetzt das Konkordanz-Gerüst wieder halbwegs steht», schreibt Der Bund.
Durch Maurer werde die stärkste Partei mit ihrer Integrationsfigur in die Regierungsverantwortung eingebunden – und in die Pflicht genommen. «Das ist die klügere Art, die Partei an die demokratischen Gepflogenheiten zu erinnern als durch Demütigung», so die Basler Zeitung.
«Wichtig für die Schweiz ist die mit der Wahl einhergehende Beruhigung der Politik», schreibt die Berner Zeitung. Dass die wählerstärkste Partei wieder in der Regierung vertreten ist, hält auch Le Matin für einen weisen Entscheid. Für den Quotidien jurassien befindet sich das Schweizer Politsystem nun wieder in einem gewissen Gleichgewicht.
Auch die Tribune de Genève räumt ein, dass nun wieder eine Art institutionelle Stabilität bestehe. Die Freiburger Liberté findet es überdies konsequent, dass man mit Maurer auch gleich einen typischen SVP-Vertreter wählte und nicht eine «Assugrin-Lösung» traf.
Skeptisch ist die Neuenburger Presse. Die SVP habe sich schon zwischen 2003 und 2007 in der Doppelrolle von Opposition und Regierungspartei gefallen, heisst es in Impartial und Express. Das Journal du Jura hätte die Partei angesichts des unbefriedigenden Zweiertickets lieber weiterhin in der Opposition gesehen.
«Genau beobachtet»
Die Schweizer Presse nimmt Maurer in die Pflicht. Maurers SVP habe mit dieser Wahl zum letzten Mal die Chance erhalten zu zeigen, dass auch aus Hardlinern erfolgreiche Bundesräte werden können, schreibt der Tages-Anzeiger.
Ueli Maurer müsse sein Bekenntnis zur Kollegialität ernst nehmen und sich wirklich von Blocher abnabeln, fordert die Basler Zeitung.
Er müsse sich zur integrativen Regierungspersönlichkeit entwickeln, ergänzt der Tages-Anzeiger. Der neue Bundesrat werde auf jeden Fall sehr genau beobachtet werden, weiss Le Temps. Maurers Rollenwechsel, so er denn wie erhofft stattfindet, wird in der von inneren Spannungen erschütterten SVP mit Argusaugen verfolgt werden», ist auch der Tages-Anzeiger überzeugt.
Die Neue Zürcher Zeitung mahnt Maurer, die auf Angriff und permanenten Wahlkampf getrimmte SVP nun in die Regierungsverantwortung einzubinden. Der Bund ist sich zwar sicher, dass die SVP nicht zur braven Partei wird. Es bestehe aber Hoffnung auf eine gewisse Entspannung.
«Die SVP ist jetzt mit einem offiziellen Kandidaten im Bundesrat vertreten, das wird ihren oppositionellen Spielraum verkleinern», findet die Neue Luzerner Zeitung.
Die Südostschweiz schliesslich blickt bereits weit in die Zukunft: «Der nächste SVP-Bundesrat dürfte Hansjörg Walter heissen.» Denn dieser habe sich am Mittwoch gegenüber der SVP als loyaler Parteigänger und gegenüber dem restlichen Parlament als ehrlicher Bauersmann qualifiziert.
swissinfo, Corinne Buchser
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Konkordanz
Die Schweiz sei «an einem politischen Beben vorbeigeschrammt», schreibt die Badische Zeitung.
Auch für Die Presse in Österreich ist das «Schweizer Regierungssystem gerettet»; Blocher «ist nun in der Bundespolitik endgültig weg vom Fenster», ist sie überzeugt. «Die anti-europäische Rechte kehrt in die Regierung zurück, verliert aber ihren Führer», titelt Il sole/24 Ore im Internet.
Für die Wiener Zeitung ist klar: «Mit der Wahl Maurers ist die politische Karriere Christoph Blochers beendet, des einstigen starken Mannes der Partei.» Der Entscheid sei «eine Rückkehr zur Konkordanz», titelt das Blatt.
«Wenn es auch nicht Christoph Blocher ist, dann ist es doch sein Bruder», warnt jedoch der belgische Le Soir.
Maurer werde «ein Bundesrat unter Beobachtung» sein, schreibt Le Monde im Internet. Doch die Wahl Maurers hat laut der französischen Zeitung die SVP- internen Spannungen etwas beruhigt, gar ein «Psychodrama» verhindert.
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