Nach den schlimmsten Hooligan-Krawallen der Schweiz
Über 130 Verletzte, 25 Festnahmen, Hunderttausende Franken Sachschaden: Das die Bilanz der Basler Behörden nach dem Meisterschaftsfinale, das Zürich gegen Basel gewann.
Die Ausschreitungen, die auch Sportminister Samuel Schmid scharf verurteilte, sind ein schlechtes Omen für die Fussball-EM 2008 in der Schweiz und in Österreich.
Am Samstag hat der FC Zürich in der «Finalissima» gegen Basel die Schweizer Fussball-Meisterschaft gewonnen. Mit den grössten Krawallen der Schweizer Fussballgeschichte brachten Basler Hooligans «ihren» Klub, die Stadt Basel und den Schweizer Fussball generell in Verruf.
Und vielleicht noch mehr, steht doch in zwei Jahren die Fussball-Europameisterschaft, die Euro 2008, in der Schweiz und Österreich vor der Tür. Austragungsort ist unter anderem Basel…
Am Sonntag zogen Basler Behörden und Verantwortliche des FC Basels Bilanz: Bei den Krawallen sind rund 130 Menschen verletzt worden, bisher wurden 25 Personen festgenommen, wie der Basler Polizeikommandant Roberto Zanulardo sagte.
Ermittlungen dauern an
15 Personen mussten zur ambulanten Behandlung ins Spital gebracht werden. Schwer verletzt wurde niemand. Vier Mitarbeiter der Polizei erlitten ebenfalls Verletzungen, einer davon Verbrennungen, nachdem er mit einer Leuchtpetarde beworfen worden war.
Nach der Auswertung des Videomaterials dürften weitere Tatverdächtige identifiziert werden.
Tabubrüche
Zanulardo sprach von einem bisher in dieser Art und Weise noch nie begangenen Tabubruch, begangen durch 300 bis 500 Gewaltbereite.
Die Krawallmacher seien mit einer enormen Aggressivität und Zerstörungswut aufgetreten. Laut Polizeisprecher zerstörten sie unter anderem Signalisations-Anlagen rund um das Stadion und deckten Polizeifahrzeuge sowie Übertragungswagen von Fernseh- und Radiostationen mit einem Steinhagel ein.
Der Sprecher strich aber heraus, dass es der Polizei mit ihrer Strategie gelungen sei, dass die beiden Fangruppen nicht aufeinander getroffen seien.
Schäden geht in die Hundertausende
Der Sachschaden stand vorerst nicht fest, dürfte laut Zanulardo aber im sechsstelligen Bereich liegen. Die Zürcher Lokalstationen «TeleZüri» und «Radio 24» mussten ihre Direktübertragungen aus Basel abbrechen, weil die Sendewagen mit Steinen beworfen wurden.
Gleiches widerfuhr auch dem Schweizer Fernsehen, das den Schaden auf 100’000 Franken schätzte. Sanität und Feuerwehr konnten ihre Hilfe nur unter Polizeischutz leisten.
Empörte Reaktionen
Die wohl massivsten Ausschreitungen in der Geschichte des Schweizer Fussballs lösten Bedauern und Empörung. «Verlierer ist ganz sicher der Sport», liess Bundesrat Samuel Schmid ausrichten. Der Basler Regierungsrat Gass, die Verantwortlichen des St. Jakobs-Parks und des FC Basel entschuldigten sich bei allen Unbeteiligten.
Ralph Zloczower, Präsident des Schweizerischen Fussballverbands, erklärte mit Blick auf die Europameisterschaft 2008, derartige Vorfälle seien bitter, unannehmbar und skandalös und dürften sich nie mehr wiederholen. «Unser Image ist ramponiert», sagte er.
Gesetz nötig
Bundesrat Schmid, Zloczower, und Regierungsrat Gass waren sich einig, dass die Vorfälle in Basel der beste Beweis für die Notwendigkeit des Hooligangesetzes seien.
«Nur über einen Ausschluss von solchen Randalierern wird in den Stadien wieder Ruhe einkehren», sagte VBS-Sprecher Jean-Blaise Defago im Namen von Bundesrat Schmid.
Der Zürcher Nationalrat Jürg Stahl, der am Samstag das Spiel von der Tribüne aus verfolgt hatte, kündigte in der Zeitung NZZ am Sonntag an, dass er die Ausschreitungen im Parlament zum Thema machen will. «Im Hinblick auf die Euro 2008 müssen wir die nötigen Lehren ziehen», sagte er.
Drastische Massnahmen
Im März hatte das Schweizer Parlament einem verschärften Gesetz gegen Gewalttäter an Sportveranstaltungen zugestimmt. Dies im Hinblick auf die Euro 2008 sowie die Eishockey-Weltmeisterschaft, die ein Jahr später ebenfalls in der Schweiz stattfindet.
Das Hooligangesetz ist bis 2009 befristet. Danach soll eine Auswertung der gemachten Praxis gemacht und eventuell eine definitive Einführung beschlossen werden.
Im Zentrum der neuen Bestimmungen stehen eine Hooligan-Datenbank über gewaltbereite Fans, Stadionverbote, Reisebeschränkungen und die Meldepflicht auf einem Polizeiposten. Als letzte Möglichkeit kommt Präventivhaft von maximal 24 Stunden für Hooligans in Frage.
Widerstand bleibt
Das Hooligan-Gesetz stiess auf den Widerstand von Fangruppierungen von Schweizer Fussball- und Eishockey-Klubs. Sie ergriffen deshalb das Referendum, um das Gesetz in einer Volksabstimmung zu bodigen.
Die nötigen 50’000 Unterschriften müssen sie bis am 13. Juli beisammen haben. Das Komitee halte an der Unterschriften-Sammlung fest, erklärte ein Sprecher des Komitees am Sonntag.
swissinfo und Agenturen
Das revidierte Bundesgesetz über Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit sieht folgende Massnahmen vor:
Konfiszierung von Propaganda-Material, das zu Gewalt aufruft. Hooligan-Datenbank über gewaltbereite Fans.
Stadionverbote oder Reisebeschränkungen.
Meldepflicht auf einem Polizeiposten oder, als letzte Möglichkeit Präventivhaft von maximal 24 Stunden.
Das Parlament hat das Gesetz vorerst bis 2009 beschränkt.
Hooligan ist die Bezeichnung für eine Person, die vor allem im Rahmen von Sportanlässen durch aggressives Verhalten auffällt.
Die Hooligan-Szene dürfte in der Schweiz gegen 400 militante Anhänger haben, die Zahl der Mitläufer wird auf 600 geschätzt.
Die Gewalt in Fussball- und Eishockeystadien hat auch in der Schweiz in den vergangenen Jahren zugenommen.
Nicht zuletzt daher hat die Schweiz wie andere Staaten in Europa ein Gesetz erlassen, um gegen Hooligans vorgehen zu können.
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