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Mit dem Internet gegen Kindersex-Tourismus

12% der Kinder-Sextouristen in Kenia sind Schweizer. AFP

Im Kampf gegen den Kindersex-Tourismus haben das Bundesamt für Polizei und "Kinderschutz Schweiz" ein Online-Formular entwickelt. Es soll mithelfen, Sextouristen der Strafverfolgung zuzuführen.

Sex mit Kindern ist ein Verbrechen. Die Dunkelziffern sind hoch. Verbindliche Zahlen fehlen. Misshandlung, Missbrauch und Prostitution finden meist im Verborgenen statt. Sie sind deshalb strafrechtlich schwer zu erfassen und zu verfolgen.

Die Kinderrechts-Organisation ECPAT (End Child Prostitution and Trafficking) schätzt den weltweiten Umsatz mit Kinder-Prostitution und –Pornographie auf jährlich12 Milliarden US-Dollar.

Auch Schweizer schrecken nicht vor diesem Verbrechen zurück. Laut einer Unicef-Studie gehen in Kenia 12% der Kinder-Prostitution auf Schweizer Sextouristen. Damit liegt die Schweiz nach Italien und Deutschland an dritter Stelle. Zu andern Destinationen existieren keine vergleichbare Studien.

Zahlen zum Kinder-Sextourismus der Schweizer fehlen. Es gibt auch keine Erhebungen über die Anzahl der Anzeigen, Verfahren und Verurteilungen.

Weg auf Polizeiposten entfällt

Mit einem Online-Formular will das Bundesamt für Polizei (Fedpol) nun den Kampf gegen Schweizer Kindersex-Touristen verstärken. Wer im Ausland den Verdacht hegt, die sexuelle Integrität eines Kindes sei gefährdet oder verletzt worden, kann seine Beobachtungen auf der Fedpol-Website melden.

Bisher konnten solche Verdächtigungen auf einer Polizeistelle im Aufenthaltsland oder nach der Rückkehr auf einem Schweizer Polizeiposten gemeldet werden. Resultat: Es gingen nur sehr wenig Meldungen ein.

«Mit dem Online-Formular fällt eine Hürde weg», sagt Fedpol-Sprecher Guido Balmer. «Bei der Internet-Pädophilie haben wir damit gute Erfahrungen gemacht. Wir sind auf Meldungen angewiesen. Im Bereich Pädophilie haben die Meldungen zu zahlreichen Strafverfahren geführt.»

Kantone für Strafverfahren zuständig

Das Fedpol erhofft sich nun mehr Meldungen über verdächtigte Kindersex-Touristen. «Im Kampf gegen Kindersex sind wird auf diese Meldungen angewiesen», so Balmer.

Die eingehenden Hinweise werden von den Beamten des Fedpol gesichtet und einer ersten Auswertung unterzogen. Bei einem Verdacht auf ein Delikt geht das Dossier an die Justizbehörden des zuständigen Kantons. Diese entscheiden anschliessend, ob ein Strafverfahren eröffnet wird.

Balmer glaubt nicht, dass der Weg über das Internet zu einem weit verbreiteten Denunziantentum führt. «Wir gehen nicht davon aus, dass viele Leute Schabernack treiben werden. Die Meldungen können nicht anonym erfolgen und wir weisen ausdrücklich darauf hin, dass falsche Anschuldigungen oder Irreführungen der Rechtspflege strafrechtlich verfolgt werden.»

In einschlägigen Destinationen wie zum Beispiel Bangkok haben die Schweiz und auch andere Länder Polizeiattachés stationiert, die verdächtige Fälle ebenfalls melden.

Strengeres Gesetz

Rechtlich stützt sich das Fedpol auf einen neuen Artikel im schweizerischen Strafgesetzbuch, der seit dem 1. Januar 2007 in Kraft ist. Seither kann in der Schweiz gegen alle Personen ein Verfahren wegen sexuellem Missbrauch von Kindern im Ausland eröffnet werden. Die Staatszugehörigkeit spielt dabei keine Rolle.

«Der Gesetzesartikel ist international vorbildlich und gilt als beispielhaft», sagt Cordula Sanwald vom Verein Kinderschutz Schweiz. Dennoch seien kaum Fälle bekannt, in denen in der Schweiz Anklage gegen sexuellen Missbrauch von Kindern im Ausland erhoben worden seien.

«Dies wohl in erster Linie wegen der Anonymität und einer gewissen Tendenz zu Korrumpierbarkeit an einschlägigen Destinationen.» Die Zusammenarbeit der Strafverfolgung über die Landesgrenzen sei kompliziert. Die Faktenlage sei schwierig zu erhärten, so Sanwald.

Kinderschutz Schweiz erhofft sich vom Online Formular, dass die Schwelle für eine Meldung einschlägiger Beobachtungen an die Polizei sinkt.

Ehrenkodex

Seit 2003 können Tourismusunternehmen einen Verhaltens-Kodex zum Schutz der Kinder vor kommerzieller Ausbeutung unterzeichnen. Weltweit haben mehr als 600 Unternehmen – Reisebüros, Hotels, Fluggesellschaften, Nachtclubs – den Kodex unterzeichnet.

«Sie verpflichten sich zu Nulltoleranz gegenüber dem Kindersex-Tourismus, zur Personalschulung und zur Sensibilisierung ihrer Kundschaft», führt Sanwald aus.

In der Schweiz haben bisher drei Reisebüros und eine Hotelkette den Kodex unterzeichnet.

swissinfo, Andreas Keiser

Vom 25.-28. November findet in Rio de Janeiro der 3. Weltkongress gegen die sexuelle Ausbeutung von Kindern statt.

150 Länder werden daran teilnehmen, darunter auch die Schweiz.

Am 17. und 18. September tagen in Genf europäische und zentralasiatische Länder und Nichtregierungs-Organisationen. Dabei sollen gemeinsame Positionen für den Weltkongress in Rio entwickelt werden.

Im Zusammenhang mit sexuellen Straftaten an Kindern stimmt das Schweizer Stimmvolk Ende November über eine Volksinitiative ab.

Die Initiative «Für die Unverjährbarkeit pornografischer Straftaten an Kindern» verlangt, dass sexuelle oder pornografische Straftaten an Kindern unverjährbar sein sollen.

Gemäss geltendem Recht besteht für schwere Straftaten gegen die sexuelle Integrität von Kindern unter 16 Jahren eine Verjährungsfrist von 15 Jahren, mindestens aber bis zum vollendeten 25. Lebensjahr des Opfers.

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