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Naturparks zurück im Parlament

Die Greina-Hochebene könnte in Zukunft zum Herzen eines Adula-Nationalparks zwischen dem Tessin und Graubünden werden. Greina Stiftung

Die Landesregierung will sich nicht an der Finanzierung neuer Naturparks beteiligen. Doch das Parlament könnte dies ändern.

Auch wenn der Bundesrat das Thema aus der Legislaturplanung gekippt hat, kommt das Bundesgesetz über den Natur- und Heimatschutz nun in die Kleine Kammer.

Beflügelt vom Pioniergeist der Jahrhundertwende hat die Schweiz bereits 1914 den ersten Nationalpark im Alpenbogen von Zentraleuropa geschaffen. In der Region Zernez, im Südosten des Kantons Graubünden.

Es sollte jedoch gleich der letzte Park dieser Art in der Schweiz sein. Seither hat sich nämlich der Pioniergeist in dieser Sache verabschiedet.

In der Zwischenzeit wurde die Schweiz von ihren Nachbarländern eingeholt, wenn nicht gar überholt. Diese haben eine grosse Anzahl geschützter Zonen geschaffen, die vom jeweiligen Staat anerkannt und unterstützt werden.

«Sicher, es gibt in der Schweiz über 2000 geschützte Zonen», erklärt Otto Sieber, Generalsekretär von Pro Natura, gegenüber swissinfo. «Doch sie sind klein und praktisch niemand weiss von ihrer Existenz. Eine staatliche Anerkennung würde das Bewusstsein für den Naturschutz in der Bevölkerung verstärken.»

Wirtschaftsförderung

Die Frage ist nicht nur vom Landschafts- und Naturschutz her wichtig, die Erfahrung in Europa zeigt auch, dass Naturparks einen wichtigen Anstoss zur nachhaltigen Entwicklung der Wirtschaft von Randregionen und solchen mit wenig Infrastruktur geben können.

«Die Sichtbarkeit der Parks kann zu Marketingzwecken für eine Region eingesetzt werden», hat Sieber beobachtet. «Daher wird heute die Schaffung neuer Nationalparks als ein Instrument der Regionalpolitik angesehen. Der Schweizer Nationalpark schafft einen Mehrwert von ungefähr 17 Millionen Franken pro Jahr.»

Ein Gesetz für Naturparks

Das wirtschaftliche Argument hat nun auch kantonale und regionale Behörden überzeugt, die mit rein «ökologischen» Kriterien für das Erbe der Natur sonst wenig anfangen können.

In den letzten Jahren hat sich eine breite Koalition gebildet, die sich für eine rechtliche Basis zur Schaffung neuer Naturparks einsetzt.

Ein wichtiger Impuls kam auch von der Umwelt-Organisation Pro Natura, die im Jahr 2000 eine Kampagne für einen zweiten Nationalpark lanciert hatte.

Ursprünglich unterstützte die Landesregierung die Idee. Im Herbst 2002 schickte sie ein Projekt zur Revision des Bundesgesetzes über den Natur- und Heimatschutz in ein Konsultationsverfahren bei allen interessierten und betroffenen Kreisen. Das Echo war durchwegs positiv.

Das Projekt definierte drei Arten geschützter Zonen von nationaler Bedeutung: Nationalparks mit einem Zentrum, das unter absolutem Schutz steht, geschützte Zonen in städtischen Gebieten, und schliesslich Regionalparks, die auf eine nachhaltige ökologische Entwicklung des Gebiets ausgerichtet sind.

Ein Teil des Geldes zur Realisierung und Verwaltung der geschützten Zonen wäre durch die Eidgenossenschaft beigesteuert worden. Service und Produkte der neuen Parks hätten ein Gütesiegel erhalten.

Regierung ändert ihre Meinung

Die Frage der Naturparks schien damit einer raschen Lösung entgegen zu gehen. Doch im Februar 2004 strich der Bundesrat das Thema überraschend aus der Legislaturplanung für die Jahre 2003 bis 2007, weil er in dieser Zeit der Budgetkürzungen keine neuen Ausgaben wollte.

Für viele Beobachter war diese Trendwende eines der ersten Zeichen eines Rechtsrutsches in der Regierung, nachdem Christoph Blocher, Leitfigur der rechtsbürgerlichen Schweizerischen Volkspartei (SVP), im Monat zuvor Einsitz in der Landesregierung genommen hatte.

Der Entscheid provozierte unzählige Reaktionen: Über 300 Gemeinden baten den Bundesrat, seinen Entscheid zu überdenken. Etliche Parlamentarier wurden aktiv, um die Regierung umzustimmen.

Die Opposition gegenüber dem bundesrätlichen Entscheid hat nun Früchte getragen. Eine Mehrheit der Parlamentsmitglieder unterschrieb eine Motion des Tessiner Ständerats Dick Marty. Diese verlangt vom Bundesrat, dem Parlament ein Projekt für Naturparks vorzulegen.

Parks Ja, Finanzierung Nein

Nun hat die Regierung teilweise nachgeben und im Februar 2005 ein neues Projekt vorgestellt. Es greift zum grössten Teil auf das zurückgestellte Projekt zurück, mit einem grossen Unterschied: Jegliche finanzielle Beteiligung des Bundes ist ausgeschlossen.

Am 16. Juni nun kommt das Gesetz in den Ständerat, die Kleine Kammer des Parlaments. Die Zeichen deuten auf eine Wiederaufnahme des alten Projekts hin. Die vorberatende Kommission des Ständerats hat nämlich die Bundesbeteiligung wieder im Gesetz festgeschrieben.

Wenn es nach dem Willen der Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie des Ständerats geht, soll der Staat pro Jahr ungefähr zehn Millionen Franken für Naturparks beisteuern.

Dank einer Reorganisation der Bundesbeiträge an das Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL) sollte diese Massnahme nicht zu allzu hohen Mehrkosten für die Bundeskasse führen.

Verschiedenste Regionen, die seit längerer Zeit Projekte für Naturparks von nationaler Bedeutung lanciert haben, warten nun auf einen Entscheid. Falls die beiden Parlamentskammern (der Nationalrat sollte im Herbst entscheiden) die Gesetzesrevision gutheissen, dürften die ersten Parks 2007 den Segen des Bundes erhalten.

swissinfo, Andrea Tognina
(Übertragen aus dem Französischen: Christian Raaflaub)

Die Schweiz besitzt einen einzigen Nationalpark im Engadin (Kanton Graubünden).
Er wurde am 1. August 1914 geschaffen und ist 172,4 km2 gross.
Rund 150’000 Personen besuchen den Nationalpark pro Jahr.

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