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Mindeststandards für Rauchverbote in Gaststätten

In einigen Kantonen, wie hier in Bern, sind die Regelungen zum Schutz vor Passivrauchen restriktiver als jene des neuen Bundesgesetzes. Keystone

Das neue Bundesgesetz zum Schutz vor Passivrauchen tritt am 1. Mai in Kraft. Alle Kantone müssen sich anpassen. Trotz dieser einheitlichen Gesetzesregelung bleibt es in Sachen Rauchverbot bei unterschiedlichen Regelungen in den Kantonen.

In welcher Bar kann man zum Kaffee noch eine Zigarette rauchen? In den meisten europäischen Ländern ist die Antwort klar: Nirgendwo. Denn es herrscht ein allgemeines Rauchverbot in Gastrobetrieben.

Anders in der föderalistischen Schweiz. Hier ändert die Situation von Kanton zu Kanton.
Pionier war der Kanton Tessin, wo der Rauch bereits vor drei Jahren nach dem Vorbild Italiens aus Restaurants und Bars verbannt wurde.

Andere Kantone sind sukzessive nachgezogen, häufig mit eigenen Regelungen. In 19 Kantonen gibt es heute die Möglichkeit, in Restaurants separate Raucherräume (Fumoirs) mit Bedienung einzurichten. In sieben Kantonen sind Fumoirs zwar erlaubt, aber ohne Servicepersonal.

Schliesslich gibt es Kantone, die sich bisher gegen jede Art von Verbot sperrten. Im Jura beispielsweise hat das Parlament vor weniger als einem Jahr entschieden, im Namen der «Freiheit» und der «Wahlfreiheit der Wirte» eine Motion zurückzuweisen, welche das Rauchverbot in Lokalen forderte.

Ein Gewirr an Regeln

Ab dem 1.Mai müssen jedoch auch die letzten Raucheroasen der Schweiz neue Regeln akzeptieren. Denn das Bundesgesetz zum Schutz vor Passivrauchen tritt in Kraft. Es bildet jetzt die «Unterlage für einen föderalistischen Flickenteppich», wie der Zürcher «Tages-Anzeiger» schrieb.

Das heisst: Grundsätzlich kann in Restaurants und Bars nicht mehr geraucht werden. Allerdings gibt es Ausnahmemöglichkeiten. Denn Gastrobetriebe haben gemäss diesem Gesetz die Möglichkeit, einen abgetrennten und gut belüfteten Raucherraum einzurichten, der maximal einen Drittel der Ausschankfläche umfassen darf.

Kleine Restaurants bis zu einer Fläche von 80 Quadratmetern können sogar eine Bewilligung als Raucherlokal beantragen. Aber nur dann, wenn ein Kanton keine strengeren Regeln erlässt. Im Kanton Zürich sind Raucherbetriebe in Folge einer Volksabstimmung beispielsweise nicht möglich.

Das eidgenössische Gesetz wird folglich das bestehende Puzzle nicht wirklich vereinheitlichen. Es wird Kantone geben, die einzig die Mindeststandards umsetzen. Andere gehen in ihrer Verbotspolitik wesentlich weiter und erlauben zum Schutz des Personals auch die Bedienung in Fumoirs nicht.

Lungenliga und Wirte kämpfen für ihre Anliegen

Die Situation könnte sich aber erneut verändert. So hat die Lungenliga Schweiz für ihre eidgenössische Volksinitiative «Schutz vor Passivrauchen» schon 120’000 Unterschriften gesammelt (nötig sind 100’000). Diese Initiative sieht eine einheitliche Regelung für das ganze Land vor, die auch ein generelles Verbot von Fumoirs mit Bedienung einschliesst.

Angesichts der bisher erfolgten Volksentscheide in den Kantonen hat diese Initiative durchaus Chancen, angenommen zu werden. Im Tessin beispielsweise wurde 2006 das Gesetz für ein Rauchverbot in den Gastronomie-Betrieben von 80 Prozent der Stimmenden angenommen. In Genf lag der Ja-Stimmenanteil bei über 80 Prozent.

Aber auch die Gegenseite hat sich organisiert. Die Interessengemeinschaft «IG Freie Schweizer Wirte» sammelt ihrerseits Unterschriften «für ein liberales Rauchergesetz». Demnach soll der Wirt allein entscheiden, ob in seinem Betrieb gequalmt wird oder nicht.
Die Erfolgsaussichten dieser Initiative sind eher gering; nicht einmal der Branchenverband Gastrosuisse unterstützt das Begehren.

Ein wirksames Verbot

«Das neue Bundesgesetz ist nicht wirklich zufrieden stellend, weil es vor allem ein Ziel nicht konsequent umsetzt, das heisst den Schutz des Personals vor Passivrauchen», meint Angelo Tomada, wissenschaftlicher Mitarbeiter im Amt für Gesundheitsförderung des Kantons Tessin.

Im Tessin hat das Rauchverbot positive Auswirkungen gehabt. Eine Umfrage bei Angestellten von Gastrobetrieben, die zwischen März 2007 (einen Monat vor Einführung des Rauchverbots) und Mai 2008 (ein Jahr danach) durchgeführt wurde, zeigte auf, dass sich ihr Gesundheitszustand verbessert hat.

Als in den Betrieben noch gequalmt wurde, klagten 15 Prozent des Personals häufig über Kopfweh und 12,9 Prozent über regelmässige Hustenanfälle. Ein Jahr später waren die Anteile auf 10, 5 beziehungsweise 7,6 Prozent gesunken.

«Zudem hat die Untersuchung ergeben, dass das Rauchverbot bei Kunden, Angestellten und Wirten bestens akzeptiert ist», meint Tomada.

Umstrittener Umsatzrückgang

Im Zusammenhang mit der Einführung von Rauchverboten in Gastrobetrieben wird immer wieder über mögliche Umsatzeinbussen diskutiert. Dieses Thema sorgte auch bei der Diskussion des Bundesgesetzes gegen Passivrauchen für rote Köpfe. Die Ausnahmeregelungen für Raucherbetriebe sind vor allem eine Konzession an Kleinbetriebe.

Im Pionierkanton Tessin hat eines von fünf Lokalen Umsatzeinbussen verzeichnen müssen (vor allem kleine und mittlere Betriebe). In der erwähnten Studie wird aber darauf hingewiesen, dass schon vor Einführung des Rauchverbots 11 Prozent der Lokale einen Rückgang des Umsatzes registriert hatten.

Es ist sehr schwierig, eine direkte Kausalität zwischen Rauchverbot und Umsatzrückgang nachzuweisen. «Wir konnten zudem feststellen, dass Wirte, die gegen das Rauchverbot waren, eher negative Antworten gaben», so Tomada. Erhebungen in anderen Ländern hätten ebenfalls aufzeigt, dass die ökonomischen Auswirkungen eines Rauchverbots nicht gravierend seien.

Verhalten schwierig zu ändern

Das Rauchverbot in den Gastrobetrieben hat sich indes kaum auf den Tabakkonsum ausgewirkt. „Wir konnten keinen Rückgang von Rauchern konstatieren, auch wenn dies ein sekundärer Effekt des Gesetzes hätte sein können“, meint Tomada.

Das Rauchverbot in Gastrobetrieben ist indes nur ein Teil in einem Massnahmenbündel gegen den Tabakkonsum. Und über längere Zeitraum gibt es durchaus Veränderungen. Der Anteil der Raucherinnen und Raucher an der Gesamtbevölkerung ist in 10 Jahren von 32 auf 27 Prozent gesunken.

Daniele Mariani, swissinfo.ch
(Übertragung aus dem Italienischen: Gerhard Lob)

Jeden Tag sind 21 Prozent der Bevölkerung mindestens über eine Stunde Tabakrauch anderer Personen ausgesetzt. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie zum Passivrauchen der Universität Zürich aus dem Jahr 2008.

Am stärksten sind Besucher von Gastrobetrieben dem Passivrauchen ausgesetzt. 83 Prozent der Kunden geben an, sich dadurch belästigt zu fühlen.

Der Anteil von Personen, die am Arbeitsplatz Tabakrauch anderer Personen ausgesetzt sind, ist von 54 Prozent (2001/2002) auf 35 Prozent (2008) gesunken.

66 Prozent der Bevölkerung zwischen 14 und 65 Jahren wünscht sich ein generelles Rauchverbot in Gastrobetrieben. In der französischen Schweiz liegt der Anteil höher (76 Prozent) als in der deutschen Schweiz (64 Prozent).

Im Tessin und in Graubünden war zum Zeitpunkt der Umfrage das Rauchverbot bereits eingeführt. In diesen beiden Kantonen stützen 83 Prozent das Verbot.

Drei Viertel aller europäischen Staaten haben Rauchverbote oder Einschränkungen erlassen.

In den folgenden Staaten gibt es ein absolutes Rauchverbot in Gastwirtschaften: Albanien, Kroatien, Estland, Finnland, Frankreich, Grossbritannien, Irland, Island, Italien, Litauen, Lettland, Mazedonien, Malta, Norwegen, Niederlande, Slowenien, Schweden.

In Deutschland, Österreich, Belgien, Dänemark, Spanien, Liechtenstein, Luxemburg, Montenegro, Portugal, Tschechien und Rumänien gibt es Einschränkungen, aber kein generelles Verbot.

Überhaupt keine Einschränkungen oder Verbote gibt es in Bosnien-Herzegowina, Bulgarien, Zypern, Griechenland, Ungarn, Polen, Serbien, und der Slowakischen Republik.

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