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Merz-Geste als bittere, aber nötige Pille

"Kniefall der Schweiz vor Gaddafi": So sieht es auch die Westschweizer Presse swissinfo.ch

"Bückling" und "Bussgang": Das Echo auf die Entschuldigung von Bundespräsident Hans-Rudolf Merz bei Muammar Gaddafi tönt in der Schweizer Presse wenig schmeichelhaft. Dennoch sei die Geste nötig gewesen.

Merz› überraschende Entschuldigungs-Mission vom Donnerstag zum libyschen Revolutionsführer zeigte die erhoffte Wirkung: Zwei Schweizer, die seit einem Jahr im Wüstenstaat festgehalten werden, können Libyen verlassen. Und die eingefrorenen Beziehungen zwischen den beiden Ländern sind aufgetaut.

Die Reise des Bundespräsidenten beendet eine einjährige Krise, die nach der Verhaftung eines Gaddafi-Sohnes und dessen Ehefrau in Genf eskaliert war. Zwei Hausangestellte hatten gegen das Paar Klage wegen Misshandlung eingereicht.

Die Neue Zürcher Zeitung bezeichnet es als bittere Pille, dass sich Merz bei Gaddafi dafür entschuldigt, dass in Genf vor dem Gesetz alle gleich sind. Doch das Resultat stimme. «Der Canossagang nach Tripolis ist dem Bundespräsidenten daher nicht zu verübeln, so die NZZ.

Grösse gezeigt

Mit der Geste hätten die Schweizer Behörden Grösse gezeigt, so die Neue Luzerner Zeitung. «Eine politische Entschuldigung allein ist aber keineswegs gleichbedeutend mit einem Eingeständnis von rechtlicher Schuld», gibt die NLZ zu bedenken.

«Der Bückling von Hans-Rudolf Merz mit seiner Entschuldung für Hannibals Verhaftung ist schmerzlich tief», schreibt die Basler Zeitung. Doch die Kröte der Reisen erst von Aussenministerin Micheline Calmy-Rey und jetzt von Merz habe die Schweiz schlucken müssen. «Im höheren Landesinteresse (…) ist eine Belegung des Streits zu begrüssen.»

Der Zürcher Tages-Anzeiger bringt den Merz’schen Tagestrip auf die nüchterne Formel «Bussgang bringt Einigung mit Libyen». Die Berner Zeitung verweist auf die Symbolik der Geste von Merz. Die Inszenierung der Entschuldigung an einer Medienkonferenz in Tripolis habe den Eindruck eines Bussgangs des höchsten Schweizer Regierungsvertreters erweckt. «Nüchtern betrachtet hat Merz mit wenig Aufwand sehr viel erreicht», attestiert ihm die BZ.

Rauer Wind

Weniger gnädig urteilt der Blick. Die Formel «Bilaterale Beziehungen Schweiz-Libyen wiederhergestellt», mit der das Departement den Erfolg des Finanzministers meldete, sind laut der Boulevardzeitung «schöne Worte für einen wüsten Bückling.»

Noch härter mit dem Bundespräsidenten geht das St. Galler Tagblatt ins Gericht, denn durch die Aktion sei der Rechtsstaat und das Ansehen der Schweiz strapaziert. «Es ist nicht Sache des Bundespräsidenten, zu beurteilen, ob jene Verhaftung gebührlich und nötig war.»

Habe Merz am Vortag mit der Einigung mit den USA im UBS-Steuerstreit ein Tor erzielt, habe er einen Tag später ein Eigengoal geschossen, so das St. Galler Tagblatt.

Schwache Schweiz

Harscher im Ton auch die Westschweizer Zeitungen. 24 Heures schreibt von einer «desaströsen Bilanz».

Le Matin stört sich daran, dass Merz in allen Punkten nachgegeben habe und dabei nicht einmal von Oberst Gaddafi persönlich empfangen worden zu sein. Noch schlimmer für Le Matin ist aber die offenkundliche Schwäche der kleinen Schweiz.

Le Temps wertet die Entschuldigung als «Kapitulation», mit der die Schweiz den maximalen Preis zahle.

Renat Künzi, swissinfo.ch

2007 war Libyen der wichtigste Handelspartner der Schweiz in Afrika – noch vor Südafrika und Nigeria – mit einem Gesamtvolumen von 1,937 Mrd. Franken.

Über die Hälfte der Schweizer Rohölimporte (2007: 56%) kommen aus Libyen.

Die Schweizer Handelsbilanz gegenüber Libyen ist negativ. Im letzten Jahr weist sie einen Negativsaldo von 1,3 Mrd. Franken aus. Dies ist auf die Öleinfuhren zurückzuführen (1,7 Mrd. Franken).

Die Schweizer Exporte (2007: 280 Mio.) bestehen hauptsächlich aus Maschinen sowie Pharma- und landwirtschaftlichen Produkten.

Eine der zwei Erdölraffinerien in der Schweiz und ein Netz von 350 Tankstellen befindet sich in der Hand der libyschen Tamoil.

Die politischen Kontakte zwischen Bern und Tripolis normalisierten sich 2003, nach der Aufhebung der UNO-Sanktionen.

1997 verweigerte Tripolis Schweizer Bürgern die Einreise, weil die Schweiz einem Sohn von Oberst Gaddafi keine Studentenvisum gewährt hatte. Im Gegenzug verschärfte die Schweiz die Einreisebestimmungen für libysche Staatsangehörige. Der Konflikt wurde im April 1998 gelöst.

In Libyen leben ungefähr 40 Schweizer Staatsangehörige, von denen die meisten Doppelbürger sind.

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