Nepal-Aktivitäten aufs Eis gelegt
Nach der Machtergreifung durch den König hat die Schweiz ihre Aktivitäten in Nepal nach 40 Jahren Präsenz unterbrochen.
Das Aussenministerium rät Reisenden davon ab, sich in das Land am Fuss des Himalaya zu begeben.
Nepal ist eines der ältesten Schwerpunktländer der schweizerischen Entwicklungs-Zusammenarbeit. Die Schweizer Gesellschaft für internationale Zsammenarbeit Helvetas hat dort vor 40 Jahren mit ihren legendären Bergkäsereien Pionierarbeit geleistet.
Die nepalesische Tradition will es, dass der König eine Inkarnation des hinduistischen Schutzgottes Vischnu darstellt. Dessen Wandelformen treten jeweils dann in Erscheinung, wenn die Welt ins Chaos gerät.
König reisst Macht an sich
Konkret vom Chaos bedroht ist derzeit die konstitutionelle Monarchie am Fuss des Himalaya, nachdem am Dienstag König Gyanendra Bir Bikram Shah mit einem Kraftakt die Macht an sich gerissen hat.
Er setzte die Regierung ab und verhängte den Ausnahmezustand. Der 57-jährige Monarch griff damit eigenmächtig nach dem Zepter und setzte eine neue Regierung ein.
Laut Andreas Stauffer, Sprecher der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA), hat die Armee inzwischen sämtliche Medien unter ihre Kontrolle gebracht. «Es scheint auch, dass es eine Verhaftungswelle unter den nepalesischen Politikern gegeben hat.» Die Telefon-Verbindungen seien unterbrochen worden.
Als Grund für seine Machtübernahme nannte der König die Unfähigkeit des von ihm abgesetzten Premierministers, Wahlen für den kommenden Frühling und den Kampf gegen die Maoisten-Guerilla zu organisieren. Die Maoisten sind in zwei Dritteln des Landes aktiv. Dort lebt auch das Gros der 27 Millionen Nepalesen.
Die Oppositionsparteien ihrerseits kritisieren den Staatsstreich. Und der Chef der Maoisten-Rebellen, Pushpa Kamal Dahal, auch «der Wilde» genannt, ruft auf zu einer «breiten Front all jener, die gegen die feudale Autokratie sind».
Kontroverser Monarch nach dem Massaker 2001
Zahlreiche Nepalesen argwöhnen, König Gyanendra sei in erster Linie daran interessiert, selber an die Macht zu kommen, meint Isabelle Milbert vom Genfer Institut universitaire d’études du développement (IUED). Besonders nach dem mysteriösen Massaker im Jahr 2001, als König Birendra und zahlreiche Mitglieder der Königsfamilie von einem Täter aus den eigenen Reihen umgebracht wurden.
Die Guerilla nützt seither diese Affäre aus und wirft dem gegenwärtigen König Gyanendra vor, das Massaker selber in Auftrag gegeben zu haben.
Der Staatsstreich vom Dienstag wurde von zahlreichen Ländern, darunter Indien und die USA, und auch der UNO scharf verurteilt.
DEZA-Kooperationsbüro in Kathmandu reduziert
Das DEZA-Kooperationsbüro in Kathmandu hat alle Projekte im Feld aus Sicherheits-Erwägungen vorläufig unterbrochen, das Büro selbst wird auf reduzierter Basis weiter geführt.
Die Projekte umfassen die Bewirtschaftung natürlicher Ressourcen, Transport-Infrastrukturen, Aus- und Weiterbildung, «Good Governance» (gute Regierungsführung) und Friedensförderung. Das entsprechende Budget beläuft sich auf rund 20 Mio. Franken jährlich.
Nepal gehört seit langem zu den Schwerpunktländern des Kooperationsbüros. Die Schweiz ist dort bereits seit 50 Jahren aktiv. Doch auch diese langfristigen Bemühungen konnten nicht verhindern, dass das Land in seiner Entwicklung zurückfällt.
Demokratie mit Schwankungen
«Seit rund 20 Jahren nehmen Armut und Ungleichheit wieder zu», stellt Isabelle Milbert fest. Diese Tendenz konnte auch der Prozess der Demokratisierung, der seit der Wiedereinführung der konstitutionellen Monarchie 1990 läuft, nicht umkehren.
«Die politischen Parteien reiben sich untereinander auf, und Korruption ist sehr verbreitet», sagt Milbert, Spezialistin für den indischen Subkontinent.
Der Tourismus, die wichtigste Einnahmequelle der nepalesischen Volkswirtschaft, hat dazu geführt, dass sich der Graben zwischen Arm und Reich vergrössert hat. «Nur die Eliten haben von diesem touristischen Geschenk des Himmels profitiert», sagt Milbert.
«Die Bevölkerung in den Dörfern auf dem Land sammelt höchstens die Abfallsäcke ein, die von den Trekking-Touristen zurückgelassen werden.»
Leben in ständiger Angst
Auf Grund dieser Frustration und Ungleichheit entstand 1996 auch die maoistische Guerilla. Es kam zu mörderischen Konflikten mit den Regierungssoldaten, die bisher 11’000 Menschen das Leben gekostet haben.
Laut Menschenrechts-Organisationen begehen dabei sowohl die Armee als auch die Guerilla zahlreiche Gewaltakte gegenüber der Bevölkerung. «Ähnlich wie in Peru zur Zeit des ‹Sendero luminoso› finden sich heute auch die Nepalesen gefangen zwischen zwei Feuern, und leben in ständiger Angst», sagt Isabelle Milbert.
Eine Falle, die nach dem Staatsstreich vom letzten Dienstag auf die Schweiz und andere Geberländer zurückschnappt. Die Entwicklungsagenturen dieser Länder müssen sich nun überlegen, wie sie die Demokratie verteidigen sollen, ohne von der Guerilla zu ihrem Zweck missbraucht zu werden.
swissinfo, Frédéric Burnand aus Genf
(Übertragung aus dem Französischen: Alexander Künzle)
Die Schweiz wendet jährlich mehr als 20 Mio. Franken für ihre Programme in Nepal auf.
Diese Projekte werden von 15 Auslandschweizern und mehr als 400 nepalesischen Mitarbeitenden betreut.
Die DEZA arbeitet zusammen mit Nichtregierungs-Organisationen aus Nepal und der Schweiz (Helvetas), mit Unternehmen, internationalen Organisationen – und bis letzten Dienstag mit verschiedenen nepalesischen Ministerien.
Für Helvetas war Nepal vor über 45 Jahren das erste Einsatzland, mit den inzwischen legendären Bergkäsereien.
1948: Die nepalesische Regierung fragt die Schweiz um Hilfe an.
1952: Eröffnung eines ersten Verbindungsbüros der Schweiz in Nepal.
1959: Aufnahme diplomatischer Beziehungen.
1972: Unterzeichung eines Vertrags über technische Zusammenarbeit.
1997: Besuch des Bundespräsidenten Arnold Koller in Nepal.
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