Neuer UNO-Chef wird keine leichte Aufgabe haben
Wie erfolgreich der am Freitag gewählte neue UNO-Generalsekretär in seinem Amt sein wird, hängt vom Goodwill der wichtigen UNO-Mitgliedstaaten ab, meint ein Experte gegenüber swissinfo.
Victor-Yves Ghebali, Professor am Institut für Internationale Studien in Genf, sagt, der am Freitag ernannte Südkoreaner wird es mit der Doppel-Herausforderung Globalisierung und USA zu tun haben.
Die UNO-Generalversammlung hat die Wahl des Sicherheitsrats von Anfang Woche bestätigt. Ban Ki-moon wird am kommenden 1. Januar das Amt vom aktuellen Generalsekretär Kofi Annan übernehmen, der zwei Fünf-Jahres-Perioden im Dienst stand.
Der südkoreanische Aussenminister ist ein Karrierediplomat und war Favorit für das Amt.
swissinfo: Warum wurde Ban Ki-moon gewählt?
Victor-Yves Ghebali: Erstens ist er Asiate und Asien war für den Job an der Reihe. Zweitens, weil er Südkoreaner ist. Viele Leute denken, er könnte die nordkoreanische Nuklear-Krise in den Griff bekommen. Dies ist allerdings eine Fehleinschätzung.
Ich glaube nicht, dass ihm dies gelingt, denn das nordkoreanische Regime ist paranoid. Es mag Südkorea ebensowenig wie die USA.
swissinfo: Was sind die wichtigsten Herausforderungen für Ban Ki-moon in seinem neuen Amt?
V.-Y.G.: Es gibt zwei Aufgaben: die erste ist die Globalisierung, die alle zwischenstaatlichen Organisationen betrifft.
Die meisten dieser Organisationen verkörpern die Idee des Multilateralismus, die die Beziehungen zwischen Staaten regeln sollte und daher die nationale Souveränität bewahrt. Die Globalisierung dagegen schränkt die Staaten in ihrer Souveränität ein in einer Welt, in der es keine globale Autorität gibt.
Die zweite Herausforderung sind die USA. Das Paradoxe ist, dass die internationale Ordnung durch undemokratisches Verhalten von etablierten Demokratien bedroht werden kann, wie man es bei der widerrechtlichen Invasion des Irak und dem ungeheuerlichen Missbrauch der Menschenrechte gesehen hat.
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swissinfo: Ist Ban Ki-moon diesen Aufgaben gewachsen?
V.-Y.G.: Dies ist das schwierigste Amt der Welt. Ich glaube nicht, dass er beide Herausforderungen meistern kann. Doch wie gesagt hängt es von der Unterstützung der fünf ständigen Mitglieder des UNO-Sicherheitsrats ab. Die Bush-Regierung wird noch bis Januar 2008 im Amt sein, Ban Ki-moon hat also keine leichte Aufgabe.
swissinfo: Ist er schwergewichtig genug für dieses Amt?
V.-Y.G.: Das spielt keine Rolle, denn was die UNO braucht, ist nicht eine charismatische Führer-Persönlichkeit, sondern einen lenkbaren Diener der Grossmächte. Anders kann man dieses Amt nicht überleben.
swissinfo: Wird er sich auch mit internen Reformen beschäftigen müssen?
V.-Y.G.: Natürlich braucht die UNO internen Reformen, aber das wirkliche Problem sind nicht interne Reformen, sondern das Verhalten der Grossmächte. Man kann die UNO mit einem Auto vergleichen. Wenn etwas nicht funktioniert, kann man dem Motor oder dem Benzin die Schuld geben – auch wenn eigentlich der Fahrer das Problem ist.
So kann man auf interner Ebene alle möglichen Reformen durchführen, aber solange die Grossmächte ihr Verhalten nicht ändern, werden die Probleme dieselben bleiben. Denn die UNO ist nichts anderes als die Summe des politischen Willens ihrer wichtigsten Mitgliedstaaten.
swissinfo-Interview: Isobel Leybold-Johnson
(Übertragung aus dem Englischen: Susanne Schanda)
Victor-Yves Ghebali ist Professor am Institut für internationale Studien in Genf und Kenner der UNO und anderer internationaler Organisationen.
Zu seinen Forschungsschwerpunkten gehören der Völkerbund und die UNO, Ost-West-Beziehungen, die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, der Mittelmeerraum sowie nationale Minderheiten.
Ban Ki-moon ist 62 Jahre alt und wurde 2004 zum südkoreanischen Aussenminister gewählt. Er ist ein Karrierediplomat.
Er ist der erste Generalsekretär eines asiatischen Landes seit U Thant aus Burma, der das Amt 1961-71 innehatte.
Ban Ki-moon folgt auf Kofi Annan aus Ghana, der das Amt zehn Jahre lang ausübte. Dieser hatte versprochen, die UNO erfolgreicher, effizienter und relevanter zu machen.
Beobachter sagen, Ban Ki-moon werde eine UNO übernehmen, die interne Reformen braucht und vom Öl-für-Nahrung-Skandal im Irak angeschlagen ist.
Die Organisation ist auch gespalten in der Frage, wie sie die Probleme mit Nordkorea, Iran und Darfur angehen will.
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