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Nationalrat sagt Nein zum UBS-Staatsvertrag

Das grosse Feilschen um den US-Staatsvertrag geht weiter. Reuters

Nach einem langen Nervenkrieg fiel nun der Entscheid: Der Nationalrat lehnt den Staatsvertrag mit den USA zur Herausgabe von UBS-Kundendaten ab. Dagegen stimmten SVP und SP. Die beiden Parteien sahen ihre Bedingungen für ein Ja nicht erfüllt.

Der Entscheid fiel mit 104 zu 76 Stimmen bei 16 Enthaltungen. Dies ist jedoch nicht das endgültige Aus für den Vertrag: Das Geschäft geht zurück an den Ständerat, der vergangene Woche zugestimmt hatte. Der Nationalrat kann im Verlauf der Differenzbereinigung immer noch zustimmen.

Das Nein zum Staatsvertrag hatte sich bereits am Montagabend abgezeichnet.

Die SVP machte ihre Zustimmung davon abhängig, dass das Parlament keine Boni-Steuern beschliesst. Diese Bedingung sah sie nicht erfüllt, weil der Ständerat vergangene Woche zwei Boni- Motionen gutgeheissen hatte.

Die SVP forderte, dass der Nationalrat sich mit diesen befassen müsse, bevor er über den Staatsvertrag entscheide.

Die SVP wolle sich bloss parteipolitisch profilieren, kritisierte CVP-Nationalrätin Brigitte Häberli. «Sagen Sie doch einfach Ja, oder sagen Sie halt eben Nein, aber hören Sie auf mit diesen Spielen.» SP-Franktionspräsidentin Ursula Wyss sprach von einer «Zwängerei».

Der Nationalrat lehnte die Forderung der SVP ab. In der Folge kündigte die SVP an, den Staatsvertrag abzulehnen.

Linke startete letzten Versuch

Auch die SP sah ihre Bedingungen nicht erfüllt. Sie beharrte darauf, dass der Rat verbindliche Massnahmen zur Banken- und Boni- Regulierung beschliessen müsse. Dieser lehnte aber den entsprechenden Planungsbeschluss des Bundesrates ab.

Die Linke unternahm daraufhin einen letzten Versuch und schlug vor, Auflagen für die Banken direkt im Beschluss zum Staatsvertrag zu verankern. Die bürgerliche Mehrheit wollte davon jedoch nichts wissen.

Bankiervereinigung enttäuscht

Die Schweizerische Bankiervereinigung (SBVg) hat enttäuscht auf die Ablehnung des UBS-Staatsvertrags im Nationalrat reagiert. Sie appelliert an die Politik, an das Wohl des Landes zu denken und nicht die Parteipolitik in den Vordergrund zu stellen.

Im Interesse der Schweiz müsse das Parlament dem Vertrag mit den USA zustimmen, sagte SBVg-Geschäftsleiter Urs Roth am Dienstag am Rande einer Veranstaltung in Bern. Nach dem Nein des Nationalrats gehe das Geschäft nun in die Differenzbereinigung. Er hoffe, dass der Vertrag am Schluss gutgeheissen werde. Er zweifle nicht an der Weisheit des Parlaments, sagte Roth.

Sollte der Staatsvertrag dennoch abgelehnt werden, hätte dies «sehr negative Konsequenzen» für die UBS wie die gesamte Schweizer Volkswirtschaft. Zudem befürchtet Roth, dass das Ansehen des Bundesrats, der den Vertrag abgeschlossen hatte, Schaden nehmen könnte.

Economiesuisse bedauert Entscheid

Auch der Wirtschaftsdachverband Economiesuisse bedauert die Ablehnung des Amtshilfeabkommens durch den Nationalrat.

«Damit setzt er die wirtschaftliche Bedeutung guter Beziehungen zum wichtigen Wirtschaftspartner USA aufs Spiel», schreibt Economiesuisse in einer Medienmitteilung. Eine Ablehnung des Abkommens würde zu grosser Unsicherheit führen und dem Standort Schweiz schaden.

Staatsvertrag soll vors Volk

Nach dem Willen des Nationalrates soll das Volk die Möglichkeit erhalten, über den UBS-Staatsvertrag abzustimmen. Der Rat hat sich am Dienstag mit 97 zu 78 Stimmen dafür ausgesprochen, den Staatsvertrag dem fakultativen Referendum zu unterstellen.

Der Ständerat hatte sich vergangene Woche dagegen ausgesprochen. In der kleinen Kammer argumentierte die Mehrheit, eine Volksabstimmung würde dazu führen, dass die Schweiz ihre Verpflichtungen gegenüber den USA nicht rechtzeitig erfüllen könnte.

Auch im Nationalrat gab es Widerstand gegen das fakultative Referendum. Entscheide sich der Rat dafür, komme dies einer Ablehnung des Vertrages gleich, sagte CVP-Nationalrat Pirmin Bischof.

Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf warnte ebenfalls vor einem Ja zum fakultativen Referendum. Der Rat sprach sich dennoch für die Möglichkeit einer Volksabstimmung aus. Sowohl die SP als auch die SVP machten sich dafür stark. Mit dem Staatsvertrag werde geltendes Recht ausser Kraft gesetzt, argumentierten sie. Dies rechtfertige eine Abstimmung.

swissinfo.ch und Agenturen

Die US-Steuerbehörde IRS erklärte Anfang April, man zähle darauf, dass die Schweiz die Umsetzung des Vertrages, 4450 UBS-Kontendaten über ein Amtshilfeverfahren an die USA auszuhändigen, einhalte. Andernfalls stehe den US-Behörden weiter der Rechtsweg offen.

Insgesamt umfasst die Zusammenstellung der IRS 17 juristische Schritte und reicht zurück bis Dezember 2007, als sich der russisch-amerikanische Milliardär Igor Olenicoff als erster schuldig bekannte, über UBS-Konten Gelder am Fiskus vorbeigeschleust zu haben. Olenicoff bezahlte saftige Bussgelder und verklagte dann seinerseits die Bank.

Auf die Spur Olenicoffs kam die IRS durch den ehemaligen UBS-Banker Bradley Birkenfeld, der den Steuerbehörden die unlauteren Geschäfte der Bank offenlegte, seine Rolle dabei aber vertuschte und deshalb nun eine 40-monatige Haftstrafe absitzt.

Im Juni 2008 reichte das Justizdepartement vor Gericht in Florida den sogenannten John Doe Summons ein – die Forderung, von der Bank Auskunft über bis zu 52’000 UBS-Konten zu erhalten.

Im November 2008 wurde der UBS-Spitzenmanager Raoul Weil angezeigt. Er soll sich mit anderen Managern und wohlhabenden Kunden zum Betrug an den USA verschworen haben.

Im August 2009 unterzeichnete der Bundesrat das Abkommen mit den USA, das den Streit beilegen sollte. Statt Einsicht in alle 52’000 fraglichen UBS-Konten zu gewähren, sollte die Schweiz den Amerikanern 4450 Daten der Hauptverdächtigen US-Steuerpflichtigen mit UBS-Konten überreichen.

Den Anzeigen gegen Amerikaner mit UBS-Konten, die sich dem Fiskus entziehen, hat das Abkommen indes keinen Abbruch getan.

Im Januar 2010 erklärte das Schweizerische Bundesverwaltungsgericht die Herausgabe von Kontendaten amerikanischer UBS-Kunden an die USA für illegal.

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