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Neue Politaffäre im Tessin

So präsentierte sich Filippo Lombardi auf dem Wahlplakat 2003. Filippo Lombardi

Die Christdemokraten des Kantons Tessin gehen auf Distanz zu ihrem Ständerat Filippo Lombardi. Er wird verdächtigt, die Auflagezahlen des "Giornale del Popolo" geschönt zu haben.

Es ist nicht das erste Mal, dass Volksvertreter aus dem Kanton Tessin negativ auffallen.

Im Zusammenhang mit manipulierten Auflagezahlen der Tessiner Tageszeitung «Giornale del Popolo» in den 90er Jahren hat die Tessiner Staatsanwaltschaft kürzlich eine formelle Hauptuntersuchung wegen Urkundefälschung gegen den Tessiner CVP-Ständerat Filippo Lombardi und weitere Personen eröffnet.

Lombardi, einer der zwei Tessiner Kantonsvertreter in der kleinen Parlaments-Kammer (Ständerat), hatte eine Woche zuvor die Verantwortung für die geschönten Auflagezahlen des kriselnden «Giornale del Popolo» übernommen.

Nun ist die Tessiner CVP zu ihrem Ständerat halbwegs auf Distanz gegangen. Der Parteivorstand hat beschlossen, Lombardis Mitgliedschaft in allen Parteigremien mit sofortiger Wirkung zu suspendieren. Zum Rücktritt aus dem Ständerat wurde er jedoch nicht aufgefordert.

Als Chefredaktor die Auflagezahlen manipuliert

Lombardi selber akzeptiert – gemäss Mitteilung – die Beschlüsse des Parteivorstandes. Somit scheidet der 48-jährige Politiker bis auf weiteres aus dem Präsidium sowie aus dem kleinen und grossen Parteivorstand der Christlichdemokratischen Volkspartei des Kantons Tessin aus.

Der umstrittene Politiker hat, gemäss eigenen Aussagen, als ehemaliger Chefredaktor des Kurienblattes «Giornale del Popolo» in den Jahren 1994 und 1995 die Auflagezahlen geschönt. Lombardi ist heute Chef der Lokal-TV-Station «Tele Ticino».

Die Staatsanwaltschaft des Kantons Tessin ermittelt nun wegen Verdachts auf Betrug und Urkundenfälschung. Lombardi selber sagte am Dienstag-Abend im Tessiner Radio, er könne die Verbitterung der Leute verstehen.

77% verlangen Rücktritt als Ständerat

Gleichzeitig wies er darauf hin, dass sich die Anklage der Urkundenfälschung in seinem Fall auf die Jahre 1994 und 1995 beziehe. Es handle sich somit um Delikte, die er lange vor seiner Wahl in den Ständerat begangen habe.

Die Auflagenfälschung begründete er damit, dass er das Kurienblatt im hart umkämpften Tessiner Zeitungsmarkt habe retten wollen. «Mit der gleichen Leidenschaft wie für die Zeitung setze ich mich seit 1999 als Ständerat für das Tessin ein», sagte er und bat man möge ihn nach seiner politischen Leistung beurteilen.

Die Leute im Tessin beurteilten den Politiker auf der Homepage des Tessiner Radios und Fernsehens. Dort bejahten 77% der Internet-Surfer die Frage «Soll Lombardi das Parlament in Bern verlassen» mit Ja. Lediglich 23% der 540 Teilnehmer verneinten die Frage.

Schnellfahrer ohne Führerausweis

Es ist nicht das erste Mal, dass Lombardi für Aufsehen sorgt. So sass er vor rund einem Jahr am Steuer eines Autos, das im Kanton Aargau auf der Autobahn in eine Radarfalle geriet. Lombardi war schneller unterwegs, als das Gesetz erlaubt.

Während die Polizei nach dem fehlbaren Lenker des Wagens suchte, gab sich eine Mitarbeiterin Lombardis als Lenkerin aus. Auf dem Polizeifoto war allerdings ein Mann zu sehen.

Zwar wurde ein anschliessend eingeleitetes Verfahren wegen Irreführung der Rechtspflege eingestellt. Lombardi wurde zu 20 Tagen Gefängnis bedingt wegen Fahrens ohne Ausweis verurteilt. Bereits rund zwei Jahre zuvor war ihm wegen Schnellfahren in angetrunkenem Zustand der Führerausweis entzogen worden.

Mutterpartei wartet ab

Im vergangenen Herbst kandidierte Lombardi erneut für den Ständerat. Dabei unterliess er es, seine Partei über seine Verkehrsdelikte ins Bild zu setzen. Er gab an, es handle sich hier um private Angelegenheiten. Gewählt hat ihn das Tessiner Stimmvolk dennoch.

Die CVP-Schweiz, so Parteisprecherin Béatrice Wertli gegenüber swissinfo, begrüsst den Entscheid der Tessiner Kantonalpartei und diese sei auch für die weiteren Entscheide zuständig. So gesehen warte man die laufenden Untersuchungen ab. Wertli wies zudem darauf hin, dass Lombardi in der CVP Schweiz keine Mandate mehr ausübe.

Auch Maspoli und Bignasca

In den vergangenen Jahren sorgten Tessiner Politiker mehrmals für negative Schlagzeilen. Nicht nur Filippo Lombardi sondern auch die beiden ehemaligen Nationalräte der «Lega dei ticinesi», Flavio Maspoli und Giuliano Bignasca, gaben Anlass zu Schlagzeilen.

Maspoli musste sich vor Gericht wegen Bankrott und Fälschung von Referendums-Unterschriften verantworten. Bignasca wurde mehrmals wegen Betrug, Dokumenten-Fälschung und Drogenkonsum verurteilt.

swissinfo und Agenturen

Werdegang von Filippo Lombardi

1987-96: Chefredaktor des «Giornale del Popolo» in Lugano.

1996–99: Gründer, Direktor und Verwaltungsrats-Delegierter des privaten Lokalfernsehens «Tele Ticino».

Seit 2001: Präsident von TeleSuisse, der Vereinigung der Schweizer Regionalfernseh-Stationen.

Seit 1999: CVP-Ständerat des Kantons Tessin. Wiederwahl 2003.

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