Neuer Unmut über Zusammenlegung von Konsulaten
Die Schweiz baut aus Spar- und Effizienz-Gründen ihr Konsularnetz um: Rund 20 Konsulate wurden geschlossen oder stehen kurz davor. Sie werden durch 8 regionale Zentren ersetzt. Der Entscheid sorgt bei der Auslandschweizer-Organisation ASO und Konsuln für Unmut.
Die Entrüstung angeheizt hat das Westschweizer Radio RSR, das am 7. Juni über die Restrukturierung des Konsularnetzes in Europa, der Karibik und im südlichen Afrika berichtete. 26 Konsulate wurden durch 8regionale Zentren ersetzt, in denen die konsularischen Dienste für mehrere Staaten erbracht werden. Das Zentrum in Wien zum Beispiel wird für insgesamt sechs Staaten zuständig sein. Die Botschaften sind von der Massnahme nicht betroffen.
Zu den Hauptstädten, die kein Konsulat mehr haben werden, gehören unter anderem: Kopenhagen, Helsinki, Oslo, Brüssel, Luxemburg, Budapest, Prag, Sofia, Port-au-Prince.
Das Westschweizer Radio berichtete, die Reorganisation sei erfolgt, ohne dass die betroffenen Konsuln offiziell informiert worden seien. Dies habe zu grossen Spannungen zwischen der Zentrale in Bern und den Konsuln geführt. Diese hätten sich über die «Abbaumassnahme» und «autoritäre Kommunikation» beklagt – sowie über «mangelhafte Personalpolitik» von Seiten ihrer Vorgesetzten.
Doch wie gross war das Ausmass der Proteste wirklich? ASO-Präsident Jacques-Simon Eggly (er war nicht im Vorfeld darüber informiert gewesen), spricht von einer «fast gewerkschaftlichen Reaktion».
Adrian Sollberger, Sprecher des Eidg. Departments für auswärtige Angelegenheiten (EDA), bestätigte seinerseits nur, dass die betroffene Direktion «verschiedene Briefe erhalten hat und mit Vertretern des konsularischen Personals im Kontakt» stehe.
Laut dem Westschweizer Radio hat das EDA in einem Brief vom 27. Mai an die betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erklärt, dass die Auswirkungen der Reorganisation auf das «Karrierepersonal minimal» sein würden. Beim lokalen Personal in den Konsulaten müsse aber mit Abbau gerechnet werden.
Kein neues Problem
«Wir protestieren fast bei jeder Sitzung des Auslandschweizer-Rats gegen diesen Abbau bei den Konsulaten», ruft Jacques-Simon Eggly in Erinnerung. Zu Schliessungen sei es bereits gekommen, bevor das neue Vorgehen bekannt geworden sei, aber zumindest gebe es nun offenbar ein Konzept.
Der ASO-Präsident nennt in dem Zusammenhang Toulouse, Hamburg, Dresden oder Bordeaux, wo das Konsulat ungeachtet eines Schreiben des dortigen Bürgermeisters (und derzeitigen französischen Aussenministers) Alain Juppé an die Schweizer Aussenministerin Micheline Calmy-Rey geschlossen worden sei.
Jacques-Simon Eggly hat Aussenministerin Micheline Calmy-Rey am Dienstagabend zu einem Gespräch getroffen. Dabei ging es vor allem um die ausgleichenden Massnahmen, mit denen der Schock der Konsulatsschliessungen abgefedert werden soll.
Auslandschweizerinnen und -Schweizer, die auf Besuch in der Heimat sind, sollten wissen, dass sie dort ihre Ausweispapiere einfach erneuern können. Dazu kommen die «Wander-Konsulate», Fahrzeuge, mit denen von Zeit zu Zeit abgelegene Regionen besucht werden, sowie die Wiederaufwertung der Rolle von Honorarkonsuln. All dies sind Massnahmen, für die sich die ASO stark einsetzt.
Der Abbau von Konsulaten in Europa geht übrigens einher mit der Eröffnung neuer Konsulate in aufstrebenden Ländern, in denen die Schweiz Interessen hat, vor allem wirtschaftliche.
Gesunder Menschenverstand?
Für das EDA geht es bei der Redimensionierung des Konsularnetzes darum, die «beschränkten Ressourcen effizienter zu nutzen». In einigen Ländern lasse sich der Betrieb eines Konsulats nicht mehr rechtfertigen, so in der Slowakei, wo das Konsulat in Bratislava im Jahr 2009 insgesamt noch gerade 42 Ausweise und drei Visa ausgestellt habe. Und zahlreiche der konsularischen Dienstleistungen könnten heute per Post oder über das Internet erbracht werden.
Es komme aber zu weniger zwischenmenschlichem Kontakt. Dies sei ein Verlust und erschwere auch das Zusammenbringen der Auslandschweizer und -Schweizerinnen, «der besten Botschafter des Landes», erwidert ASO-Präsident Eggly. Dazu komme, dass vor allem Konsulate in Europa geschlossen würden, in Ländern also, welche die Schweiz als «Freunde nötig» habe.
Er frage sich, ob das weise sei. Aber Frau Calmy-Rey wolle die Reorganisation offensichtlich umsetzen, bevor sie zurücktrete. Das Mindeste, das man sich erhoffen könne, sollte aber eine bessere Informationspolitik und eine bessere Umsetzung der ausgleichenden Massnahmen sein – und leider sei das bisher nicht der Fall gewesen, schliesst der ASO-Präsident.
Die Schweiz hat 93 Botschaften, 12 Missionen bei internationalen Organisationen und 41 Generalkonsulate, Zahlen, die mit denen ähnlicher Länder absolut vergleichbar sind.
Der Personalbestand dieser Vertretungen hingegen ist sehr gering. Vier Fünftel der Vertretungen haben – neben dem Botschafter, der Botschafterin – nicht mehr als zwei diplomatische Mitarbeiter. Zudem sind die Vertretungen oft auch für Nachbarstaaten zuständig. Auf vielen Botschaften gibt es sogar nur einen Diplomaten.
Die Konsulate übernehmen für Auslandschweizer oder für Reisende aus der Schweiz so etwas wie die Rolle einer Gemeindeverwaltung. So können sie offizielle Dokumente (wie Pässe, Identitätskarten etc.) ausstelle, oder Auslandschweizer beraten bei Themen wie der Ausübung ihrer Wahlrechte oder bei Fragen zu Nationalität oder Zivilstand.
Zu den Aufgaben eines Konsulats gehören auch die Unterstützung von Touristen in Nöten, der konsularische Schutz oder Hilfe für Leute, die ihre Ausweispapiere verloren haben.
Quelle: Eidg. Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA)
Stockholm: zuständig für Schweden, Dänemark, Norwegen und Finnland (seit dem 30. Mai)
Wien: zuständig für Österreich, Ungarn, Tschechien, Slowakei, Slowenien und Kroatien (ab Sommer 2011)
Pristina: zuständig für Kosovo und Albanien (seit dem 1. April)
Den Haag: zuständig für Belgien, Luxemburg und die Niederlande (seit dem 16. Mai)
Bukarest: zuständig für Rumänien und Bulgarien (seit dem 15. April)
Riga: zuständig für Lettland, Litauen und Estland (seit dem 30. Mai)
Hispaniola: zuständig für die Dominikanische Republik und Haiti (seit dem 1. Mai)
Pretoria: zuständig für Südafrika, Malawi, Sambia und Simbabwe (seit dem 1. April)
(Übertragung aus dem Französischen: Rita Emch)
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