Neue drastische Abmagerungskur für die Post
Die Post will in den nächsten beiden Jahren bis zu 500 Stellen abbauen. Davon erhofft sich der Gelbe Riese Einsparungen von 50 Mio. Franken im Jahr.
Die Parteien der Rechten reagieren nuanciert, Gewerkschaften und Linksparteien stehen der Umstrukturierung skeptisch gegenüber. Für Wirtschaftskreise geht die Reform nicht weit genug.
Der Stellenabbau, den das Projekt Ymago mit sich bringt, betrifft in erster Linie den Schalterbereich. Er soll möglichst ohne Entlassungen erfolgen, wie Postchef Ulrich Gygi am Dienstag in Bern sagte. Die konkreten Auswirkungen auf die Mitarbeitenden werden in den nächsten Monaten mit den Gewerkschaften verhandelt.
«Die Post lässt niemanden fallen», versprach Gygi. Wenn jetzt von Massenentlassungen gesprochen werde, sei dies schlicht unwahr. Die Post sei und bleibe ein sozialer Arbeitgeber, auch wenn sie sich den veränderten Kundenbedürfnissen anpassen müsse. «Ich setze mich dafür ein, dass es keine Entlassungen geben wird», versprach er.
Die Post will die Auswirkungen auf die Mitarbeitenden in den nächsten Monaten mit den Gewerkschaften aushandeln. Verhandlungsergebnisse sollen im Frühling 2007 vorliegen.
Für die betroffenen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen solle eine angemessene Lösung gefunden werden. «Vielleicht nicht bei der Post, dafür aber bei einem anderen Unternehmen», so Gygi.
Zu dichtes Poststellennetz
Das Poststellennetz wird laut Gygi immer weniger genutzt. Diesem Umstand trägt das Projekt Ymago Rechnung. 2007 soll die Aufgabenverteilung zwischen den Poststellen neu geregelt werden. 200 so genannte Hauptpoststellen führen neu jeweils zwischen zwei und 20 Zweigpoststellen.
Allerdings räumte Karl Kern von der Post-Konzernleitung ein, dass viele Poststellenleitende ihre neue Aufgabe als Verantwortliche einer Zweigpoststelle als Zurückstufung empfänden. Er widersprach allerdings Berichten, wonach den Poststellenleitern landauf landab der Lohn gekürzt werde.
Vorsichtige Zustimmung
Bis Ende 2008 will die Post zudem rund 200 Agenturen des Typs «Post im Dorfladen» realisieren, die länger geöffnet sind und ein Grundsortiment bei den Briefen und Paketen anbieten.
Der Wirtschaftsdachverband economiesuisse begrüsst die Stossrichtung der Post. Das Reorganisationsprojekt sei jedoch noch «zu zaghaft». Im internationalen Vergleich fielen die Vorschläge der Post «äusserst vorsichtig und sehr bescheiden» aus.
Positiv reagiert die Schweizerische Volkspartei (SVP). Die Post müsse Kosten sparen und sich auf die veränderten Bedürfnisse der Kundschaft ausrichten. Den Stellenabbau betrachtet die SVP nicht als dramatisch.
Die Christlichdemokratische Volkspartei (CVP) und die Freisinnig Demokratische Partei (FDP) halten sich mit einer Bewertung zurück. Auch für sie muss der Service public gewährleistet bleiben. Weiter sei zu prüfen, ob der Stellenabbau wirklich so massiv ausfallen müsse.
Ablehnung
Die Sozialdemokratische Partei (SP) und die Grünen verlangen von der Post, auf Lohnabbau und Kündigungen zu verzichten. Der landesweite Service public müsse sichergestellt werden.
Und auch die Gewerkschaften reagieren ungehalten auf die Umbaupläne. Die Reorganisation dürfe nicht dazu führen, dass Tausende Lohneinbussen hinnehmen oder um ihren Arbeitsplatz zittern müssten.
Für die Gewerkschaften Kommunikation und transfair ist klar: «Kein Lohnabbau, kein Stellenabbau, keine Kündigungen». Mit Protestkundegbungen in Lausanne, Bern und Lugano machten die Angestellten am Dienstag auf ihre Situation aufmerksam.
swissinfo und Agenturen
Die Geschichte der heutigen Post beginnt 1995 mit der Aufteilung der PTT in Post und PTT Telekom (heute swisscom). Die Reform tritt 1998 in Kraft.
18. Jan. 2001: Die Post kündigt an, bis 2005 das Netz von 3390 Poststellen auf 2500 zu reduzieren, was in der Öffentlichkeit und im Parlament auf Kritik stösst. Damit will sie jährlich rund 100 Mio. Fr. sparen.
27. Mai 2003: Der Post-Verwaltungsrat entscheidet sich im Rahmen des REMA-Projekts für drei Briefzentren sowie sechs Subzentren. Dadurch gehen 2390 Stellen verloren.
1. Jan. 2004: Das revidierte Postgesetz tritt in Kraft. Es gibt der Post Vorgaben für die flächendeckende Grundversorgung. Neu dürfen auch private Anbieter Pakete unter zwei Kilogramm befördern.
3. Mai 2006: Der Bundesrat schlägt eine Revision des Postgesetzes zur weiteren Marktöffnung vor. Die Post soll eine AG werden, das Personal nach Obligationenrecht angestellt werden. Das Briefmonopol könnte dereinst ganz fallen. Eine flächendeckende Grundversorgung soll es weiterhin geben.
2005 erzielte die Post bei einem Umsatz von 7,5 Mrd. Franken einen Reingewinn von 811 Mio. Fr.
Der gelbe Riese ist der zweitgrösste Arbeitgeber der Schweiz: Ende 2005 beschäftigte er 41’073 Personen (100%-Stellen), gegenüber 42’884 im Vorjahr.
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