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Merz in Washington gegen Bankenabgabe

Gute Laune trotz wenig Einigkeit am IWF-Treffen in Washington. Keystone

Ein Kompromiss zur Beteiligung der Banken an Krisenlasten scheint in weiter Ferne. Auch die Schweiz ist gegen eine Bankenabgabe, wie Bundesrat Hans-Rudolf Merz anlässlich des Frühjahrstreffens des Internationalen Währungsfonds in Washington sagte.

«Die Anzeichen für eine Stärkung der konjunkturellen Erholung sind ermutigend, aber es gibt noch viele Probleme, die gemeinsam gelöst werden müssen», heisst es in der am Samstag in Washington vorgelegten Abschlusserklärung des IWF.

Ein wachsendes Risiko gehe von der hohen Staatsverschuldung vieler Länder aus, heisst es in dem Text.

Die 186 IWF-Mitgliedsländer erklären darin ihr «starkes Engagement, die Nachhaltigkeit der öffentlichen Haushalte zu sichern und die Risiken der Staatsschulden anzugehen».

«Keine Einigkeit»

Es würden zwar viele Vorschläge vorliegen, es herrsche aber keine Einigkeit, wie unter anderem die Finanzmärkte besser reguliert, die Währungs- und Fiskalpolitik geführt, Exportgeschäfte geregelt und Fonds zur Verhinderung neuer Krisen eingerichtet werden sollen, sagte Finanzminister Hans-Rudolf Merz vor den Medien.

«Über das Ausmass der Krise waren sich bisher alle einig. Doch was die zu treffenden Massnahmen betrifft, so gehen die Meinungen auseinander», sagte der Finanzminister in Washington gegenüber swissinfo.ch.

«Länderbezogene Lösungsansätze»

Hans-Rudolf Merz spricht sich gegen eine Bankenabgabe aus. «Der Finanzsektor darf nicht zu stark belastet werden», warnt der Finanzminister.

Während die Schweiz also eine Bankenabgabe ablehnt, sind etwa die USA, Deutschland, Grossbritannien und Frankreich für eine Abgabe. Auch der Chef des Internationalen Währungsfonds, der Franzose Dominique Strauss-Kahn, stellte sich auf die Seite der Befürworter.

«Jedes Land hat die Krise selber erlebt; man sollte deshalb den Mut oder die Weisheit haben, regionale und länderbezogene Lösungsansätze miteinzubringen», sagte Merz.

Die Schweizer Grossbank UBS habe das Geld, mit dem sie vom Schweizer Staat unterstützt wurde, mit einem Gewinn von 1,5 Milliarden Franken zurückbezahlt. Die Situation sei deshalb nicht mit anderen Ländern zu vergleichen, wo immer noch Milliarden von Staatsgeldern in den Banken steckten.

«Ein unausgereifter Vorschlag»

Bei der Bankenabgabe handle es sich bis anhin lediglich um einen Vorschlag, sagte Philipp Hildebrand, der Präsident der Schweizerischen Nationalbank, gegenüber swissinfo.ch. Um einen Vorschlag, der noch zu wenig ausgereift ist, um darüber am IWF-Treffen zu entscheiden, so Hildebrand.

In der Abschlusserklärung taucht das Wort «Bankenabgabe» jedenfalls nicht auf. Vielmehr wird der IWF aufgefordert, alle Optionen zu prüfen und dabei nationale Besonderheiten zu berücksichtigen.

In der Abschlusserklärung unterstrichen die G20 das Ziel, bis Ende des Jahres gemeinsame Regeln über Umfang und Qualität des Eigenkapitals zu erarbeiten.

Die Divergenzen zwischen den IWF-Mitgliedstaaten betreffen jedoch auch die Frage, welche Finanz- und Wirtschaftspolitik in den einzelnen Ländern verfolgt werden soll, um Finanzstabilität zu erreichen.

«Es ist von Steuererhöhungen und Steuerreduktionen die Rede, aber auch von strukturellen Reformen wie einer Erhöhung des Rentenalters», sagt Hans-Rudolf Merz.

Massnahmen in der Schweiz

Die Expertenkommission des Bundesrats hatte am Donnerstag erste Vorschläge präsentiert, die das Risiko für die Volkswirtschaft in Bezug auf systemrelevante Banken mindern sollte.

Massnahmen sind höhere Eigenmittel und bessere Liquiditätsvorschriften. Ausserdem sollen systemrelevante Bankenteile wie der Zahlungsverkehr und die Kreditvergabe im Inland im Problemfall einfach von der Bank abgespaltet werden können, um diese vor einem Konkurs zu bewahren.

Merz äusserte sich in Washington auch zur Reorganisation der Finanzmarktkontrolle. Der IWF hatte in seinem im März publizierten jährlichen Länderreport der Schweiz unter anderem vorgeschlagen, die Rolle der Schweizerischen Nationalbank (SNB) und der Finanzmarkt-Aufsicht (Finma) zu stärken.

«Der Bundesrat hat einen Bericht in Auftrag gegeben, welcher der Zusammenarbeit zwischen SNB und Finma in Sachen Effizienz ein gutes Resultat ausstellt», so Merz.

Marie-Christine Bonzom, Washington, swissinfo.ch und Agenturen

Die Schweiz unterstützt ein Programm der Weltbank, damit sich Bauern in Entwicklungsländern gegen Preisschwankungen und Klimaveränderungen versichern können.

Der Schweizer Beitrag beläuft sich auf 3,8 Mio. Dollar.

Staatssekretär Jean-Daniel Gerber unterzeichnete an der Frühjahrstagung der Weltbank in Washington ein entsprechendes Abkommen.

Nach dem Schweizerischen Gewerkschaftsbund und den Jungsozialisten fordert auch die Sozialdemokratische Partei (SP) eine europaweite Finanztransaktionssteuer, die sogenannte Tobin-Tax.

Allein in Europa würde eine Steuer von 0,05% auf alle Finanztransaktionen jährliche Einnahmen von über 400 Milliarden Euro generieren.

Dieses Geld benötigen alle Staaten für Investitionen in Bildung und Infrastrukturen oder für den Abbau der durch die Wirtschaftskrise angehäuften Schulden.

Die SP Schweiz unterstreicht ihre Forderung mit einem offenen Brief an Finanzminister Hans-Rudolf Merz.

Die Schweizer Grossbanken können nicht mehr auf eine implizite Staatsgarantie zählen, dies sagte Nationalbank-Vizepräsident Thomas Jordan im Interview mit der Zeitung «Sonntag».

Wenn das Management einer Bank entscheidende Fehler mache, die grosse Verluste zur Folge haben, solle dies nötigenfalls im Konkurs abgewickelt werden können.

Dabei würden die Teile, die fürs Funktionieren der Volkswirtschaft lebensnotwendig sind, herausgelöst.

«Es ist davon auszugehen, dass wir als kleine Volkswirtschaft schärfere Bestimmungen haben werden als im Ausland», so Jordan weiter.

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